Mörderklima. Stefan Schweizer

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Mörderklima - Stefan Schweizer

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des universitären Stoffs verhalf. Als sie nach einem Platz in der überfüllten Cafeteria mit den hässlichen braunen Plastikstühlen suchte, sah sie ihn, ihn, ihn und er musste gar nichts tun – einfach nur da und er selbst sein – und schon hatte er sie vollkommen verzaubert. Henning hatte versonnen in seinem Becher mit Bircher Müsli gelöffelt und ihr keine Beachtung geschenkt. Sie war hin und weg, weil er so selbstbewusst, attraktiv und anziehend war. Von ihm ging eine, ja, unbeschreibliche Faszination aus, die rational nicht zu erklären war. Sein voller Lockenschopf bildete den Abschluss eines athletischen Oberkörpers. Das Gesicht war fein ziseliert und dennoch markant. Sein ausgeprägtes Kinn und die langgliedrigen, aber kräftigen Finger ließen auf Kraft und Entschlossenheit schließen, die sie sich gar nicht erst auszumalen getraute. Ihr Herz pochte heftig und sie glaubte, dass das Wummern durch den ganzen Lärm hindurch zu hören war. Schließlich fasste sie all ihren Mut zusammen und stellte die Frage aller Fragen …

      „Klar ist hier frei“, lautete seine Antwort.

      Die Stimme war faszinierend tief, angenehm und voller Wärme. Ihr Herz raste vor freudiger Aufregung, als sie ihm gegenüber sitzend betont beiläufig fragte, ob er die studentische Filmnacht besuche. Er zögerte keine Sekunde mit der Antwort. Sein freundlich umschriebenes „Nein“ brach ihr das Herz und es gelang ihr nicht, die Fassade aufrecht zu erhalten. Als Henning ihre Enttäuschung bemerkte, machte er es sofort wieder gut. Unglaublich, wie süß er sein konnte.

       „Übermorgen steigt im Auditorium die Semesterabschluss-Fete. Wollen wir uns treffen? Das wird bestimmt cool.“

       Die Frage meinte er nicht ernst, oder? Natürlich wollte sie. Nichts lieber als das. Die sterile Cafeteria leuchtete in den schönsten Farben. Leider hatte sie seinen Zusatz, dass sie jemand mitbringen könne, da er mit seinem Freund unterwegs sei, beherzigt. Der Kumpel war eine einzige Enttäuschung und jetzt saß diese gottverdammte Bitch im Nebenzimmer, allein mit dem von ihr vergötterten Henning. Was hieß da eigentlich – saß? Das Flüstern ging in ein seltsames Schmatzen und immer lauter werdendes Stöhnen über. Es tat ihr physisch weh, aber sie konnte die Bilder in ihrem Kopf nicht stoppen. Vor Wut biss sie sich so feste auf die Zunge, dass sie blutete. Das sollte sie ihr büßen, würde sie eines Tages noch bereuen und schrie nach Rache. Na warte, noch ist nicht das Ende aller Tage. Aber dann brach sie weinend auf ihrem billigen Studentinnen-Bett zusammen und schluchzte leise in ihr Kopfkissen. Ihre Feindin durfte auf keinen Fall mitkriegen, wie sehr sie die Niederlage schmerzte. Diesen Triumph würde sie ihr auf keinen Fall gönnen. Unter gar keinen Umständen und Rache war süß! Das schwor sie sich. Ganz und gar alttestamentarisch. Auge um Auge, Zahn um Zahn …

       Aber es sollte noch schlimmer für sie kommen. Wenn sie das geahnt hätte …

      Denn nur einige Tage später lag neben dem Waschbecken etwas, das sie bisher nur aus der Werbung kannte: ein Schwangerschaftstest. Vor Schrecken blieb ihr beinahe das Herz stehen. Dieses Drecksweib … Heißt das, dass sie nicht verhütete? Versuchte sie schwanger zu werden? Wusste er davon? Ihre zitternde Hand griff nach dem Stäbchen. Wenn sie sich jetzt von ihm auch noch ein Baby machen ließ, dann würde sie durchdrehen. Der arme Henning! Ließ sich von ihr vermutlich erzählen, dass sie die Pille nahm und dann … Dieser Hexe war alles zuzutrauen. Die schummrige Badezimmerlampe machte es schwierig etwas zu erkennen. Doch, keine Frage. Nur ein Balken. Nicht schwanger! Sie atmete tief und langsam aus. Eine zentnerschwere Last fiel ihr vom Herzen. Aber dennoch: Das würde sie ihr büßen. Diese Psycho-Spielchen würde sie noch bitter bereuen. Eins Tages. Denn der Herr sprach, die Rache ist mein.

      7.23. Oktober 2020, Stuttgarter Westen

      Sie fühlte sich beinahe so unwohl wie bei dem Zusammentreffen mit ihrer Intim-Feindin. Das hatte viele Gründe. Die Wohnung hatte den Begriff Studentenbude mehr als verdient. Obwohl es sich doch um einen Doktoranden handelte. Eine versiffte Wohngemeinschaft im Stuttgarter Westen. Mit einem zwar großen, aber schmuddeligen und staubigen Zimmer, das ihr Date bewohnte. Sie stutzte immer noch, was alles in dieser Welt möglich war. Keine vier Tage war es her … Und bereits zwei Tage später hatte Markus ihre Chat-Einladung auf dem Akademiker*innen-Dating-Portal angenommen. Er wisse noch nicht genau, ob er bereits wieder offen für etwas Neues sei, hatte er dazu geschrieben. Und nun saß sie wiederum zwei Tage später bei ihm zu Hause, in diesem Loch und von Trauer oder Reflexion konnte keine Rede sein. Im Gegenteil, der Typ schien viril wie ein Bock in der Brunftzeit zu sein. Sie hörte, wie der Korken geräuschvoll aus der Flasche ploppte. Dann kam der durchtrainierte Endzwanziger mit den strohblonden Haaren hinter dem billigen Bücherregal hervor, das ihn bis jetzt vor ihren Blicken verborgen hatte. Triumphierend hielt er eine Flasche roten Italiener – vermutlich von einem „Edel“-Discounter – in der einen und schmutzig wirkende Burgunderkelche in der anderen Hand. Sein Lächeln sollte wohl anziehend sein, wirkte aber widerlich. Einfach ekelhaft.

      „Damit wir uns entspannter unterhalten können“, sagte er mit einer unangenehm hoch klingenden Stimme, die seine durchaus männliche Erscheinung konterkarierte.

      Mit einem lauten Geräusch stellte er die Flasche und die Gläser auf einem sehr niedrigen, billig aussehenden Glastisch ab – ohne Untersetzer. Barbara wurde die Situation beinahe zu viel. Aber da hatte sie sich selbst hinein manövriert, und sie musste herausfinden, ob der Typ wirklich an dem Komplott beteiligt war.

      „So ein Zufall“, begann sie also das Gespräch, „dass wir uns gerade jetzt kennenlernen, wo unsere gemeinsame Bekannte Frieda nicht mehr unter uns weilt.“

      Geräuschvoll schenkte Markus die Kelche randvoll.

      „So wird’s deutlich entspannter“, sagte er mit einem schiefen Lächeln.

      Solch ein Widerling – Barbara wünschte sich weit weg, aber was musste, das musste.

      „Du hast Frieda gut gekannt?“, ließ sie nicht locker.

      „Eher pekuniär“, antwortete der Arsch, wobei ihr Frieda ganz andere Dinge erzählt hatte.

      Markus hob die Weinkelche und reichte ihr einen. Unter Mühen lächelte sie und stieß vorsichtig mit ihm an, damit nichts überschwappte.

      „Auf uns!“, sagte er. „Lassen wir doch die Vergangenheit ruhen. Ich bin so froh, dass ich dich sofort danach kennengelernt habe.“

      Der halbtrocken-samtige Rotwein blieb ihr beinahe sprichwörtlich im Halse stecken. Aber von solchen Äußerlichkeiten durfte sie sich nicht irritieren lassen – letztlich zählte das große Ziel. Markus setzte sich direkt neben sie – es hätte nicht einmal eine Sonntagszeitung zwischen sie gepasst. Er pumpte seinen in einem grünen Muscle-Shirt steckenden Oberkörper auf. Der verbrachte sicherlich mehr Zeit in der Mucki-Bude, als mit dem Verfassen seiner Dissertation.

      „Frieda war bestimmt auch von deinem Oberkörper hellauf begeistert“, warf sie den Köder aus und ergänzte stillschweigend, die alte Schlampe.

      Ein breites Lächeln zeichnete sich auf Markus` Gesicht ab. Er würgte schnell einen großen Schluck von dem sagenhaft schlechten Roten runter.

      „Sie war hingerissen!“

      Das meinte der doch nicht im Ernst. Sie bemerkte, wie sein rechter, muskulöser Arm sich ganz knapp hinter ihrem Oberkörper auf das braun-graue Sofa legte, das er bestimmt beim Sperrmüll in einer der besseren Stuttgarter Gegenden gefunden hatte.

      „Das glaube ich“, zirpte Barbara und hoffte, dass ihr schauspielerisches Talent ausreichte. „Und ihr habt euch also über das Projekt ClimateSave kennengelernt?“

      Das war wohl nicht der Gang der

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