Der Pflug des Zorns - Ein historischer Roman. Maria Helleberg

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Der Pflug des Zorns - Ein historischer Roman - Maria Helleberg

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Wange.

      Es sah aus, als überraschte sie der Schlag, von dem sie schräg nach vorn gegen den Pfahl geschleudert wurde: die gebundenen Hände griffen nach oben auf der Suche nach einem festen Punkt, aber sie fanden nichts, und beim dritten Schlag sank sie mit einem kindlichen Jammern zusammen; versuchte, um den Pfahl zu fassen, blieb jedoch, den Kopf schräg nach hinten geworfen, hängen.

      Gunnar konnte die Züchtigung einfach nicht mehr ansehen. Er ritt sein Pferd in die nächststehenden Zuschauer hinein, die mit offenen Mündern dastanden und gafften und wütend über die Unterbrechung waren – er schlug mit beiden Füßen, Sporen und Peitsche, um zu entkommen, rief den Leuten Schimpfwörter zu.

      Erik holte ihn erst oben an der Zugbrücke ein, wo er vom Pferd gestiegen war und weinend im kniehohen Gras auf und ab ging, mit den Armen gestikulierte und gegen das Schauspiel wetterte, dessen Zeuge er gerade geworden war.

      – Sie kann ja von nichts anderem leben als von dem, was sie verkauft! rief er, als Erik ihm sanft und beruhigend die Hand auf den Arm legte – Wer hat sie denn bezahlt? Sie lebte davon, aber wer bezahlte sie? Wo ist der Pfahl, an dem man die Männer festbindet und auspeitscht, die sie gezwungen haben, sich zu verkaufen?

      – Dann müßten wir ja alle bestraft werden, wandte Erik bestürzt ein.

      Gunnar spürte, daß er niemals ihre mageren, unsauberen Hände aus seiner Seele verbannen könnte: Er blieb zurück mit der Schuld, ohne sie benennen zu können.

      Den ganzen folgenden Monat über glitt er wie ein Schatten an der Bibliothek vorbei, ohne auch nur einen Blick auf die Tür zu werfen, die immer noch zu öffnen gewesen wäre, wenn er sich nur getraut hätte. Er versuchte, sich mit ganzer Seele und all seinen Gedanken auf etwas anderes zu konzentrieren als auf die innere Zerrissenheit, die er nicht heilen, mit der er aber auch nicht leben konnte.

      Das Pferd gähnte, scharrte mit den Hufen und drehte das Weiße in seinen Augen hervor, während sein Bauch bebte – das dünne, blanke Fell zitterte, weil ein paar Fliegen sich erdreisteten, sich auf dem Tier niederzulassen. Gunnar tat alles, um das Pferd ruhigzuhalten, aber es drückte das Hinterteil hart gegen die nächststehenden Tiere, schnaubte und schüttelte den großen Kopf, als versuche es, gleichzeitig Zaumzeug und Reiter loszuwerden.

      Für Gunnar war es eine hoffnungslose Situation. All die anderen jungen Männer waren zu dem, was Erik Turnier nannte, erzogen und ausgebildet worden, zu diesem Spiel, das auf Wunsch des jungen Königs veranstaltet wurde, zum Entsetzen des Vormundschaftsrates. Er hatte sich nicht entziehen können, jetzt schon gar nicht, da er mit Erik zusammenwohnte. Aber anstatt zu versuchen, das Unmögliche wahrzumachen und sich noch die nötige Geschicklichkeit zu erwerben, hatte er sich auf Äußerlichkeiten konzentriert. Seine Ausrüstung war gut. Alle Beschläge glänzten; das Leder war gefettet, das Pferd in guter Verfassung. Auch wenn er bestimmt schon beim ersten Versuch abgeworfen wurde (vielleicht sogar schon, ehe er überhaupt die Kampfbahn erreichte), hatte er doch dieses bißchen Ehre sicher.

      Am Tag zuvor hatte er zusammen mit Erik trainiert, war abgeworfen worden und hatte nach Luft gerungen. Nach dem Sturz war ihm, als seien alle seine Rippen schmerzlich verdreht und als würden sie nie mehr an ihren rechten Platz kommen. Eigentlich wäre er am liebsten liegengeblieben, bis er allein hätte aufstehen können; aber Erik eilte herbei, hob ihn in seine Arme, umarmte und küßte ihn und betastete seine Glieder, um zu sehen, ob er sich ernstlich verletzt hätte.

      Welch ein Pech, dachte er, daß das Los ihm als Gegner Erik zugeführt hatte. Daran war nichts zu ändern. Er hoffte nur, daß er nach dem Kampf mit seinem Freund sein Leben wie gewohnt weiterleben konnte.

      Es dauerte eine unendliche, nicht zu ertragende Ewigkeit, bis man ihn herbeiwinkte, und die Hände gehorchten ihm nicht einmal, als er den Topfhelm mit den zwei Haken am Halsstück des Lederkollers festmachen wollte. Er mußte es mehrmals versuchen, bis es schließlich gelang. Nils holte ihm den Speer: breit, mit stumpfer Spitze, so daß man seinen Gegner wirklich nur durch ein Unglück verletzen konnte. Erik nannte das Ding eine Lanze: das klang nach mehr als nach diesem Stück glatten Holzes mit Eisenbeschlägen und Handschutz.

      Jetzt konnte er es nicht länger hinausschieben: Es gab keinen Ausweg.

      Ohne genau zu wissen, wie, gelang es ihm, das halbwilde, schäumende Pferd zu bändigen, bevor es noch Hals über Kopf in die aufgestellten Bankreihen unter dem Zeltdach laufen konnte, wo es die frierenden Zuschauer über den Haufen geritten hätte. Der Helm war mit wattiertem Leder gefüttert, das nach Staub und Feuchtigkeit roch. Durch die beiden schmalen Sehschlitze konnte er einen kleinen, mageren Jungen erkennen, mit Flachshaaren, die ihm bis auf die Schultern reichten – in einem silbergewebten Rock und umhüllt von einem großen, pelzgefütterten Umhang. Gunnar versuchte nach besten, aber leider geringen Kräften, die Lanze zum Gruß an den König zu senken, so wie Ivan Loveridder, Tristan und Lancelot es in den Romanen taten, die er beim Kanzler gelesen hatte.

      Der kleine König nickte, und sein Gesicht zeigte ein hilfloses, gehemmtes Lächeln.

      Dann wagte er, das Pferd zu wenden und zur Markierung zu reiten. Vier Jungen sprangen herbei, um die aufgeregten Tiere zu halten, damit sie auf der jeweiligen Seite der Kampfbahn nicht verfrüht starteten.

      Schon sprengten sie los – Gunnar kam nicht einmal dazu, zu zielen, wie Erik es ihm gezeigt hatte, denn die Lanze tanzte hoffnungslos im Takt mit den gewaltigen Bewegungen des Pferdes. Er stemmte die Waffe mit aller Kraft hoch, versuchte, den Schaft gegen den Sattelknopf zu stützen, hob seinen kleinen Schild und die Zügel in der linken Hand, brüllte dem Tier etwas zu, das allerdings weder einer Aufforderung noch Anfeuerung zu bedürfen schien und schnappte nach Luft – in Kürze würde er mit großer Wucht getroffen und zu Boden geschleudert werden.

      Als genieße es das Spiel, streckte das Tier den Hals, die Kandare zwischen den gelben Zähnen. Die Lanze wippte grotesk vor Gunnar auf und ab; er schaffte es kaum, sich mit dem Schild Deckung zu geben, wenn er gleichzeitig das verrückte Tier lenken sollte. Erik näherte sich, ein grauer, glänzender, schuppiger Eisenmann.

      Der Lärm pochte in ihm, fremdartig, unter Stahl und Leder. Gunnar hob die Lanze hoch, zog sie an sich und riß mit aller Kraft an den Zügeln: das Pferd sprang mit einem Satz seitwärts, Erde und Kies wurden von seinen Hufen hochgewirbelt.

      Durch die Sehschlitze erkannte er, daß sie nach allen Regeln der Kunst zusammenstießen. Das Herz klopfte ihm bis zum Halse. Er spürte einen heftigen Stoß, ohne daß er sagen konnte, wo Eriks Lanze ihn getroffen hatte – er verlor einen Steigbügel, preßte die Knie zusammen und blieb sitzen, auch wenn ihm schwindelig wurde.

      Das Pferd befreite sich schüttelnd von seinem Griff, verlangsamte das Tempo und blieb am anderen Ende der Kampfbahn stehen. Irgend jemand ergriff es, nahm Gunnar Schild und Lanze ab und setzte seinen rechten Eisenfuß in den Steigbügel, als sei er ein Kind, dem man gerade das Reiten beibrachte.

      Er lüftete den oberen Teil des Helms und sah sich um, drehte sich im Panzer – der Wind strich zart und kühl um seine Stirn, seinen Scheitel und sein Haar, das schweißnaß war.

      Er sah Erik: der Freund stand vornübergebeugt mitten auf der Bahn und bürstete den Staub, Erde, Kies und Sand vom Rock, der zerrissen war, so daß der vordere Schlitz sich schräg bis hinauf zur Brust fortsetzte.

      Unendlich langsam begriff er, was geschehen sein mußte.

      Hier saß er selbst unverletzt auf seinem Pferd, und dort stand Erik. Ein paar der Regeln hatte er immerhin behalten – hakte den Helm ab und warf ihn hinunter zu Nils Turesson als Zeichen dafür, daß er den Kampf nicht fortsetzen wollte.

      Aber

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