Wer braucht schon eine Null. Christine Corbeau

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Wer braucht schon eine Null - Christine Corbeau Nullen-Reihe

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Kind, was gäbe ich dafür, wenn du nicht ständig diese Anglizismen verwendetest.«

       Na klar.

      »Das tue ich gar nicht. Ich spreche das mit einem ‘a’. Eben als Koseform von …«

      »Na, wie dem auch sei. Du kannst dir sicher vorstellen, weshalb ich anrufe?«

       Alle Achtung. Zwanzig Sekunden. Das könnte ein Rekord werden, wenn’s so weitergeht. Na dann besser Augen zu und durch.

      »Ich nehme mal an, es hat mit der Prüfung zu tun …«

      »Ach so, das wird ja sicherlich nicht allzu schlecht gelaufen sein, oder?«

       Ey, Freitag. Ohne so was.

      Ich bemühte mich darum, in meiner Stimme eine Zuversichtlichkeit anklingen zu lassen, die ich nicht empfand.

      »Ich habe mich gerade eben noch einmal persönlich vor Ort davon überzeugt, dass alles ordnungsgemäß angekommen ist, und die Dozentin war mit meiner Herangehensweise im Vorfeld sehr zufrieden.«

      »Siehst du. Alles reine Nervensache. Das sage ich immer. Na ja, na ja, da du es nicht selbst ansprichst, will ich dir ein wenig auf die Sprünge helfen.«

       Was geht denn hier ab?

      »Und das bedeutet …?«

      »Wer ist seit einiger Zeit bekannt mit einer gewissen Freifrau und hat es bisher nicht für nötig gehalten, ihrer Mutter davon zu berichten?«

       Als ob du dich jemals für so etwas interessieren würdest.

      »Ich nehme an, das bin ich.«

      »Erraten. Und wer hat dadurch nun die Chance, ihre Networking-Fähigkeiten in den Dienst ihrer Familie zu stellen?«

       Das meint die jetzt nicht wirklich.

      »Ich nehme an, das bin ebenfalls ich.«

      »In der Tat. Ach, Kind. Dass ich das noch erleben darf, dass du derart nutzbringend sein kannst.«

       Oh, doch. Das meint sie. Allen Ernstes.

      Durch drei tiefe Atemzüge gelang es mir, die Fassungslosigkeit, die mich überfallen hatte, zurückzudrängen. Dann stieß ich die Luft heftig aus, bevor ich ein weiteres Mal einatmete, um zu antworten.

      »Mutter. Ich werde ganz bestimmt nicht bei Agata Klinken putzen gehen, um was-auch-immer dadurch für dich zu erreichen.«

      »Das musst du doch gar nicht.«

      »Wie?«

      »Es genügt, wenn du sie mit ins Boot nimmst, um ihren Gatten davon zu überzeugen, dass unsere Kanzlei …«

      »Und Cal werde ich erst recht nicht vor deinen Karren spannen.«

      »Oh, du darfst ihn Cal nennen. Prächtig. Ganz hervorragend. Das wird grandios. Denk darüber nach. Es soll dein Schaden nicht sein. Wiederhören.«

      Und damit war die Verbindung getrennt.

      Ich wollte schreien, aber kein einziger Laut kam über meine Lippen. Kopfschüttelnd saß ich auf dem Schreibtischsessel und starrte aus dem Fenster, ohne etwas von dem wahrzunehmen, was sich auf der anderen Seite des Glases abspielte. Nach einer Weile hatte ich wieder genug Kraft, um aufzustehen und bis zum Bett zu wanken, wo ich mich einfach fallen ließ. Bevor ich mich in die Kissen und Decken wühlte, um nicht mehr gegen diesen Tag ankämpfen zu müssen und endlich den versäumten Schlaf nachzuholen, schaltete ich das Handy auf Vibration. Selbst wenn Simon nun doch noch anrief, würde er halt warten müssen.

       Ich bin eine süße, flauschige Hummel. Emsig fliege ich von Blüte zu Blüte, um den dringend von unserem Volk benötigten Nektar zu sammeln. Aber ich komme einfach nicht voran. Während um mich herum viele meiner Artgenossinnen und natürlich auch die schnittigen Bienen hin und her zu flitzen scheinen, bewege ich mich wie in Zeitlupe. Als ich mein Spiegelbild in einem Teich erblicke, bemerke ich, dass an meinen Beinen lange Papierfetzen wie Teile von Spinnweben hängen. Sie machen mich nicht nur langsam und unbeweglich, sie hindern mich auch daran, in die tiefen Kelche mancher Blumen zu krabbeln. Und alle leichter erreichbaren Blüten sind bereits abgeerntet worden. Wo ich auch hinkomme, kann ich nichts erreichen. Während meine Verzweiflung darüber immer weiter steigt, scheine ich selbst immer langsamer zu werden. Schließlich werde ich sogar von einem dieser schönen aber fürchterlich eingebildeten Schmetterlinge überholt.

       In der Ferne vernehme ich ein Brummen.

       Ich fliege einen kleinen Bogen, um mich umsehen zu können. Was ich entdecke, lässt mir sämtliche Haare zu Berge stehen. Eine riesige Hornisse mit dem Gesicht meiner Professorin fliegt auf mich zu, die gezackten Mandibeln auf und zu schnappend.

       Das Brummen wird lauter, während sie immer näher kommt.

       Schließlich ist es nicht nur ein Ton, sondern auch eine Vibration, die mich umfängt. Sie ist allumfassend und bringt die Umgebung dazu, sich aufzulösen. Ich möchte schreien. Aber ich kann nicht. Und dann löse auch ich mich auf.

      Ich schlug die Augen auf und schoss hoch, den Schrei auf den Lippen, den ich eben nicht von mir geben konnte. Der Traum wirkte noch so stark nach, dass ich mich hektisch umsah und nach einem riesigen Raubinsekt Ausschau hielt.

      Im schummrigen Dunkel war nichts davon zu erkennen und die Anspannung, mit der ich aus dem Schlaf geschreckt war, ließ etwas nach. Aber nicht vollkommen. Das Brummen war immer noch da, wenn auch nicht mehr so laut. Der Grund dafür war schnell gefunden. Er lag in meiner Hand. Das Handy signalisierte mir mittels Vibrationsalarm, dass jemand versuchte, mich zu erreichen.

      Während mein noch halb umnebeltes Bewusstsein darum kämpfte, komplett in der Wirklichkeit anzukommen, hatte diese Hand beschlossen, mir die Entscheidung darüber, was ich nun tun sollte, abzunehmen. Sie erhob sich zu meinem Ohr und betätigte den Button für das Annehmen des Anrufs.

       Und wenn es wieder meine Erzeugerin ist?

      Aber zum Ignorieren war es zu spät. Also murmelte ich: »Hallo? Was’n … wer is’n da?«

      »Kleiner Tipp: Ich bin brünett, erdnah gebaut und mein Name ist gefühlt länger als das Telefonbuch von Neuwerk.«

       Danke, Freitag … wenn du überhaupt noch Freitag bist.

      »Agata. Dich schickt der Himmel.«

      »Das hört sich bedenklich an, Süße. Willst du gleich drüber reden oder erst später?«

      »Ja … ähm nein … also … was ist Neuwerk?«

      Meine Freundin lachte.

      »Das klingt schon ein wenig besser. Dann will ich deiner Neugier mal Abhilfe verschaffen. Neuwerk ist Deutschlands

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