Der Pflug des Zorns - Ein historischer Roman. Maria Helleberg

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Der Pflug des Zorns - Ein historischer Roman - Maria Helleberg

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Läckö und fasteten einen Tag lang, bevor sie zu dem hohen Herrn geführt wurden. Eine stumme, strenge Frau half ihr in einen Kittel und zog ihr Schuhe und Strümpfe aus. Schon bei den Vorbereitungen hatte sie gespürt, daß dies ein zutiefst unwürdiges Schauspiel war. Ein erzwungenes äußeres Zeichen für ihre Bußfertigkeit.

      Trotz des beginnenden Frühjahrs draußen war der Steinsaal eiskalt. Die Feuchtigkeit und der Wind vom Vänern schlugen sich als Flecken an den Wänden nieder, die gemalten Friese wurden bereits schwach in den Farben. Geruch von modrigem Regenwasser und Fäulnis stieg wie aus offenen Gräbern hervor. Die Kälte biß in die Fußsohlen, als Jofrid die ersten Schritte auf den Lehmfliesen machte. In den Privaträumen des Bischofs waren die Fußböden beheizt, aber die großen, repräsentativen Räume waren unbeheizt.

      Am äußeren Ende des Saales saßen zwei Bischöfe auf ihren hochlehnigen Stühlen. Sie wagte nicht, neugierig zu ihnen hinüberzublicken, das paßte schlecht zur vorgeschriebenen Ehrfurcht. Sie waren, trotz allem, reumütige Sünder, die wieder in Gnaden aufgenommen werden sollten. Aber als sie an der Seite ihres Mannes auf die Bischöfe zuging, erregte der eine ihre Aufmerksamkeit – als sie niederknieten, blickte sie kurz auf den nächstsitzenden – und stolperte fast in der engen Kleidung, deren rauher Stoff an Brust und Schultern auf der Haut kratzte.

      Er hatte die Hände über dem Bauch gefaltet, die Ellbogen auf die Armlehnen gestützt, als beobachte er etwas zutiefst Belangloses. Niemand hatte seinen Namen erwähnt. Sie hatten erfahren, daß der Bischof aus Linköping auf Besuch war. Sie hätte ihn überall wiedererkannt, in jedweder Verkleidung. Obwohl seine Figur sich verändert hatte, seit er unangemeldet in ihr Leben getreten war – vor dreizehn Jahren.

      Die mit einem leichten Flaum bedeckten hohen Wangenknochen waren unter Fett und Fleisch verschwunden. Trotz aller Armutsgebote lebte man gut in der Kirche. Und die Fettschicht hatte dem Gesicht die Strenge genommen, ihm einen weicheren Eindruck verliehen. Dieser Mann war weder ein Asket noch ein Fanatiker: Er war seiner vollkommen sicher, ohne Illusionen.

      Die Welt verfährt merkwürdig mit ihren Kindern, dachte sie. Sie war erleichtert, daß sie mit gebeugtem Haupt niederknien konnte, so mußte sie ihn nicht ansehen. Das hatte die Welt also aus Herrn Örjan gemacht, dem Gemeindepriester aus Grytnäs. Der sich darüber beklagt hatte, daß er auf der Schattenseite des Lebens geboren war und daher nie zu seinem Recht kommen würde. Er war in Frankreich gewesen, hatte in Paris studiert, wie er einst gehofft hatte.

      Mit diesem Mann hatte sie einen Sohn. Die Kälte fuhr ihr mit einem Schauer über den schmerzenden Rücken, ein hartes Ziehen, das die Enttäuschung in ihr hervorrief. In den Jahren, in denen sie ihre Kinder hatte missen müssen, waren sie ihr als ihre eigenen in Erinnerung gewesen. Ihr Mann war ja tot, und aus Herrn Örjan war Göran Gregori geworden, Bischof in Linköping, und der hatte seinen Sohn nie gesehen.

      Er sagte kein Wort, bewegte sich kaum während der Zeremonie. Aber sie spürte seinen wissenden, vergnügten Blick wie einen Schatten, den die Schmach auf sie warf.

      Unleugbar war der Mann, der ihren Freikauf verhindert hatte, tot. Und doch war es unendlich schwer, sich die Freiheit zu sichern.

      – Das werden schwere Zeiten für deine Pachtbauern, sagte Stens Vater zu seinem Sohn, als sie zusammen das Grundbuch durchgingen, – wenn du auch in Zukunft das eintreiben mußt, was du für dich brauchst, müssen die Pachtabgaben kräftig erhöht werden, und das sind alte gewohnheitsrechtliche Vereinbarungen. Du wirst sehen, es ist leichter, ein milder Herr zu sein, wenn man reich ist, als wenn einem die Mittel fehlen!

      Sten hatte mit den Achseln gezuckt und gelächelt, wie er es immer tat, wenn er auf neue Forderungen oder Beschränkungen stieß.

      – Ich hab’ es nicht gern, wenn das, was ich angehäuft habe, in alle Winde verstreut wird, hatte sein Vater Algot eingewandt, – es ist nicht gut, wenn man das Leben und das Schicksal seiner Bauern in die Hände von Fremden legen muß. Nun gehensie alle als Bußzahlung an Ingemars Sohn über – die Uppschweden sind ein richtiges Pack, samt und sonders halbe Heiden, von denen muß man sich fernhalten, das habe ich mir vorgenommen, solange noch Leben in mir ist!

      – Aber Ingemar war immerhin gut genug, deine Tochter und meine Schwester zur Frau zu bekommen, warf Sten vorsichtig ein, ohne eine Antwort zu erwarten. Er erhielt auch keine.

      Algot hatte den Ring nicht gemocht, den Sten für Jofrid von einem gotländischen Goldschmied hatte anfertigen lassen. Zwei kleine Menschengestalten, geformt aus gewundenem Gold, einander küssend und unter dem Baum des Lebens stehend. Die Inschrift auf der Außenseite lautete: je te desir. Algot hoffte, daß keiner, der den Ring sah, Französisch verstand. Sie hatten sich den Frieden zurückgekauft, aber es gab wohl keinen Grund, mit seinen Sünden zu prahlen!

      Und dann hatten sie geheiratet. Bei ihrer ersten Hochzeit waren alle Gäste heiter und froh gewesen, sie selbst aber enttäuscht: Es war ein Fest mit allerlei Lärm und Getöse. Beim zweiten Mal war es genau umgekehrt. Auf dem langen Ritt von der Messe in die Kirche zum Fest auf Mjövik hatte Jofrid die anderen beobachtet – entweder waren sie völlig gleichgültig, oder ihnen war beklommen zumute angesichts ihrer eigenen Anwesenheit und angesichts der schamlosen Prachtentfaltung, die Sten an den Tag legte. Die Gäste empfanden die Hochzeit wohl als eine Art Formalität, die mit so wenig Aufhebens wie möglich überstanden werden mußte.

      Am Morgen darauf erwachte Jofrid mit dem bitteren Gefühl, hinters Licht geführt worden zu sein. Bußgang, Reue, Ringe und Abmachungen und Schwüre – das hatte doch das Verhältnis zwischen ihnen verändern sollen. Die äußeren Zeichen, die Anerkennung der Menschen – die Vorteile erkannte sie durchaus. Aber sie fühlte sich durch die Heirat nicht in einer verbesserten Lage, wie sie es nach dem Gesetz eigentlich hätte empfinden sollen.

      Sten verschwendete daran bestimmt keinen Gedanken. Er hatte die großartige Hochzeit bekommen, die er sich gewünscht hatte, das Fest und die Brautmesse und den Segen des Priesters für Ring und Brautbett, Ehrenrettung und Wiedergeburt.

      Ihrer Mutter hatte er den Kopf verdreht – von dem Moment an, als sie auf den Hof kam. Er hatte die kleinwüchsige Frau vom Pferd gehoben, sie auf Hand, Mund und Wangen geküßt, bevor er sie hineingeleitete. Wenn sie es nicht besser gewußt hätte, wäre Jofrid eifersüchtig geworden: Aber so behandelte er eben Frauen. Für ihn war Gerda nicht nur eine Schwiegermutter, die er erst jetzt kennenlernte, sondern die Kebse des Königs, noch dazu die Kebse von Birger Magnusson, eine Frau, die sein Freund geliebt hatte. Hätte König Birger sie bei sich behalten, hätte Sten ihr auf dieselbe Art geholfen, zurückhaltend, mit Respekt, voller Verständnis und liebevoll.

      Abends saßen sie stundenlang am Feuer und tauschten Erinnerungen an Birger Magnusson aus – Gerda hatte mit kaum einem Menschen über dieses Thema reden können, seit sie geheiratet hatte. Jofrid hatte ihre Mutter nur einmal diesen Mann erwähnen hören, vor vielen Jahre, später nie mehr, weder freiwillig noch durch Zufall. Zum ersten Mal machte sie sich eine Art Bild von ihrem Vater; nicht die Umrisse eines Gesichts, sondern das vage Bild von einem Mann mit großen Fehlern und Schwächen und vereinzelten guten Seiten.

      Ihr war auch nie der Gedanke gekommen, daß ihre Mutter sich an Birger Magnusson gebunden fühlte; daß sie etwas für diesen Mann empfunden haben könnte, der unter Liebe etwas anderes verstand, als man sich gemeinhin darunter vorstellte. Daß in dieser fernen, schwer faßbaren Figur ihr Ursprung lag, daß er Fleisch, Blut und Wesen mit ihr teilte, daß sie durch ihn teilhatte an einer Welt, die ihr gleichzeitig ehrfurchtgebietend und unverständlich vorkam.

      Und jetzt brach Jofrid zum Kloster von Vreta auf, um ihre Kinder zu holen. Ihre beiden Söhne waren von Stockholm, wo ihre Schwiegermutter mehrere Jahre lang gewohnt hatte, nach Vreta geschickt worden. Damals war vereinbart worden, daß der Mutter der Kinder auch erneut das Sorgerecht zugesprochen werden

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