Der Pflug des Zorns - Ein historischer Roman. Maria Helleberg

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Der Pflug des Zorns - Ein historischer Roman - Maria Helleberg

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      Es war das erste Mal, daß er sich in dieser schweren Kunst versuchte, aber es war leichter, als er befürchtet hatte, fast selbstverständlich. Ihr Zunge glitt zwischen seine Zähne, warm und ein bißchen erschrocken über ihren eigenen Mut, spielte gegen seinen Gaumen und zog sich zurück, wie eine Maus in ihr sicheres Loch.

      Als er sie losließ und sie sich an ihn lehnte, konnte ihn nichts Böses mehr berühren. So etwas war noch nie zuvor geschehen. Darauf hätte er schwören können.

      – Tu es noch einmal! bat sie.

      Als er sie das nächste Mal losließ, breitete sie die Arme aus und lachte, und einen Moment lang dachte er, sie hätte Flügel unter dem Umhang und würde in Vogelgestalt hochflattern.

      Sie stiegen zusammen auf den Dachboden und legten sich aufs Bett, und Gunhild schlief ein, während sie noch miteinander flüsterten. Er brachte es nicht über sich, sie zu wecken, auch wenn er ihre Stimme vermißte. Sie schlief geräuschlos, und er lag wach, verwirrt und glücklich, und hielt sie leicht fest, ihr Gesicht in seiner Achselhöhle. Einzelne Strähnen ihres Haars waren über sein Gesicht gebreitet; er wollte sie nicht wegstreichen, auch wenn es in der Nase kitzelte.

      Es gab kein größeres Vergnügen auf der Welt als dieses, davon war er überzeugt. Schon der Laut ihrer schwachen Atemzüge war unbegreiflich. Sein Herz flatterte wie ein Schmetterling in einem dunklen Haus, wenn er nur an ihre Bernsteinaugen dachte.

      Früh am Morgen erwachte sie, noch vor Tagesanbruch – drehte sich mit einer heftigen Bewegung auf den Bauch und streckte sich, gähnte und prustete und rieb sich die Augen. Es war unverkennbar, daß sie gewohnt war, allein zu schlafen. Als sie ihn erblickte, setzte sie sich erschreckt auf – er hätte nicht geglaubt, daß ihr Gesicht je Farbe annehmen würde, aber sogar im schwachen Licht der Öllampe konnte er sehen, daß sie errötete, und das stand ihr ausgezeichnet.

      Sie küßten sich und begannen eine Art Gespräch: Er mußte wissen, wer sie war, woher sie kam. Und sie schloß ihre kleinen Hände um die Knie und erklärte alles, als habe sie sich die ganze Nacht, auch im Schlaf, darauf vorbereitet, seine Fragen zu beantworten.

      Ihr Vater hieß Torsten Ödesson, hatte einen Adlerfang in seinem Wappen, wohnte meistens in Sörmland – ihre Mutter lebte nicht mehr, und Gunhild hatte keine Geschwister, der Vater hatte sich nie wieder verheiratet.

      Das klang wirklich gut, fand er: Sie war nicht die jüngste von dreizehn Töchtern, auf der Suche nach einem reichen Freier, sie war kein Hurenkind, hatte sich nie für ihre Herkunft schämen müssen. Ihr Vater mußte sie über alles auf der Welt lieben. So ein Vater würde sich nicht ihrem Wunsch widersetzen. Und der Bräutigam, der nicht einmal mit ihr tanzen wollte.

      Seine Pflegeeltern würden stolz sein, wenn sie hörten, wen er erobert hatte: eine reiche Braut, die so hübsch war, daß ihm fast das Herz in der Brust schmolz, wenn er sie nur ansah.

      Aber da gab es noch jemanden, den Bräutigam Gunhilds. Das mußte der Sohn eines mächtigen Mannes sein, wenn er für Torsten Ödessons einzige Tochter gut genug war. Gunnar wußte sich nicht anders zu helfen, als sie zu fragen; aber er sah, daß sie erbleichte, sich in sich selbst zurückzog, wie sie es am Vorabend beim Tanzen getan hatte. Es arbeitete in ihrem Gesicht, als würden die Worte im Mund quellen und die Lippen versuchen, sie zurückzuhalten.

      Er brauchte sie nicht anzusehen, als sie den Blick auf ihn richtete, hilflos und erleichtert: Er hatte den Zusammenhang erraten. Natürlich: Solche Zufälle durfte es doch nicht geben. Jetzt hatte er Erik gerade aus seinem Gewissen verbannt, und mun begann das Ganze von vorn, und schlimmer als zuvor. Nun würde er mit Erik auch noch um eine junge Frau streiten.

      Jofrid war der glücklichen Überzeugung gewesen, daß sich alle Knoten lösen würden, wenn sie nach Jahren der Verbannung und Armut in Norwegen wieder nach Schweden zurückkehren könnten. Aber so einfach war das nicht. Die Schuld war alt geworden und an den Rändern ergraut, sie fand, sie hätten genug gesühnt. Schon als sie auf dem Pachthof wohnten, war es ihr schwergefallen, sich genau vorzustellen, wie ihre Heimkehr aussehen würde – eigentlich hatte sie wohl gedacht, daß Ehre, Erbe und Name ohne Belang wären, wenn sie nur nach Hause kommen könnten und ihnen das Recht gewährt würde, in Schweden zu wohnen. Sie waren ja trotz allem nicht die ersten, die so etwas getan hatten, verteidigte sie sich: viele andere hatten sich von Mord und Gesetzesbruch freikaufen können, wohnten glücklich und frei im Lande, führten ihre Höfe gut, und niemand wagte, auf ihre undurchsichtige Vergangenheit anzuspielen.

      Jofrid konnte nicht einsehen, daß ihre Schuld so viel größer als die der anderen sein sollte. Ihr eigener Onkel Ingemar, der sich ihrem Freikauf widersetzt hatte, hatte seine Pächter wie Leibeigene behandelt, und trotz seiner großen Frömmigkeit hatte er bis zu seinem Todestag mit den Nonnen der Klöster Sko und Gudhem in Fehde gelegen. Jeden Tag wurden Menschen erschlagen, ohne daß die Morde bei den Treffen des Reichsrates verhandelt wurden. Ihr Mann war unbeabsichtigt getötet worden: Sie hatte sich an diesen Begriff geklammert, hatte Sten nie gefragt, wie der Mord an Ture vor sich gegangen war. Der Mord war Sten so teuer zu stehen gekommen, weil er auf Kirchengelände und dazu an einem Meßtag geschehen war. Überdies hatte Ingemar seine eigenen Gründe, Sten den Freikauf zu verweigern. Das mußte sie glauben. Über den Rest wollte sie nicht einmal nachdenken.

      Aber schon in Norwegen hatte sie begriffen: Sie konnte nicht mehr beichten, bereuen und Buße tun, wie sie es gelernt hatte. Nie mehr würde sie die befreiende Wirkung der Absolution erfahren, ohne sich heimlich einen Rest von Zweifel zu bewahren. Wenn sie beichtete, daß Sten und sie zusammengelebt hatten, während sie noch verheiratet war, würde das eine Ehe unmöglich machen. So einfach war das. Keine Instanz, weder eine weltliche noch eine kirchliche, hatte sich in ihr Zusammenleben eingemischt. Niemand mengte sich in das mehr oder weniger offenkundige Kebsenleben der Leute ein. Wenn doch, dann müßte sich die Kirche sozusagen mit jeder Großgrundbesitzerfamilie anlegen. Jofrid hätte mit Sten bis zu ihrem Tode unverheiratet zusammenleben können, und ihre Kinder hätten niemals den Namen des Vaters getragen, ihn niemals beerben können. Früher oder später würde Sten von der Kirche mit dem Bann belegt werden, weil er mit einer Frau zusammenlebte, mit der er Hurerei begangen hatte. Es war unmöglich, mit allen Seiten Frieden zu schließen. Daher war das Leben für Jofrid eine lange beschwerliche Seereise bei steifem Gegenwind und zwischen unterseeischen Riffen hindurch.

      Es war undenkbar, darüber mit Sten zu sprechen. Er nahm seinen Glauben leicht: eine Formsache, etwas, das man in sein Leben einbeziehen konnte, wenn es sich ergab, und das man sonst kaum eines Gedankens würdigte. Sten hatte sich derart daran gewöhnt, seine eigenen Lebensregeln aufzustellen, daß er kaum die Meinung anderer beachtete, wenn diese von der seinigen abwich. Es waren ganz andere Begriffe als Sünde, Reue, Sühne und Reinigung, die in seiner Seele Widerhall fanden: töten, huren und stehlen, das konnte er ebenso leicht wie mit den starken, braunen Fingern schnippen – ohne zu begreifen, daß er andere verletzte. Aber wenn jemand seine Ehre, die inzwischen für alle anderen außer ihm zu einem etwas lustigen Begriff geworden war, in Frage stellte, bäumte er sich wild auf.

      Jofrid hatte Schwierigkeiten, Ordnung in ihre eigenen widersprüchlichen Gefühle zu bringen. Sie hatte alle seine Fehler gesehen, und diese hatten sie verletzt – aber sie liebte ihn immer noch, möglicherweise sogar noch heftiger und unbeherrschter nach all den Leiden, die sie einander zugefügt hatten. Es war ein verbreiterter Irrtum, daß Liebe etwas Schönes sein sollte: In Wahrheit machte sie den Menschen hilflos. Bei ihrer Rückkehr nach Schweden hatte sie geradezu gehofft, daß die Priester ihnen eine strenge Buße auferlegen würden, die in ihr Schmerz und Reue hervorzwingen könnten. Eine Pilgerreise zu Fuß nach Süden, unbezahlbare Bußgelder. Aber sie trafen nur auf Schulterzucken und Kühle. Wie hoch die Geldbuße war, hatte sie nie erfahren, Sten hatte die Sache in die Hand genommen, so etwas besprach er nicht mit seiner Frau.

      Nur

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