Der Pflug des Zorns - Ein historischer Roman. Maria Helleberg

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Der Pflug des Zorns - Ein historischer Roman - Maria Helleberg

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Kopftuch über den Scheitel zog, sagte mehr als genug. Es hätte ihn freuen sollen, statt dessen erfüllte ihn ein großer, von Erschöpfung geprägter Widerwille. Dennoch erhob er sich und ging die Treppe hinunter, um sie auf halbem Wege zu treffen. Sie machte den Eindruck, als sei er der, den sie am wenigsten erwartet hatte – umarmte ihn nicht einmal, obwohl er die Arme einladend ausbreitete; ging direkt an ihm vorbei, so daß er sie an den unförmigen, wallenden Kleidern festhalten mußte, um sie zu stoppen.

      – Konntest du nicht schlafen? fragte sie und wich ihm erneut aus, blieb aber stehen.

      – Ich habe noch nie gern allein geschlafen, antwortete er, – ich habe dich vermißt.

      – Den ganzen Tag, oben im Wald? fragte sie bissig, – du mußtest nicht den Hof verlassen. Keiner hat dich zum Tor hinausgejagt, soweit ich mich erinnere.

      Darauf konnte er nichts sagen, er wartete ein wenig und hoffte, daß sie inzwischen auf bessere Gedanken käme.

      Dann fragte er, hauptsächlich um das Thema zu wechseln, wie es mit Gunhild ginge – und sah, wie sich ihr Gesicht verschloß. Sie wandte sich unfreundlich von ihm ab.

      – Ich weiß nicht, was mit ihr wird. Aber beim ersten Mal dauert es immer länger. Und sie ist sehr jung, und nicht stark – aber sie ist auch nicht so zart, wie man denkt, wenn man sie das erste Mal sieht, fügte sie hinzu und sah ihn vielsagend an.

      Nein, er wußte, was sie meinte. Er hatte auch nicht gewußt, was für ein zähes und kriegerisches Wesen er sich ins Haus holte, als er sich in sie verliebte. Gunhild war anders und besser als das milchfarbene Engelchen, das Gunnar in Linköping vorgeführt hatte. Wenn nicht auf andere Art, so konnte er vielleicht dadurch, daß er über Gunhild sprach, die Frau in Jofrid wiedererwecken, die er kannte. Sie wurde weich, warm und gesprächig, ganz anders als die dösige, aber immer streitlustige Ehefrau, an die er sich gewöhnt hatte. Seine süße, wilde Jofrid.

      Wenn er sie doch nur überreden könnte. Das Bett war gemacht, um mehr bat er nicht; aber er hatte solche Lust, sich an ihren glatten, duftenden Körper zu schmiegen, aus ihrem Mund und Schoß zu trinken, in ihren nackten Armen einzuschlafen.

      – Du mußt müde sein, hörte er sich sagen, mit einem schwachen Zittern in der Stimme, das seine Absicht verraten mußte, – wir können in die Altenstube hinübergehen und uns ausruhen. Wenn sie dich brauchen, werden sie jemanden schicken – du bist schon seit dem frühen Morgengrauen auf, alle anderen sind schlafen gegangen, laß uns hinaufgehen und ein bißchen ruhen.

      Er wagte kaum, sie zu berühren, wartete in atemloser Spannung auf den Augenblick, wo sie schwach wurde und nickte. Aber als er ihre Hand ergreifen wollte, die das Umhängetuch über der Brust zusammenhielt und lang, bleich und schmal erschien, übermannte ihn die Erregung, und er umarmte sie. Ihre Bewegungen und Erwartungen harmonierten nicht miteinander. Es brauchte einige Zeit, bis ihre Arme sich gefunden hatten, und ihr rund gewordener Bauch war im Wege. Aber wenn er nach ihrem Mund suchte und sie ihm ihr Gesicht zuwandte, dann konnte er sich fast einbilden, daß alles wie früher war, daß nichts Böses zwischen ihnen stand.

      Es war eine armselige Freude, im Dunkel und in der Kälte zu stehen und ihren kühlen Mund zu küssen. Zuerst mußte er das dicke Tuch von ihren Schultern bekommen, aber ohne das würde sie frieren – er strich ihr über die Brüste, und das tat wohl weh, sie stöhnte erschreckt und biß ihm in die Lippe, als sie sich küßten.

      Dann löste sie seinen Griff und befreite sich, behutsam, aber bestimmt.

      – Ich will dich ja nicht zwingen, flüsterte er, faßte sie um die Ellbogen, um sie daran zu hindern, einmal mehr im Zorn von ihm zu gehen –, laß uns hineingehen und ausruhen, das hast du bestimmt genauso nötig wie ich.

      Aber sie rührte sich nicht, und er ließ sie wieder los: alles, aber nur keinen erneuten Bruch und aufs neue Unfreundlichkeit.

      – Was ist los? fragte er. Wenn sie nach ihm schlug, würde er sich nicht wehren können.

      – Was los ist? fragte sie zurück, die Entrüstung steckte wie die Spitze einer Nadel in ihrer Stimme, kratzte an seinem schlechten Gewissen, – das will ich dir sagen, wenn du schon so neugierig bist! Wenn du Zeit hast, mich anzuhören, Lust hast, mich anzuhören, nichts Wichtigeres vorhast – wie sonst. Wenn ich aufwache, bin ich genauso müde wie beim Zubettgehen. Und du, du willst alles haben – ich bin deine Frau und deine Geliebte, wenn du Lust auf mich hast, ich soll deine Kinder gebären und den Hof führen und mich bei deinen Freunden vorzeigen lassen; und backen und brauen und pökeln und schlachten und weiß Gott noch was – manchmal habe ich das Gefühl, ich bin genauso gebunden wie damals, als ich mit Ture verheiratet war. Und du, dir sind deine Hunde und Pferde lieber als ich!

      – Du weißt, daß das nicht stimmt! wandte er aufgewühlt ein – endlich kriegte er sie bei einer ihrer vielen Ungereimtheiten zu fassen. Aber wenn er ihr nur im geringsten recht gab, würde er sich da nie mehr herausziehen können.

      Die hellen Nächte waren ja auch bald vorbei. Noch vor drei Wochen hatten sie den See in dem sanften, schläfrigen Nachtlicht erkennen können. Nun waren sie auf allen Seiten von Herbstdunkel und feuchter Kälte umgeben, die nach Verwesung roch.

      – Was willst du – von mir und von dir selbst? Sag es mir, dann werde ich mein Bestes tun, sagte er, ohne größere Hoffnung, daß es etwas brachte. Es war ihr Klagen, ihr Verlust: sie sah nicht klar genug, um zu verstehen, daß er ihr genausogut vorwerfen könnte, was die Zeit ihnen antat.

      Er wollte sich gern ändern, wenn es half; aber Worte allein genügten nicht – er hatte auch nichts als sein Wort, das er ihr geben konnte, und das war ohnehin armselig genug.

      Sie wandte sich von ihm ab, die Hand vor dem Gesicht, nahm sie aber schnell wieder herunter. Endlich wagte er, sie an sich zu ziehen – sanft, ohne Begierde, fast tröstend. All die Male, wenn sie sich heimlich in fremden Häusern und fremden Betten getroffen hatten, hatte er von dem guten, gesetzmäßigen Leben geschwärmt, das sie führen und über das sie sich freuen würden, wenn sie erst einmal verheiratet wären. Sie lag da und betrachtete ihn, als er sich auszog. Sie rechnete nach: Es war mehr als sieben Jahre her, seit sie einander erstmals begegnet waren.

      Während ihrer letzten Schwangerschaft hatte sie sich über den Verfall ihres Körpers geekelt: hatte gewußt, daß die Jugend vorbei war. Heute nacht sah sie zum ersten Mal, und das erschreckte sie weit mehr, daß auch er älter geworden war. Die vierzehn Jahre, die er älter war als sie, waren nie so sichtbar gewesen. Er hatte die Schufterei und die Entbehrungen besser verkraftet als sie. Die Spuren mußten schon lange dagewesen sein, aber sie hatte sie nicht gesehen; nur das Bild von dem Mann, den sie kannte.

      Graue Haare bedeckten bereits den ganzen Kopf. Die Furchen um seinen Mund, am Hals und um die Augen waren schlaff geworden – und unter den Augen hatte er schrumpelige, hängende Falten. Die Narben zogen weiße, runzlige Striche und Muster über Körper und Glieder. Er hatte sich nie geschont, früher oder später mußte es sich rächen. Wenn er sich auszog, stieg er vorsichtig aus den Hosen und balancierte auf einem Bein – der Bauch war nicht mehr straff, und das Fleisch über der Brust und auf den Oberarmen war schwabbelig.

      Die Erkenntnis schnitt ihr ins Herz, als würde ein heißer Draht in ihr verglühen, für immer: Einst war er so gewesen, wie sie ihn in Erinnerung hatte, und sie ihn immer noch mit geschlossenen Augen sah. Jung, schön, selbstbewußt, unglaublich sorglos und unverwundbar. Sie hatte ihn verwundbar gemacht, hatte die Sorglosigkeit aus seinem Gemüt geätzt, ihn die Fähigkeit zum Verrat gelehrt. Damals hatte sie nur gesehen, wozu sie selbst erniedrigt wurde. Nicht, daß sie grausam gegen ihn gewesen wäre, gegen den Menschen, in den sie sich verliebt hatte. Und mit jedem Jahr würde

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