Wer braucht schon eine Null. Christine Corbeau

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Wer braucht schon eine Null - Christine Corbeau Nullen-Reihe

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und die Typen am Ende ziemlich ausfällig. Ich hatte damals sehr gelacht.

       Wenn’s nicht um meine Zukunft ginge, dann könnte das sogar jetzt lustig sein.

      Der Gedanke brachte mich ins Straucheln. Fast wäre ich der Länge nach hingefallen. Ich konnte mich aber gerade noch abfangen.

      Schweißgebadet und mit hängender Zunge erreichte ich schließlich das Sekretariat und stoppte an der geschlossenen Tür. Dahinter waren Geräusche zu hören, die ich nicht erkennen konnte. War das eine Unterhaltung? Gelächter? Oder nur das Radio?

       Egal, es heißt, dass noch jemand da ist.

      Ich klopfte – vielleicht etwas stärker als notwendig, aber ich war nicht in der Lage, mich so kurz vor dem erhofften Ziel zu zügeln.

      Auf der anderen Seite verstummten die Geräusche.

      »Frau Blühmel? Könnte ich Sie vielleicht kurz sprechen?«

      Die Tür wurde geöffnet. Noch bevor ich sehen konnte, wer dahinter stand, wusste ich, dass es tatsächlich Blümchen war. Der für sie so typische Duft von »Anaïs Anaïs« wallte durch den Spalt und ließ meine Anspannung direkt ein wenig abklingen.

      »Oh, hallo Martha. Was gibt’s denn heute noch? Die Unterlagen für den FSR hat doch vorhin schon Hannes abgeholt.« Das rundliche, von krausem Haar umrahmte Gesicht der Sekretärin war leicht gerötet. Es wirkte, als hätte sie sich gerade angestrengt. Aber es konnte natürlich auch nur an der sommerlichen Hitze liegen. Mit einem undeutbaren Gesichtsausdruck ließ sie mich eintreten und ging wieder zu ihrem Schreibtisch. »Na, wenn’s schnell geht. Ich bin schon fast auf dem Weg ins Wochenende.«

      »Ich will Sie auch gar nicht lange stören. Aber ich habe da ein … ähm Problem mit meiner Arbeit. Das Zeitfenster fürs Hochladen war vorhin schon fast vorbei als ich die Dateien …«

      »Machen Sie sich darüber mal keine Gedanken«, erklang hinter mir eine Stimme. Ein eisiger Schauer lief mir den Rücken hinunter.

      Ich drehte mich um und sah sie in der Tür zu ihrem Büro stehen.

      Appolonia Zacken-Barsch war eine imposante Person. Und das, obwohl sie zu mir aufblicken musste. Wer je die Serie Navy CIS: L.A. gesehen hat, der kennt Hetty Lange, die beinharte Chefin des Ermittler-Teams, die trotz geringer Körpergröße in der Lage ist, ganze Säle mit ihrer Persönlichkeit zu füllen. Es konnte gut sein, dass sich die Regisseure von meiner Professorin inspirieren lassen hatten. Und nun stand sie vor mir und trug ein Mona-Lisa-Lächeln zur Schau.

      »Ich muss zugeben, dass ich mir einige Gedanken darüber gemacht habe, ob Sie es schaffen werden, Ihre Unterlagen in der vorgegebenen Zeit einzureichen. Daher habe ich hier bis zum Ende der Abgabefrist ausgeharrt. Und siehe da. Ich wurde nicht enttäuscht. Just in time und mit dem Mut zu einem außergewöhnlichen Auftritt.« Der Blick meiner Professorin wanderte nach unten und ihr Lächeln wurde eine Spur breiter. »Ja, in der Tat. Einzigartige Aktionen helfen, aus der Masse hervorzustechen. Sie sind allerdings kein Garant für Erfolg.«

      Während sie sprach, konnte ich nicht anders, als mit den Augen ihrem Blick zu folgen, der konsequent auf etwas gerichtet war, das sich direkt vor meinen Füßen zu befinden schien.

      Als ich es sah, wurden meine Knie weich. Ein irres Kichern wollte sich seinen Weg durch die Kehle bahnen.

       Na, wenn das kein einzigartiger Auftritt ist!

      In meiner Hast war ich offensichtlich so kopflos aus dem Haus gerannt, dass ich vollkommen vergessen hatte, mir Schuhe anzuziehen.

      Das bedeutete allerdings nicht, dass ich barfuß vor meiner Professorin stand.

       Deshalb hat sich das Rennen auch so seltsam angefühlt.

      Die Schuhe, in denen die Füße steckten, waren keine wirklichen Schuhe. Es waren quietschbunte Hauspuschen, die mir Simon mal bei einem dieser Läden gekauft hatte, wo alle Artikel mit irgendwelchen Sprüchen bedruckt waren. Trotzdem – oder gerade deshalb – liebte ich sie heiß und innig. Auf jedem von ihnen war ein anders gestalteter Kopf eines Einhorns aufgedruckt. Darüber stand geschrieben: Always be unique.

      »Nichtsdestoweniger habe ich Ihrer sicherlich gehegten Hoffnung entsprochen und alles direkt an die Prüfungskommission weitergeleitet«, beendete die Frau mit dem Raubfischnamen ihren Satz.

      »War es das, worum Sie mich bitten wollten?«, meldete sich Blümchen hinter mir.

      Ich schloss meine Augen. Ein hilfloser Laut entwischte meiner Kehle. »N… ach, ist schon in Ordnung«, seufzte ich und brachte trotz allem ein Lächeln zustande.

      »Na dann wünsche ich Ihnen alles Gute. Jetzt aber ab nach Hause und machen Sie mal etwas Schönes am Wochenende. Ich kann mir gut vorstellen, dass Sie von Phonetik fürs Erste genug haben.«

      Ich verabschiedete mich von den beiden und ging aus dem Büro der Sekretärin. Nachdem ich die Tür geschlossen hatte, musste ich mich erst einmal dagegen lehnen. Von drinnen drangen wieder die Geräusche zu mir, die ich vorhin nicht zu deuten gewusst hatte. Nun aber, mit dem Ohr direkt am Türblatt, konnte ich trotz des Gekichers zweier Personen erkennen, dass dort jemand ziemlich aufgeregt mit schottischem Akzent sprach.

       Hoffentlich ist das ein gutes Zeichen.

      Ich ging zu einem der im Gang herumstehenden Stühle, setzte mich und nahm meine Füße in Augenschein, besser gesagt die Schlappen, die arg ramponiert daran hingen. Die Sohlen waren fast durchgescheuert und an einigen Stellen waren Nähte aufgeplatzt. Mit einem Anflug von Trauer streifte ich meine Lieblinge ab und packte sie in den Rucksack.

       Wenn ich sie ab jetzt schone, lassen sie sich ja vielleicht doch noch retten. Und beim Autofahren sieht das eh keiner.

      Während des Rückwegs zum Auto begegnete ich auf dem Campus niemandem. Allerdings wären Fragen, warum ich barfuß herumlief, nichts im Vergleich zu dem gewesen, was hinter Haus 12 auf mich wartete.

      Der Unterschied hätte größer kaum sein können. Hatte der Platz, auf dem ich Emmy vorhin abgestellt hatte, völlig verlassen dagelegen, so barst er jetzt geradezu vor Personen und Fahrzeugen. Zwei davon hatten ein Blinklicht auf dem Dach. Das eine Licht war blau und das andere leuchtete in fröhlichem Gelb, während ein Typ, der daneben stand, gerade dabei war, mein Auto mit einem Kran darauf abzuladen.

      Ohne auf die vielen kleinen Steinchen zu achten, die in meine Fußsohlen stachen, spurtete ich erneut los und rief: »Nein … Halt! Was machen Sie denn da? Das ist mein Auto. Was soll denn …?«

      »Ach, schön, dass Sie sich herbemühen«, bemerkte ein Uniformträger, an dem ich eben vorbeigelaufen war.

      Ich kam schmerzhaft schlitternd zum Stehen und drehte mich um.

      »Können Sie mir bitte erklären, was das hier soll?«

      »Ham Sie die Schilder nicht gesehen?«

      »Welche Schilder?«

      Der Polizist schaute mich mit gerunzelter Stirn an. Dann wies er mit seinem Arm in die Runde.

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