Der Pflug des Zorns - Ein historischer Roman. Maria Helleberg

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Der Pflug des Zorns - Ein historischer Roman - Maria Helleberg

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style="font-size:15px;">      Er erhielt keine Gelegenheit, mit ihr zu sprechen, wagte nicht ihr eine Nachricht zukommen zu lassen. Wußte nicht, ob sie lesen konnte, und dem Priester würde sie niemals einen Brief von ihm zeigen können. Das einzige von Bedeutung, was er von ihr erfuhr, war, daß sie mit ihrem Vater bei den Schwarzen Brüdern wohne und dort allein im Dachgeschoß des weißen Hauses schlafe. Und sie sah ihn sehr bestimmt an, als sie ihm das mitteilte, und er nickte und drückte ihre Hand. Niemand würde ihr den Vorwurf machen können, irgend etwas abgesprochen zu haben.

      Er hatte nicht viel Zeit, sein Vorgehen zu überlegen. Es war seine eigene Entscheidung, niemand sollte für seinen Gesetzesbruch zur Verantwortung gezogen werden können. Das Abholen selbst klappte überraschend reibungslos: Der Pflegevater gab ihm gute Pferde zum Wechseln und Begleiter, auf die er sich verlassen konnte. Gunhild saß vollständig angezogen bereit und wartete. Sie ritten ohne Pause den Abend und die Nacht hindurch, und die Fackeln brannten herunter. Nach vielen Stunden des Vorantastens im Halbdunkeln, wo sie nur dem Lauf des Hohlweges zu folgen wagten, wurde es langsam um sie herum Tag. Gunnar hatte noch nie zuvor so den Anbruch eines Tages erlebt: Im Walde dämmerte es, der Morgennebel legte sich um die Beine der Pferde, die Sonne ging auf und ließ die Wipfel der Bäume in einem schmalen Streifen goldenen Feuers leuchten.

      Sie legten sich für ein paar Stunden in das frische Heu einer Kirchenscheune, bevor sie weiterritten. Er hätte alles auf der Welt gegeben, um acht Stunden durchgehend mit ihr in einem richtigen Bett zu schlafen; aber sie wagten nicht, länger an einem Ort zu verweilen, falls sie verfolgt wurden und sie war zu müde, um ihm zu widersprechen.

      Oben auf dem Pferd, hinter ihm sitzend, schob sie beide Hände unter seinen Gürtel und wärmte seinen Rücken. Die Müdigkeit staute sich in ihm wie dicht zusammengepreßte Wolle; sie legte sich nicht einmal, als er sich umdrehte und sie zu küssen versuchte.

      Etwas später sah er, daß sie eingeschlafen war, die Wange gegen seine Schulter gelehnt: sie hing schlaff auf dem Pferd, mit baumelnden Füßen. Sie hatte einen Schuh verloren, aber ihre Hände umklammerten noch immer seinen Gürtel.

      Es wurde schon Abend, als sie Lindö erreichten. Nur dank der Hilfe seiner Begleiter, die der Vater ihm zugeteilt hatte, konnte Gunnar überhaupt den Weg zum Hof finden. Er hatte kaum noch Erinnerungen an Lindö; denn als er den Hof verlassen hatte, im Alter von zehn Jahren, hatte er für ihn die Welt bedeutet; aber seitdem war er von Ort zu Ort verschlagen worden. Jetzt stellte er fest, daß Lindö ihm gefiel. Quer durch den schmerzenden, entkräfteten Körper zog ein kleines, murrendes Anerkennen – und Wiedererkennen. Der Himmel über ihnen war unfaßbar hoch und fahl. Das Wasser des Schärenmeeres glänzte unter der tiefstehenden Sonne wie Bronze. Der Hof erstreckte sich in braunen und grauen Streifen quer über die grüne Insel. Überall wuchsen Lindenbäume – um den Hof herum war keine Einzäunung, denn es war der einzige auf dieser Insel.

      Er versuchte, die Müdigkeit zu unterdrücken, um den Anblick zu genießen. Dies hier bedeutete nichts Geringeres als den Schlußstrich unter all seinen Zukunftssorgen. Er war endlich heimgekehrt.

      Gunhilds kleines, spitzes Kinn kitzelte seine Schulter: er wandte den Kopf und traf ihren verschwommenen Blick. Die Augen waren rot, müde und geschwollen; aber sie sah zumindest dasselbe wie er, gähnte und seufzte und setzte sich bequemer zurecht.

      Als das Pferd von selbst stehenblieb, glitt er hinunter und stöhnte vor Schmerzen im Rücken. Streckte die Arme hoch und half ihr hinab und schwang sie herum, voller Freude, daß sie so klein und leicht war.

      Sie jammerte, lachte und versuchte, die Hände vor das Gesicht zu halten, weil ihr schwindelig war, schüttelte den Kopf, so daß ihr das Haar um die Schultern flog und ihm den Blick nahm.

      Sie mußten ins Haus, bevor sie zusammenbrachen, also trug er sie quer über den unebenen, grasbewachsenen Hofplatz, überzeugt, daß er sie entweder fallen lassen oder sonstwie verletzen würde, bevor sie drinnen waren.

      Menschen tauchten auf zwischen den Häusern, die klein und dunkel waren, mit grassodengedeckten schweren Dächern. Die Menschen ähnelten den Häusern – freundliche Waldgeister, die aus ihren warmen Höhlen neugierig auf die Fremden blickten.

      Lindö war kein großer oder reicher Hof, das hatte sein Vater ihm gründlich eingeschärft, als sie den Bischof in Linköping aufsuchten. Eigentlich verwaltete sein Vormund, Per Ingemarsson auf Rydbo, sein Erbe, und brauchte alle Einnahmen auf. Aber es würde schon gehen. Gunnar stellte keine großen Forderungen, sie waren bereit, für ihren Lebensunterhalt zu arbeiten.

      In den folgenden Tagen führte Pers Verwalter ihn herum und nutzte die Gelegenheit, sich über seinen Herrn zu beklagen. Åke hatte einen guten Pachthof gehabt, den Per Ingemarsson ihm ohne Grund weggenommen hatte. Man hatte ihn hierhergeschickt, wo er sich rächte, indem er stahl und sich für sich selbst etwas zur Seite legte. So einer war Per, und er war nicht der einzige unter den großen Herren im Lande, die von unersättlichem Landhunger gepackt zu sein schienen, jetzt, da sie einen unmündigen König hatten und es weder Recht noch Gesetz im Lande gab. Es mußte schlecht darum bestellt sein, wenn sogar so ein unbedeutender kleiner Happen wie Lindö Per das Wasser im Munde zusammenlaufen ließ.

      Åke war einmal Pächter bei Gunnars Eltern gewesen, und er erinnerte sich an Gunnars Mutter, die er ›die kleine Frau‹ nannte und die er anscheinend sehr gemocht hatte. Wenn Gunnar alt genug war, sich eine Frau zu nehmen und sich niedergelassen hatte, um sein Eigentum zu bewirtschaften, dann mußte er als mündig angesehen werden, meinte Åke – die Ernte war längst vorüber, aber es gab Arbeit genug, zum Beispiel das große Schlachten vor Weihnachten. Gunnar fand, das klang verheißungsvoll. Jetzt mußten sich sein Vater, der Bischof und Torsten Ödesson um den Rest kümmern, für ihn war die Geschichte erledigt. Sie hatten ein Dach über dem Kopf, ein Heim, Essen und Arbeit, was konnte man mehr vom Leben verlangen?

      Es war im Dezember, sie waren früh aufgestanden, denn der Jagdhund hatte Welpen geworfen, und Gunilla war in Sorge, ob die Kleinen den Winter überleben würden. Sie hatte für die Hündin und die Welpen einen Platz in dem Haus hergerichtet, in dem sie schliefen; ließ sie in der Nacht am Fußende des Bettes liegen. Aber die anderen, die ausgewachsenen Hunde wollten zu den Jungen hinein, und so mußte Gunhild sie hinaus auf den Hof scheuchen, indem sie mit fuchtelnden Armen hinter ihnen herlief und schrie. Die Hunde glaubten, sie wolle spielen, und sprangen kläffend und schwanzwedelnd um die junge Frau herum, schnappten knurrend nach ihren Händen und vergnügten sich.

      Der Herbst und der frühe Winter waren mild gewesen, aber in diesen Tagen vor Weihnachten setzten eisigkalter, grauer Regen und Nachtfrost ein. Die Wege waren vom Wasser aufgeweicht, alles war grau oder braun, selbst die grüne Farbe der Kiefern wirkte verblichen und matt.

      Draußen, im strömenden Regen schlug Gunhild die Arme kreuzweise über die Brust und wandte das Gesicht den Tropfen entgegen. Die Hunde bellten, schnappten und sprangen an ihr hoch, enttäuscht, daß sie nicht das Spiel fortsetzte, sondern die Arme unter dem kurzen Schaffellumhang versteckte.

      Gunnar hatte in der niedrigen Tür zum Windfang gestanden und sie betrachtet – als sie stehenblieb, konnte er nicht anders, als zu ihr hinauszulaufen. Auf halbem Weg zwischen der Tür und Gunilla glitt er im nassen Gras aus, rutschte ein Stück auf der Ferse weiter, schlang seine Arme um ihren Leib und ließ sich bremsen.

      So standen sie mitten im Regen, als einer der Knechte herbeirannte und rief, daß eine Gruppe Reiter auf dem Weg zum Hof sei. Sie hätten Schilde und Lanzen und trügen das Wappen des Erzbischofs und eine Fahne, die zu schwer vom Regen war, als daß man das Wappenzeichen erkennen konnte. Das mußten Oluf Björnssons Knechte sein, unterwegs in einer ernsten Angelegenheit, bei garstigem Wetter.

      Er spürte, wie sie ihm entglitt, obwohl er beide Arme eng um ihren Körper gelegt hatte: Sie war so klein, daß

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