Mami Staffel 1 – Familienroman. Gisela Reutling

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Mami Staffel 1 – Familienroman - Gisela Reutling Mami Staffel

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      Ina legte ein paar Sachen in ihren Koffer. Durch die offenstehende Tür vernahm sie die Stimme des Ansagers, der die Spätnachrichten verlas: Kriege, Streiks, Geiselnahme. Mußte man sich das wirklich immer anhören?

      Endlich schaltete Carsten ab. Er kam ins Schlafzimmer. »Was tust du denn da?« fragte er verdutzt.

      »Ich fahre ein paar Tage weg«, antwortete sie mit blasser Miene, aber sehr entschlossen.

      »Weg – jetzt? Wohin willst du fahren?« kam es fassungslos zurück.

      »Das weiß ich noch nicht so genau. Irgendwohin aufs Land, wo ich mal durchatmen kann.«

      Carsten warf die Arme in die Luft. »Wir starten eine neue Werbekampagne, Ina! Wie kannst du da plötzlich auf die Idee kommen…« Es schien ihm so absurd, daß er den Satz nicht vollendete, sondern nur heftig den Kopf schüttelte.

      »Du denkst nur an die Geschäfte«, hielt seine Frau ihm erbittert vor. »Du tust, als sei alles beim alten. Seit wie vielen Tagen geht das nun schon so, daß du jedem Gespräch ausweichst. Ich trau mich schon gar nicht mehr, davon anzufangen.«

      Sie legte einen Pullover zusammen und tat ihn zu den anderen Kleidungsstücken in den Koffer.

      Daß er sie mit ihren Problemen alleinließ, war das Schlimmste für sie. War es denn nicht auch sein Problem? Aber nein, Carsten steckte den Kopf in den Sand.

      Auch jetzt sah er wieder an ihr vorbei.

      »Was sollen wir denn groß darüber reden«, sagte er. »Ich überlasse dir die Entscheidung.«

      »Du machst es dir leicht«, erwiderte Ina mit schmalen Lippen und packte weiter. Die festen Sportschuhe, die sie lange nicht gebraucht hatte, die würde sie mitnehmen.

      »Nein, das mache ich nicht«, sprach Carsten langsam. Er trat auf sie zu. Ina hielt den Atem an. Würde er sie jetzt doch endlich einmal in den Arm nehmen, zärtlich zu ihr sein, ihr ein gutes Wort sagen? Er konnte sie doch nicht so im Stich lassen! Aber er sagte nur, auf den Koffer blickend: »Komm, laß doch diesen Unsinn. Davonlaufen macht auch nichts klarer. Du kannst morgen bei der Besprechung mit Merseburger nicht fehlen.«

      Ihr Herzschlag, der sich beschleunigt hatte, ebbte ab. »Morgen früh bin ich schon weit«, erklärte sie. »Macht doch, was ihr wollt. Ich bin kein Roboter. Ich muß mal zur Besinnung kommen. Und vielleicht finde ich dann die Klarheit, zu der du mir um keinen Deut weiterhilfst.«

      Am Morgen stand Ina vor ihrem Mann auf und machte sich fertig. Carsten hatte eine Schlaftablette genommen, was er jetzt leider öfter tat. Er rauchte zuviel, er lebte ungesund. Wenn der Wecker ihn emporriß, würde sie bereits fort sein. Aber sie legte ihm einen Zettel hin: Ich bin in Lindenhain. Kommst du nach? Ina.

      Natürlich würde er nicht nachkommen. Die Agentur war ihm hundertmal wichtiger als sie und das Kind, das sie erwartete. Letzteres war ihm doch nur entsetzlich im Wege.

      In der Nacht hatte sie es sich überlegt, daß sie in den kleinen verträumten Ort fahren würde, wo sie ihren Hochzeitsurlaub verbracht hatten. Eine Woche nur und recht bescheiden, was die äußeren Umstände betraf, weil sie sparen wollten, sie hatten doch so große Pläne.

      Aber wie glücklich waren sie dort gewesen, wo sie ganz zufällig hingefunden und einfach dageblieben waren! Hoffte sie, noch einen Abglanz jenes Glücks zu finden, das im Alltag verlorengegangen war? Mochte es ihr doch einen Ausweg aus der Wirrnis ihrer Gefühle aufzeigen! War da nicht manchmal, seltsam genug, schon eine winzige, zaghafte Freude, die in ihr aufkeimen wollte…

      Ina fand den Gasthof wieder, in dem sie mit Carsten vor sieben Jahren gewohnt hatte. Er hieß ›Zur Linde‹ in Lindenhain. Es hatte sich nichts verändert, die Wirtsleute waren die gleichen, und auch die freundliche, bei aller Schlichtheit so anheimelnde Atmosphäre war geblieben. Sie bekam sogar dasselbe Zimmer. Es gab nur fünf in diesem Haus, und noch waren kaum Gäste da.

      Das war ein großes Aufatmen für Ina, hier, wo es keine Hochhäuser und keine Autoschlangen gab, nur eine große Stille, und klare, würzige Luft von den Feldern und Wiesen und den bewaldeten Hügeln her. Sie ging viel spazieren. Ihre überreizten Nerven beruhigten sich.

      Überall wurden Erinnerungen wach. Nur daß es damals Sommer gewesen war und jetzt erst ganz junger Frühling, noch recht kühl, mit eilig dahinsegelnden Wolken, durch die ab und zu die Sonne brach.

      Hier, bei der Kapelle auf dem Hügel, hatte sie mit Carsten auf der Bank gesessen, eng aneinandergeschmiegt hatten sie den Sonnenuntergang zugeschaut, sich über ein Eichhörnchen gefreut, das eilig am Baum emporkletterte. Sie hatten doch beide Sinn dafür gehabt. Durfte man es denn nur zulassen, daß einem die Freude an der Natur und ihren Lebewesen nach und nach verlorenging und mit den Jahren fast nur noch Geld und Erfolg zählte? Daß man sich kein Kind ›erlauben‹ konnte, vor lauter Bedenken, es könnte einen in der Jagd danach aufhalten.

      Es waren falsche Wertvorstellungen, die sie hatten! Das wurde Ina hier mehr und mehr klar. Und das Baby, das wollte sie haben! Mochte Carsten sich dazu stellen wie er wollte.

      Ach, Carsten! In Gedanken sprach Ina mit ihm, auf ihren einsamen Wegen: Auch wenn es kein Wunschkind ist, wollen wir es nicht lieben und behüten und dankbar sein, daß wir Leben weitergeben werden?

      So wurde es Freitag, am Dienstag war sie gefahren. Ina war entschlossen, auch über das Wochenende noch zu bleiben, um weiter Kraft zu schöpfen für das, was zu Hause doch wieder auf sie zukommen würde. Sie schlief hier so gut wie seit langen Zeiten nicht, und die netten Wirtsleute verwöhnten die blasse Großstädterin mit allem, was die Küche nur zu bieten hatte.

      Es war der erste richtige Sonntag, der nun endlich auch Wärme mit sich brachte. Ina war an diesem Nachmittag einen Wanderweg gegangen, der über einen Wiesenpfad am Waldrand entlangführte, wo sie Vogelgezwitscher und Kuckuckrufe begleiteten. Dieser Rundweg endete an dem idyllischen Friedhof mit der Dorfkirche.

      Ina hatte die ersten Schritte auf dem Kirchweg hinab in den Ort getan, als sie dort auf der stillen Hauptstraße einen ihr wohlbekannten Wagen langsam dahinfahren sah. Carstens Wagen!

      Heiß wallte es in ihr empor. Erste jähe Freude wich einem Gefühl der Panik. Nicht jetzt schon – nicht Auseinandersetzungen und Kämpfe. Ein wenig wollte sie doch das Glücksgefühl noch auskosten, das ihr JA zu dem Baby in ihrem Herzen ausgelöst hatte.

      Ohne zu überlegen wandte sie sich um und floh in die Kirche, wo sie eine kühle Stille umfing. Vor dem Bild der Madonna mit dem Kindlein auf dem Arm faltete sie die Hände. Wann hatte sie zum letzten Mal gebetet? Auf einmal konnte sie es wieder.

      »Bitte hilf mir, die richtigen Worte zu finden, um auch meinem Mann den Glauben zu geben, daß wir es nicht gering achten dürfen, Eltern zu werden«, sprach Ina leise zu ihr empor.

      Als sie endlich in den Gasthof kam, winkte die Wirtin ihr zu. »Ihr Mann ist gekommen, Frau Faller«, sagte sie freudig. »Er ist schon nach oben gegangen.«

      Carsten hatte schon ein paar Sachen auf das zweite Bett geworfen. Es gab hier nur Doppelzimmer, und auf dem Tisch prangte ein Strauß roter Rosen. Ina verharrte an der Tür. »Seit wann schenkst du mir rote Rosen?«

      »Ja, ich weiß, es ist sehr lange her. – Freust du dich wenigstens, daß ich gekommen bin?«

      »Das weiß ich noch nicht so genau, Carsten.« Mit einem eigenartigen Blick sah sie ihn an, den Mann, den sie

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