Wechselgeld für einen Kuss. Ruth Gogoll

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Wechselgeld für einen Kuss - Ruth Gogoll

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zwar eine chaotische Ader, aber es störte sie, wenn Sachen herumlagen. Vor allem, seit sie nur noch einen einzigen Raum hatte. Das hatte ihren Ordnungssinn sehr beflügelt. Wenn es keine Schlafzimmertür oder Küchentür gab, die man einfach zumachen konnte . . .

      Sie war sich sicher, dass Frau Schindler nur ihre Neugier befriedigen wollte. Auf jeden Fall war es klar, warum sie alles, was in diesem Haus vor sich ging, wusste. Sie hatte keinerlei Berührungsängste.

      »So«, sagte sie jetzt mit einem so strahlenden Lächeln, als ob sie – im Gegensatz zu Nicola – einen herrlichen Tag gehabt hätte. »Das wär’s.« Sie hatte die Tüte auf dem Boden abgestellt und die Tasse mit dem Zucker nach einiger Überlegung neben die Veilchen, die in der kleinen Vase standen. »Die sind aber hübsch«, sagte sie. »Aus dem Garten?«

      Wenn es einen Preis für eine erfolgreiche Überrumpelungstaktik gab, Frau Schindler hätte ihn bekommen. Nicola öffnete den Mund, um etwas zu sagen, schloss ihn dann wieder und erwiderte beim zweiten Versuch: »Ja, von meiner Mutter.« Ihre Mutter hätte sich sehr über diese Aussage gewundert, da sie sich schon seit einiger Zeit nicht gesehen hatten und sie auch gar keinen Garten besaß, aber sie war ja nicht da.

      Statt sich wieder zu verabschieden, legte Frau Schindler etwas besorgt den Kopf zur Seite und sah Nicola an. »Sie sehen müde aus. Richtig erschöpft. Haben Sie überhaupt schon gegessen?«

      Tatsächlich müde schüttelte Nicola den Kopf. »Nein, aber ich habe noch eine Tiefkühlpizza –«

      Weiter kam sie nicht.

      »Tiefkühlpizza!« Frau Schindler schlug nicht nur bildlich, sondern gleich richtig die Hände über dem Kopf zusammen. »Das kann man doch nicht essen!«

      »Na ja, man kann schon . . .«, setzte Nicola an, aber wieder kam sie nicht weit.

      »Nein, nein, nein!« Wild entschlossen schüttelte Frau Schindler den Kopf. Dann warf sie kurz forschend einen Blick auf Nicolas Tüten. »Ist da irgendetwas Gefrorenes drin oder etwas, das in den Kühlschrank muss?«

      »Ähm, nein«, antwortete Nicola verwirrt.

      »Dann kommen Sie mit zu mir«, beschloss Frau Schindler daraufhin, nahm sie am Arm und schob sie zu ihrer eigenen Wohnungstür hinaus. »Ich habe genug Essen für eine ganze Armee, meine Familie hat mich heute im Stich gelassen, weil mein Mann mit den Kindern zum Sport gegangen ist, und es ist noch so viel vom Abendessen übrig, dass ich Sie schmale Person davon sicherlich satt kriege.« Sie lachte ziemlich zufrieden. Es ging doch nichts über einen gut gefüllten Kühlschrank.

      Obwohl Nicola sich darauf gefreut hatte, endlich die Beine hochlegen zu können, hatte sie Frau Schindlers Energie nichts entgegenzusetzen und ließ sich fast willenlos von ihr die Treppe hinunter in die Schindlersche Wohnung schieben.

      »Übrigens, ich heiße Marlies«, verkündete sie fröhlich, als sie Nicola am Küchentisch auf einem Stuhl versorgt hatte. »Und wie heißt du?«

      Kaum etwas von dem allen hatte Nicola so richtig mitbekommen, und sie war auch viel zu erschöpft, um darüber nachzudenken, dass Frau Schindler sie mit einem eleganten Schwung vom Sie ins Du befördert hatte, also antwortete sie fast mechanisch: »Nicola.«

      »Schön, Nicola, dass wir uns mal ein bisschen näher kennenlernen.« Geschäftig holte Marlies Schindler Töpfe aus dem Kühlschrank, stellte sie auf den Herd und schaltete ihn an. Hier in dieser Wohnung, die auf der linken Seite des Treppenhauses lag, gab es mehrere Räume, nicht nur einen. Und selbstverständlich eine separate Küche. Die Einzimmerwohnungen waren alle auf der rechten Seite, wie Nicolas. »Du musst ja einen furchtbar anstrengenden Beruf haben, wenn du so fix und fertig nach Hause kommst.«

      »Verkäuferin«, sagte Nicola. »Etwas anderes habe ich so schnell nicht bekommen.«

      »Den ganzen Tag auf den Beinen, oh je«, bedauerte Marlies sie sofort. »Willst du die Beine hochlegen?« Sie zog einen zweiten Stuhl zu Nicola heran, wartete ihre Antwort gar nicht erst ab, sondern griff an ihre Knöchel und platzierte ihre Unterschenkel auf der Sitzfläche des Stuhls. Gleichzeitig schaffte sie es jedoch mühelos, einfach weiterzureden. »Du bist also gar nicht Verkäuferin von Beruf?«

      »Doch, schon«, sagte Nicola. »Das habe ich ursprünglich mal gelernt, aber zuletzt habe ich im Büro gearbeitet.« Die Erinnerung daran ließ einen dunklen Schatten über ihr Gesicht huschen.

      »Dann trink jetzt erst mal einen Kaffee.« Wie eine fliegende Kellnerin hatte Marlies schon eine Tasse vor Nicola platziert. »Ich trinke immer welchen nach dem Abendessen. Manche Leute können ja nicht schlafen, wenn sie abends noch Kaffee trinken, aber ich schlafe wie ein Murmeltier, selbst wenn ich kurz vor dem Zubettgehen noch Kaffee trinke. Macht mir gar nichts«, verkündete sie strahlend.

      Nicola hatte große Probleme, sich überhaupt auf irgendetwas zu konzentrieren. Marlies brachte sie völlig durcheinander. Hatte sie sie jetzt etwas gefragt? Musste sie antworten?

      »Milch und Zucker?«, fragte Marlies in diesem Augenblick, als hätte sie Nicolas Gedanken gelesen. »Hab ja wieder welchen.« Sie lachte.

      »Milch«, sagte Nicola. »Kein Zucker.«

      Und schon stand die Milch neben ihr. »Nimm dir, wie viel du magst«, bot Marlies an, ging wieder zum Herd und kümmerte sich um die Töpfe, in denen sie die Sachen, die sie zuvor im Kühlschrank aufgehoben hatte, nun aufwärmte.

      Fast wie ein Roboter goss Nicola Milch in die Tasse, rührte um und nahm einen Schluck. »Puh, stark«, stellte sie fest und setzte die Tasse wieder auf den Unterteller zurück.

      »Was nützt es, Kaffee zu trinken, wenn er nicht stark ist?«, lachte Marlies. »Dann ist es doch nur gefärbtes Wasser.«

      Nicola nickte müde. »Wahrscheinlich hast du recht.«

      »Natürlich habe ich recht.« Daran schien für Marlies kein Zweifel zu bestehen. Ein Teller landete vor Nicolas Nase. »So, musste ja nur aufgewärmt werden.« Endlich setzte Marlies sich Nicola gegenüber. Eine Kaffeetasse hatte bereits auf dem Tisch gestanden. Es sah so aus, als stände sie den ganzen Tag da und würde immer nur nachgefüllt. »Nun iss erst mal. Essen hält Leib und Seele zusammen.« Sie musterte Nicola kritisch. »Und du bist viel zu dünn.«

      Gemessen an Marlies Schindlers etwas rundlichen Formen war Nicola das tatsächlich. Aber auch ansonsten. Sie hatte in letzter Zeit sehr abgenommen, obwohl sie noch nie dick gewesen war. Deshalb sah sie jetzt aus wie jemand, der fast schon übertrieben auf seine Figur achtete, auch wenn sie das noch nie getan hatte.

      Um zu essen, musste Nicola die Beine zwar wieder von dem Stuhl nehmen, auf dem Marlies sie abgelegt hatte, aber sie merkte, dass selbst diese paar Minuten des Hochlegens ihr gutgetan hatten. Ihre Füße taten nicht mehr so weh. Und obwohl sie das nicht gedacht hätte, hatten die leckeren Düfte, die durch Marlies’ Küche zogen, doch ihren Appetit geweckt. Zuvor hatte sie das Gefühl gehabt, sie wäre zu müde zum Essen. Wahrscheinlich wäre die Tiefkühlpizza auch heute im Kühlfach geblieben.

      Aber nach dem Essen gestern . . . da hatte sie gedacht, sie müsste überhaupt nie wieder essen. Das war sehr üppig gewesen. Viel üppiger, als sie es sonst gewöhnt war. Lian hatte sich nicht lumpen lassen.

      Lian . . . Fast hätte Nicola verwirrt den Kopf geschüttelt. Es war gestern Abend wirklich bei dem Essen geblieben. Lian hatte nicht einmal den Versuch gemacht, sie noch einmal zu küssen.

      Sie wusste zwar nicht, wie sie darauf reagiert hätte, aber dass

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