Der Pflug des Zorns - Ein historischer Roman. Maria Helleberg

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Der Pflug des Zorns - Ein historischer Roman - Maria Helleberg

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auf dem schmalen, bleichen Gesicht, in dem die Wangen glühten.

      Gunnar wußte sich nicht anders zu helfen, als das Geschenk anzunehmen, und er hörte durchaus, daß die Leute angesichts der schönen Geste klatschten, aber es gefiel ihm nicht. Jetzt, wo er entgegen allen Erwartungen gewonnen hatte, hatte Erik ihm auf eine seltsame, verquere Art doch die Niederlage zugefügt, die er befürchtet hatte.

      Dann nahm er die Pferde und entfernte sich, ohne mit jemandem zu sprechen. Er nahm seinem und Eriks Pferd den Sattel ab, wusch Schaum und Erde von den Tieren und begann, sie mit selbstvergessener Gründlichkeit zu striegeln, versuchte, sich selbst zur Ruhe und Vernunft zu zwingen. Natürlich wollte er Eriks Pferd nicht behalten – was sollte er mit zwei Reittieren, und wenn er mehr brauchen sollte, würde der Stiefvater ihm wohl noch eins schenken, wie er auch das erste geschenkt bekommen hatte.

      Danach ging er zu ihrem gemeinsamen Bett – der Saal war leer, alle anderen waren auf der Kampfbahn beschäftigt, die Schlafplätze entlang den Wänden lagen zerwühlt und unordentlich da, mit allen möglichen Kleidungsstücken und Waffen kreuz und quer.

      Eriks Armbrust lag auf dem Fußboden, die Feder war kaputt, und Gunnar hatte schon lange versprochen, daß er nachsehen sollte, ob er sie reparieren könnte. Er hatte dünne, kräftige Finger, und es machte ihm Spaß, sich mit solchen schwierigen Sachen zu beschäftigen, wie er früher auch Figuren geschnitzt und sich das Schreiben beigebracht hatte. Jetzt war es eine Art Buße, sich an die anstrengende Arbeit zu machen.

      Es gab kein Holz und keine guten Messer. Sonst hätte er sich irgendwo unbemerkt eingeschlossen und angefangen zu schnitzen. In der letzten Zeit hatte er mit dem Gedanken gespielt, einmal zu versuchen, eine kleine Figur zu schnitzen, die er Heiliger Erik nennen könnte. Er würde nicht viel Holz dazu brauchen, Erik war dünn und schmal.

      Wenn er in eine Kirche gehen und Erik dort stehen sehen könnte, würde er seinen Freund zugleich besitzen und von ihm befreit sein – es war ihm vorher nie bewußt gewesen, daß er Erik zwar mochte, die Freundschaft mit ihm aber auch als Fessel empfand.

      Während er auf dem Bett saß, tief über die technischen Probleme gebeugt, hörte er unten Stimmen – die eine war Eriks, und die Ruhe, die er sich aufgezwungen hatte, flog aus ihm heraus und davon, wie ein Schwarm verschreckter Vögel.

      Erik kletterte schnell die Leiter hoch und hob dabei den langen Rock an – ging weiter zur Schlafpritsche, ohne auf Gunnars Anwesenheit zu achten, stellte die Öllampe so, daß er besser sehen konnte, und begann mit gereizten Bewegungen und viel Lärm, seine Besitztümer in einer Decke zusammenzusuchen. Die feine Brünne, Handschuhe und Winterumhang, Stiefel und Schmuck. Dabei stieß er auf einen Gürtel, der über dem Panzerhemd hing. Der Gürtel gehörte Gunnar, also wurde er runtergerissen, zusammengerollt und seinem Eigentümer in die Arme geworfen.

      Das, was seiner Meinung nach ihm gehörte, bündelte Erik zusammen, verknotete die vier Ecken der Decke und schleppte die Last zur Bodenluke. Erst als Erik sein Schwert holte und es an dem Gürtel, den er unter dem Rock trug, festspannte, wagte Gunnar, ihn anzusprechen.

      – Reist du jetzt heim? fragte er mit schwacher Stimme, denn so sah es unstreitig aus; aber das war leichter gesagt als getan. Erik hatte dem Königskind Treue geschworen und mußte erst um Urlaub ersuchen, das wußte er.

      – Entweder suchst du dir einen anderen Platz zum Wohnen, erwiderte Erik außer Atem, ohne sich auch nur umzuwenden, – oder ich gehe freiwillig, es gibt genug Orte unten in der Stadt, wo man eine Herberge findet.

      Gunnar begriff nicht, was um ihn herum geschah. Zu irgendeinem Zeitpunkt mußte ihm etwas Entscheidendes entgangen sein, das alle anderen bemerkt hatten.

      – Du darfst es nicht so schwernehmen, sagte er schließlich, so behutsam, als spiele er Ball mit einem Hühnerei, – es ist doch nur ein Spiel. Das weißt du doch selbst am besten, es war reiner Zufall – das Pferd kannst du jederzeit wiederhaben!

      Erik lachte leicht in sich hinein, mit dem Rücken zu ihm; aber es klang nicht so, als belustige es ihn – dann breitete er resigniert die Arme aus und ließ die Handflächen auf die Schenkel klatschen.

      – Wenn du glaubst, es ist wegen des Pferdes – dann glaub es nur weiter! sagte Erik, aber die Stimme klang nicht so scharf und sicher wie zuvor. Gunnar fühlte sich seltsam zumute, gejagt, ohne den Jäger zu erkennen, er wagte nicht, weiter einzudringen, wollte ihn nicht kränken: wenn man es genau nahm, war Erik der einzige Freund, den er je gehabt hatte.

      – Wir sind Freunde, sagte er, – du bist der einzige, den ich mag. Wir können uns doch nicht so trennen!

      – Freunde! wiederholte Erik, zögerte einen Augenblick, drehte sich mit einem Ruck um und starrte ihn an, mit demselben nackten, untertänigen Tierblick, den er gehabt hatte, als er sein Pferd übergab.

      – Freunde, sagst du – Gott helfe uns, du weißt nicht einmal, was du da sagst! Freunde!

      Gunnar begriff immer noch nicht im geringsten, was Erik meinen konnte. Etwas Böses war zwischen sie getreten, ohne daß er es bemerkt hatte; etwas Unbegreifliches und Namenloses. Er wußte sich nicht anders zu helfen, als stehenzubleiben und Eriks Blick zu erwidern – irgendwann mußte er doch eine Erklärung bekommen.

      – Es gibt vieles, was du nicht weißt, sagte Erik und wandte den Blick ab, biß sich auf die Lippen, – aber so dumm kannst du doch nicht sein. Du müßtest es doch am besten wissen.

      Am besten was wissen, schrie es in ihm, in banger Neugier – das Wissen, das er um jeden Preis erwerben wollte, konnte häßlich sein. Es verkrampfte sich in ihm, ein bisher unbemerktes inneres Organ zog sich in zitternder Angst zusammen und sandte Kältestrahlen durch seinen Körper, klopfte bis in die Fingerspitzen, setzte sich wie ein erstickender Kloß in der Kehle fest.

      – Du weißt ja nicht mal, was du tust! sagte Erik: er klang, als wolle er sich selbst eine Lektion einprägen, die er nicht mochte. Haben sie nie mit dir gesprochen, nachdem deine Eltern gestorben waren? Du mußt doch wissen, wie schwer es ist, voranzukommen, wenn man nicht so ist wie alle anderen – du, ein Hurenkind.

      Gunnar blinzelte mit den Augen, als habe jemand eine Faust an seinem Gesicht vorbeisausen lassen: der erste Hinweis, den Erik gegeben hatte, machte alles doppelt kompliziert. Hurenkind – wenn es etwas in dieser Welt gab, das er nicht war, dann mußte es ein Hurenkind sein. Seine Eltern waren mehrere Jahre verheiratet gewesen, als sie ihn bekamen; er hatte eine ältere Schwester, Gudrid, im Vårfrubergakloster. Zwar hatten seine Eltern einander verabscheut und von Herzen geschadet, aber verheiratet waren sie unstreitig gewesen. Hurenkinder – das waren Kinder, die verheiratete Männer mit andern als ihren Ehefrauen bekamen. Wie der kleine Sohn, den das Melkmädchen Jorunn letzte Woche bekommen hatte und zu dem sich der Küchenmeister bekannte.

      – Was meinst du? Gunnar stammelte, mußte husten, um die Worte herauszubekommen. Eriks große, bernsteinfarbene Augen suchten die seinigen, und ein schwaches Erröten breitete sich über das schmale, bleiche Gesicht. Er strich sich mit einer Hand über Augen und Nase, und die Hand zitterte.

      – Das wissen doch alle! sagte Erik kurz.

      – Ich nicht. Ich nicht, antwortete Gunnar.

      – Haben sie nie mit dir gesprochen? fragte Erik. Seine Stimme verriet tiefes und ehrliches Erstaunen.

      – Wir haben es sogar drüben bei den Brüdern in Alvastra gehört, erklärte er und hielt Gunnars Blick stand. Während er fortfuhr, mit ruhiger Stimme und ohne drum herum zu reden, – der Mann, den du Pflegevater nennst, ist

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