Mörderklima. Stefan Schweizer
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„Ich glaube, dass Sommer Daten manipuliert, damit die Auswirkungen des Klimawandels drastischer aussehen, als sie tatsächlich sind und dass er …“
„Mit Glauben kommen wir nicht weiter“, unterbrach er sie brüsk – für seine Verhältnisse sehr unhöflich. Nach einer kleinen Pause setzte er hinzu: „Und ich glaube, du phantasierst dir etwas zusammen.“
Den ironischen Seitenhieb konnte er sich nicht verkneifen. Frieda setzte sofort ein bockiges Gesicht auf. Da erinnerte er sich, dass sie zur Mehrheit der Menschen gehörte, die keinen noch so geringen Spaß auf ihre Kosten zuließ. Sie war das, was gemeinhin als feiner Kerl firmierte, aber vollkommen humorlos. Eine Eigenschaft, die er ihrer protestantisch-pietistischen Erziehung zuschrieb.
„Das ist nicht lustig, Georg. Ich kann beweisen, dass Sommer Dreck am Stecken hat! Wenn ich alles auf den Tisch packe, bleibt kein Stein mehr auf dem anderen.“
Ihre Stimme überschlug sich hysterisch. Die Augen waren zwei kleine Schlitze, aus denen wütende Blitze hervorschossen. Er beschloss, sie nicht weiter zu reizen, wollte sich aber nicht weitere Absurditäten anhören, die ihm gegen den Strich gingen. Deshalb räkelte er sich in seiner gelben Chaiselongue, zog ostentativ die goldene Taschenuhr aus seiner modischen Stoffhose, ließ den Deckel aufklappen und runzelte nachdenklich die Stirn.
„Es ist reichlich spät, meine Liebe. Du kannst gerne im Gästezimmer übernachten. Morgen Nachmittag können wir uns dann in aller Ruhe unterhalten und deine Vermutungen von allen Seiten betrachten. Ich bin mir sicher, dass wir dann ein Stück weiter kommen …“
Einen Moment lang hielt er das wertvolle Erbstück seines Großvaters in der rechten Hand. Hitler hatte sie seinem Großvater persönlich geschenkt. Das Hakenkreuz auf der Rückseite hatte er nach sorgfältiger Abwägung entfernen lassen. Dann steckte er die Uhr galant in die Hosentasche zurück.
Frieda war aufgestanden und ging zu Georg herüber. Ihre Finger bohrten sich schmerzhaft in seine Schulter.
„Außerdem veruntreut Sommer Gelder des Forschungsverbunds ClimateSave!“
Georg war fassungslos. Ihm fehlten die Worte. Die Finger, die sich in seine Schultern gruben, verursachten Schmerzen. Er war überrascht, wie kräftig Frieda war. Auf einmal war Frieda verstummt. Ihre Textsicherheit war verschwunden und ihr Griff lockerte sich allmählich und beinahe zärtlich strich sie Georg über den Oberarm.
„Du glaubst mir nicht“, stellte sie konsterniert fest.
Ihr Blick zeigte Resignation und sie tat Georg beinahe leid. Er wünschte sich, subtiler vorgegangen zu sein.
„Das habe ich so nicht gesagt“, versuchte er zu besänftigen. „Ich denke, wir sollten jetzt schlafen gehen, um morgen noch einmal in aller Ruhe die Dinge bei rechtem Lichte zu betrachten.“
Er kam sich vor wie eine Schallplatte mit Sprung. Energisch schüttelte sie den Kopf.
„Ich fass‘ es nicht, Georg. Wir kennen uns schon so lange. Und jetzt glaubst du mir kein Wort und denkst, dass ich durchgeknallt sei.“
Ihre blauen Augen funkelten vor Energie und Leben. Sie strahlten Überzeugung und Aufrichtigkeit aus.
„Jetzt beruhige dich …“
Angewidert schüttelte sie den Kopf.
„Ich soll mich beruhigen? Du warst meine einzige Hoffnung. Ich habe dir vertraut. Und jetzt das.“
Die letzten Worte klangen wie ein bitterer Vorwurf. Dann herrschte gespanntes Schweigen.
„Wahrscheinlich steckst du mit Sommer unter einer Decke. Das würde ich dir nach dem heutigen Abend zutrauen. Damit du einen ordentlichen Ruf kriegst, tust du alles.“
Ein offener Schlag ins Gesicht. Georg wurde zornig, was selten vorkam. Aber das hier war ein Vorwurf, der ihn traf, da er an das Innerste seines Wesens rührte. Er atmete tief durch, um sich seine immense Erregung nicht anmerken zu lassen. Dann räusperte er sich und versuchte, seine Stimme so kontrolliert wie möglich klingen zu lassen.
„Was du da sagst, ist schlichtweg unerhört. Das ist völlig inakzeptabel! Auch wenn es von dir kommt.“
Er holte tief Luft, um fortzufahren
„Ich würde mir eher meine rechte Hand abhacken, als meine wissenschaftlichen und menschlichen Überzeugungen zu verraten. Und unter der Decke stecke ich erst recht mit niemandem. Ich erwarte eine Entschuldigung von dir!“
Es herrschte Schweigen. Denn Frieda war nicht bereit, einen Deut nachzugeben.
Die Zeit verflog, wie immer, wenn er einem spannenden Rätsel auf der Spur war. Ein Uhr! Unheilvoll klang der Glockenschlag von der vergoldeten Standuhr herüber.
Frieda sah immer noch wie ein bockiges Kind aus. Ihre Unterlippe hatte sie trotzig vorgeschoben. Die Mimik war wie versteinert. Die blauen Augen funkelten gefährlich.
Georg wünschte sich Frieden und Ruhe. Aber zugleich war er angeturnt – das alles war zu rätselhaft und mysteriös.
„Du glaubst, ich lüge?“
Friedas Stimme klang scharf und verbittert. Seine Unschuldsbekundung hatte die Situation keineswegs verbessert.
Georg hörte ihrer Tirade nur mit einem Ohr zu. Er ließ die Litanei geduldig über sich ergehen. Was anderes hätte bei diesem Wortsturm keinen Sinn gemacht.
Schließlich wandte er ein: Beweise.
„Die werde ich dir liefern“, schrie Frieda, stampfte mit dem Fuß auf, drehte sich um, verließ das Zimmer und schloss die Türe mit einem lauten Knall.
Georg blieb wie angewurzelt in dem gemütlichen Ledersessel sitzen, in den er sich zwischenzeitlich gesetzt hatte. Wie hypnotisiert betrachtete er die linke abgewetzte Stelle auf der Höhe des Ellbogens. Die Sessel waren in die Jahre gekommen. Und obwohl sie bequem waren und einen edlen Charme ausstrahlten, gehörten sie erneuert. Eindeutig. Aber auch in dieser Sache waren ihm die Hände durch den eigenartigen Mietvertrag mit seinem Großonkel gebunden. Er war in dieser Villa ein Gefangener unabänderlicher Bedingungen, die Segen und Fluch zugleich waren.
Von draußen hörte er Frieda hysterisch fluchen und schreien. Sie schwor ihm, dass er den Tag bereuen würde, an dem er ihr nicht geglaubt hatte. Georg seufzte. Ihr Temperament hatte ihn schon immer zugleich fasziniert und abgestoßen.
Schnellen Schrittes eilte er ihr nach, um … Ja, um was eigentlich zu tun? Aber es war zu spät. Die massive Naturholztüre stand offen. Draußen regnete es in Strömen und der Sturm hatte zugenommen. Georg blickte in die Finsternis aus Garten, Bäumen und Sträuchern. Nur hier und da waren in der Auffahrt einige