Der Pflug des Zorns - Ein historischer Roman. Maria Helleberg

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Der Pflug des Zorns - Ein historischer Roman - Maria Helleberg

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er hatte schon mehrfach gesehen, wie schwer es ihr fiel, sich an den Ton zu gewöhnen, der zwischen ihren Schwiegereltern herrschte. Normalerweise floh sie, wenn sie sich zankten; aber diesmal kippte sie nur vornüber, die Arme auf dem Tisch vor sich ausgestreckt, mitten in Fischgräten und Kohlreste, und weinte herzzerreißend.

      Sten ging zu seiner Schwiegertochter, zog sie hoch, legte ihr nasses, kaltes Gesicht gegen seinen Arm und strich ihr über die Stirn, während die warmen Tränen seine Hand benetzten. Es war das erste Mal seit ihrer Ankunft, daß jemand ihr so viel Kraft und Aufmerksamkeit gewidmet hatte. Und sie war weich und flaumig und formlos wie ein Vogeljunges – er kannte Jofrid gut genug, um zu wissen, daß er einen gewissen Abstand halten sollte.

      – Du mußt lernen, mehr Rücksicht auf unsere Schwiegertochter zu nehmen, sagte er und drückte das Kind an sich, denn sie zitterte und klapperte mit den Zähnen; er legte die Hände über ihre Ohren, um den Streit von ihr fernzuhalten, – sie ist nicht daran gewöhnt zu hören, wie Königstöchter mit ihren Ehemännern reden!

      Auch sie hatte sich erhoben und war zu ihm hingegangen: graubleich im Gesicht, die Augen wie zwei Wunden. Jetzt war Jofrid erst richtig wütend. Nicht aufgebracht und überempfindlich wie sonst, sondern beherrscht in ihrer Wut, die ihn zu Boden strecken konnte.

      – Glaubst du, ich hätte mich dir hingegeben, wenn ich gewußt hätte, daß du nicht einmal deine eigenen Schwiegertöchter in Frieden lassen kannst? fauchte sie.

      Und sie meinte es ernst. Der Gedanke setzte sich in ihm fest, so daß er ihm nicht entkommen konnte, auch wenn er sich von Herzen frei davon wünschte. Das kleine, kindliche Wesen, das Gunnar liebte und das das Kind seines Sohnes erwartete: Es war sein erstes Enkelkind, das sie in sich trug.

      Aber das schlimmste war, daß er es gedacht hatte. Bevor er wußte, daß sie schwanger war. Als sie das erste Mal zusammen im Badehaus waren, hatte er sie gründlich betrachtet, um herauszufinden, in wen Gunnar sich da verliebt hatte.

      Die kleinen jungfräulichen Brüste mit rosenfarbenen Knospen, die unter seiner Zunge und seinen Lippen fest und warm werden würden. Gar nicht zu reden von der dritten kleinen, hellwachen Knospe in ihrem Schoß, die auch wachsen konnte – ihr fester Hintern, in der Wölbung seiner Hände ruhend, die kleinen Beben, die sie durchlaufen würden, der hübsche Vogelgesang, den er ihr entlocken könnte, die Muskeln in den strammen Seidenschenkeln würden sich um seine Wangen zusammenziehen, und in wildem Staunen und voller Genuß würde sich der dünne Körper spannen wie ein Bogen. Ihm war bei dem Gedanken ganz schwindelig geworden. Hinterher hatte er sich geschämt, hatte versucht, den Gedanken von sich zu schieben, hatte gebeichtet und bereut und Buße getan. Begriff nicht, was in ihn gefahren war. Ein mageres, vierzehnjähriges Wesen, die Frau seines Sohnes, die nicht viel Schönheit oder Anmut zu bieten hatte. Ihre Unschuld war das schönste an Gunhild.

      Aber wie hatte Jofrid ihm seine geheimen Gefühle anmerken können, fragte er sich – er würde doch nie so weit gehen, schon der Gedanke war schlimm genug. Er war ihr treu gewesen, bis auf dieses eine verfluchte Mal, an das er sich nicht erinnern wollte und für das er keinen stichhaltigen Grund angeben konnte.

      Wenn er sich ganz selten einmal, aber peinlich deutlich, daran erinnerte und Lust dabei verspürte, dann schien es, als sei er ein noch schlechterer Mensch als bislang angenommen. Diese Last für den Rest seines Lebens zu tragen, dazu war er bereit.

      Er erhob sich, streckte sich und hob die Arme über den Kopf, um die schwachen, sich versteifenden Gichtschmerzen zu verjagen. Müßiggang war aller Laster Anfang, und er hatte genug zu tun.

      Bengt rannte zwischen den Häusern herum und jagte ein quiekendes Ferkel – Arvid und Algot, die beiden jüngsten Kinder, saßen unter einer der Treppen und bauten aus kleinen Steinen, Matsch, toten Fröschen und anderen aufgesammelten Sachen Häuser. Der Lärm von Bengt und dem Ferkel war schon länger zu vernehmen. Sten Algotsson ging hinunter und versuchte, seine Kinder einzufangen, und mußte feststellen, daß es leichter war, Flöhe in einem Schafspelz zu erwischen. Keines der Kinder hatte Schuhe an den Füßen, obwohl es schon Spätherbst war. Sie wehrten sich unter Anwendung gemeinster Tricks, als er sie ins Haus schleppte. Bengt weigerte sich glattweg, zu essen, und er schmierte statt dessen Senf auf das weiße Brot.

      Jofrid sah es am liebsten, daß die Kinder dasselbe aßen wie die Erwachsenen; aber das Essen war oft derartig schlecht, daß Sten Mühe hatte, es hinunterzubekommen. Heute abend konnten die Kleinen sich wohl einmal an Senfbrot, Honig und Waffeln satt futtern.

      Anschließend schleppte er die beiden Kleinsten hinunter in den Raum, in dem sich die Feuerstelle befand, dem wärmsten Ort auf dem Hof. Zog ihnen die Kleider aus, auch wenn sie wild Widerstand leisteten, weinten und nach ihm schlugen. Sie waren schmutzig, unwillig und quengelig, und er war es nicht gewohnt, allein für sie zu sorgen. Der kleine Algot war gerade ins Bett gekommen, als er den ganzen Brei erbrach. Sten wischte das Erbrochene von der Bettdecke in den Eimer, der an der Tür stand, und kippte dann die stinkende, graubraune Masse nach draußen in den Schlamm.

      Als er endlich alle drei zur Ruhe gebracht hatte, legte er sich auf das nächste Bett, um sich einen Augenblick lang auszuruhen – und erwachte mit eiskaltem Entsetzen. Eine Frau stand über ihn gebeugt und rüttelte an seiner Schulter, die vor Kälte und Gicht schmerzte. Er mußte erst zu sich kommen und die Augen an das schwache Licht gewöhnen, bevor er erkannte, wer das war. Aud, die Norwegerin, die sich normalerweise um die Kinder kümmerte – das mußte ihr Bett sein, das er mit Beschlag belegt hatte.

      Er versuchte, sich zu entschuldigen, und eilte steifbeinig durch die schiefe Tür hinaus auf den Vorplatz, setzte sich auf die Treppe und sah in die Nacht hinaus, immer noch durcheinander und schwindelig, mit einem schlechten Geschmack im Mund.

      Der Himmel war freudlos, leer, schwarzblau, ohne eine Andeutung von Sternen. Das dichte Dunkel ließ die Häuser verschlafen und geduckt aussehen. Rauchwölkchen stiegen senkrecht aus dem Abzugsloch in der Stube, in der Gunhild in den Wehen lag – und aus der Küche und den beiden Giebelöffnungen in der Halle.

      Die Kälte machte seinen Kopf klarer, aber er fror so sehr, daß er zitterte und mit den Zähnen klapperte. Es biß und brannte in seiner Lunge, aber dennoch war es herrlich, den Körper zu zwingen, allem Unbehagen zu trotzen.

      Von seinem Vater hatten sie nicht viel gesehen, seit Ingeborg gestorben war. Er wollte keine Hilfe, obwohl er sehr hinfällig geworden war, konnte nicht einmal essen, ohne das meiste zu verkleckern. In den letzten Wochen wollte er nichts davon hören, vom Altenteil in die Halle hinüberzuziehen.

      Gleich nach seiner und Jofrids Hochzeit hatte er seine neue Stiefmutter zum ersten und einzigen Mal nach ihrer neuen Ehe gefragt. Ingeborg hatte die schmalen, mageren Schultern hochgezogen und gelacht: sie war nicht wieder achtzehn geworden, auch wenn Algot glaubte, daß man genau das wurde, wenn man den heiratete, den man als junger Mensch geliebt hatte.

      Eines Morgens hatte sie dann gesagt, daß Måns, ihr erster Mann, auf dem Hofplatz stehe und nach ihr rufe. Der verfluchte Hurenbock, der die besten Jahre ihres Lebens verpestet hatte, war gekommen, um Ingeborg zu holen, und sie wirkte froh und erwartungsvoll! Noch bevor der Abend kam, war sie tot. Sten wunderte sich – sein Vater hatte ihren Tod leichtgenommen, aber sie hatte er ja geliebt, und auf sie hatte er vierzig Jahre gewartet. Es gab so vieles, was er nicht begriff und wonach er nicht fragen mochte, seinem Vater ging es nicht gut, er konnte sich an nichts erinnern, lebte in seiner Welt.

      Es ist abstoßend und obszön, auf diese Weise alt zu werden, dachte Sten. Lieber will ich plötzlich aus dem Leben scheiden, als so ein langes und jämmerliches Leben zu führen wie mein Vater.

      Ein schwaches Geräusch ließ ihn aufblicken und die Gedanken abschütteln – die Tür zur Stube, in der Gunhild lag, ging auf, und eine Frau trat heraus. Er

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