Spreewaldkohle. Franziska Steinhauer

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Spreewaldkohle - Franziska Steinhauer

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»Habt ihr jemanden feststellen können, der vielleicht so einen Plan haben würde?«

      »Ja. Tatsächlich gibt es nach unseren Recherchen mindestens fünf Verurteilte, die dir gedroht haben, dich dein Leben lang zu verfolgen, sich grausam an dir zu rächen und so weiter.«

      »Die habt ihr sicher überprüft. Alle konnten ein Alibi präsentieren. Und nun soll ich gründlich nachdenken?«

      »So ungefähr – ja.«

      Maja verzog das Gesicht. »Hausaufgaben für die Kollegin? Als ob ich nicht selbst ohnehin die ganze Zeit darüber nachdächte! Das ist doch die erste Frage, die man sich stellt: Hat das Ganze wirklich mit mir zu tun? Bin ich nur zufällig verwickelt worden, weil ich neu in der Stadt bin? Eine Zugezogene?« Sie stand so schwungvoll auf, dass sie den Stuhl umriss. »Wäre mir jemand eingefallen, wüsstest du davon. Und ja, mein Bruder fühlt sich beobachtet, seit wir umgezogen sind. Aber auch er hat keine Idee, wer es sein könnte – oder ob der Überwacher überhaupt existiert. Er hält es für möglich, dass er ein Hirngespinst ist, nur ein diffuses Gefühl. So. Und jetzt gehe ich zurück zu unserem eigenen Fall.«

      Damit stakste sie steif davon.

      Zurück blieben ein ratloser Kollege und ein umgestürzter Stuhl.

      Peter Nachtigall parkte ein Stück entfernt vom Parteibüro auf dem Parkplatz vor der Kammerbühne.

      Er brauchte frische Luft.

      Bis zur Breitscheidstraße war es nicht weit. Und außerdem regte Laufen das Denken an.

      Konnte auf keinen Fall schaden, dachte er zufrieden.

      »Guten Morgen«, begrüßte ihn die junge Frau, hielt ihm die Tür auf, lud ihn mit einer Geste ein, hineinzukommen. »Ich bin Kati Brauner. Kann ich Ihnen behilflich sein?«

      »Ja, mein Name ist Peter Nachtigall, Kriminalpolizei Cottbus. Ich hätte gern ein paar Informationen über die Drohmails, die Ihr Parteifreund Patrick Stein bekommen hat.« Der Ausweis wurde kurz in Augenschein genommen. Das strahlende Lächeln vertrocknete zusehends.

      »Kommen Sie bitte mit.«

      Nachtigall folgte dem wippenden Pferdeschwanz.

      »Warum kommen Sie ausgerechnet jetzt? Es wäre besser gewesen, Sie hätten Ihren Besuch mit Patrick abgesprochen. Er ist nämlich heute nicht hier, es ist mir unangenehm, Sie an seinem Rechner stöbern zu lassen, ganz ohne seine Zustimmung. Und vielleicht auch ohne sein Wissen? Brauchen Sie für so etwas nicht einen Beschluss?«

      Der Cottbuser Hauptkommissar seufzte innerlich. Er hatte eigentlich nicht mit dem Tod ins Haus fallen wollen, kämpfte selbst noch gegen das Bild an, das ihm lebhaft vor Augen stand. Die Hand des Familienvaters, die unheilvoll über den Rand der Schaufel … Als winke er weitere Katastrophen heran. Und Zeugen waren nach einer solchen Eröffnung häufig zu sehr aufgewühlt, um noch sachdienliche Hinweise geben zu können. Aber nun blieb ihm keine andere Wahl.

      »Es tut mir leid, aber wir wurden eingeschaltet, weil Herr Stein wahrscheinlich einem Tötungsdelikt zum Opfer gefallen ist. Alle Hinweise sind von größter Bedeutung.«

      »Patrick?«, fragte Kati schrill. »Tötungsdelikt? Sie sprechen von Mord?«

      »Wir ermitteln in alle Richtungen. Ich kann mir vorstellen, dass das für Sie ein großer Schock ist. Vielleicht setzen Sie sich einen Moment«, murmelte Nachtigall und schob die junge Frau vorsichtig in Richtung Besucherecke, platzierte sie auf einer giftgrünen Couch.

      »Tötungsdelikt. Mord?«, wiederholte die junge Frau leise. »Ausgerechnet Patrick? Das kann ich nicht glauben.«

      »Wir wissen noch nicht, wie er gestorben ist, können zum jetzigen Zeitpunkt nichts ausschließen. Er ist gestern Nachmittag zum Laufen aufgebrochen. Wussten Sie, dass er das geplant hatte?« Der sanfte Ton schien Kati etwas zu beruhigen.

      »Ja. Alle wussten das. Er legte die Termine fest – und jeder wusste, dass er die Sache mit dem sportlichen Engagement sehr ernst nahm. Noch.«

      »Er hielt nicht lange durch? Das kenne ich aus eigener Erfahrung.«

      »Die Ziele waren zu hochgesteckt. Sie wissen schon: nicht operationalisiert. Man kann niemals aus dem Nichts heraus ein toller Läufer werden. Das muss sich entwickeln. Es war der sechste Anlauf, seit ich ihn kenne. Und das sind nun immerhin schon vier Jahre.«

      »Lief er immer zur selben Zeit, eine gewohnte Strecke?«

      »Nein. Das funktioniert in dieser Kombination aus seinem Job und politischem Engagement nicht. Aber was hat das mit seiner Ermordung zu tun?«

      »Nun, er brach zum Laufen auf, kehrte aber nicht zurück. Ist es denkbar, dass er nach dem Training noch ein Treffen hatte?«

      Kati schwankte ein wenig beim Aufstehen, hielt sich tapfer aufrecht und ging langsam auf den Schreibtisch zu. »Es gibt einen Kalender. Moment … Nein, hier ist kein Eintrag für gestern. Ich checke den Computer.«

      »Nein, bitte starten sie ihn nicht! Die Kollegen nehmen ihn später mit. Ich brauche nur das Kennwort, damit die Kollegen barrierefreien Zugang haben. Ein Team des Erkennungsdienstes ist auf dem Weg. Wir werden ebenfalls einige der Akten mitnehmen müssen.«

      »Gut. Ich hoffe, Patrick hat alle wichtigen Dinge in der Cloud abgelegt. Sonst wird die Arbeit für uns schwierig.«

      Kati setzte sich wieder. Weinte leise. Nestelte ein Taschentuch aus einer Packung, knisterte diese zurück in die Gesäßtasche der Jeans.

      »Hatte Patrick eine besondere Beziehung zum Tagebau? Also abgesehen von der Diskussion über die Schließungen.«

      »Patrick? Ich glaube nicht. Er hat mal eine Führung mitgemacht, wusste über alle Belange der Arbeit dort bestens Bescheid, kannte die aktuellen Diskussionen, die Ängste und Besorgnisse der Menschen, die dort arbeiten. Aber an der Frage der Abschaltung gibt es nichts zu rütteln. Die kommt. Wichtig war ihm das soziale Abfedern.« Sie schnäuzte kräftig in ihr Papiertuch, wischte ein paar Tränen von den Wangen.

      »Die Drohmails bezogen sich auf dieses Thema, nicht wahr?«

      »Ja. Manche. Es wird dauern, bis alle begreifen, dass gehandelt werden muss, wir keine Minute mehr zu verschenken haben. Selbst Frau Merkel hat den Klimaschutz als Aufgabe zur Lebensrettung der Menschen beschrieben.«

      »War er wütend, wenn er solche Mails bekam? Manche enthielten nach Aussagen seiner Frau Morddrohungen.«

      »Patrick hat das schon ernst genommen, glaube ich. Wütend oder etwa besorgt war er nicht, aber oft enttäuscht. Warum begreifen die Leute nicht, dass es Einschnitte geben muss? Es ist doch inzwischen gut zu erkennen, dass das Klima sich dramatisch ändert. Gerade in der Lausitz! Seit Jahren leiden wir unter anhaltender Dürre. Daraus resultieren Ernteausfälle und Waldsterben. Wie kann man da Schadstoffausstoß auf die Formel Freie Fahrt für freie Bürger reduzieren?«

      »Was für ein Mensch war Patrick Stein?«

      »Ordentlich, zielstrebig, aber auch hartnäckig und in manchen Fragen unbeugsam.«

      »Hm.«

      »Das wissen Sie schon?« Kati schniefte, putzte wieder die Nase. »Er war ein liebevoller Vater. Wenn eines der Mädchen anrief, ließ er alles

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