Der Pflug des Zorns - Ein historischer Roman. Maria Helleberg

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Der Pflug des Zorns - Ein historischer Roman - Maria Helleberg

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überlief sie voller Mißmut, all das, was unwiederbringlich vorbei war. Der Leichtsinn, die blinde Verliebtheit, die auf Zukunft und Vernunft pfiff: Wo man nur sich selbst sah und glaubte, die ganze Welt darin gespiegelt zu finden. Auch Gefühle konnten verschleißen und verwittern, wie alles Vergängliche, wie der Sandstein über der Männertür der Kirche in Gråbo, eingefügt von Ragnvald Jarl, die Abnahme Christi vom Kreuz, rauh und grob auf der Hand. Etwas war geblieben, das Beste und Wichtigste, das Eigentliche. Aber sie wußte nicht, wieviel es noch wert war, und wieviel es gegebenenfalls ertragen konnte.

      In vielerlei lebte sie so wie in der Verbannung in Norwegen: Sten kümmerte sich um die Pferde und Hunde, ging auf die Jagd, wenn es ihm einfiel, fischte im See, vergnügte sich mit Trinken, Würfeln, Plaudereien mit Gefährten, die zu vornehm waren, ihre eigenen Pferde zu satteln. Unterdessen versuchte sie, die Dienerschaft und die vielfältige Arbeit in den Griff zu bekommen.

      So war sie immer in Eile, ohne mit dem Herzen bei der Sache zu sein, und sie quälte sich mit ihrer nicht gerechtfertigten Unzufriedenheit. Denn es war ja dieses Leben, wonach sie getrachtet hatte, dafür hatten sie die mageren Jahre in Norwegen ausgehalten.

      Es war ungerechtfertigt, und sie wußte es – nicht einmal für sich selbst hatte sie eine klare Vorstellung von dem, was sie sich vom Leben erhoffte. Aber die Unsicherheit und die Furcht, die unglaubliche, wilde Freude, wenn sie sich trafen – sie hatte so ungestüm gelebt, mit ihrem ganzen Körper und der seufzenden, überquellenden Seele gefühlt, kaum Schlaf oder Nahrung gebraucht. Und jetzt waren sie hier, und sie zweifelte nicht, sondern quälte sich.

      Er hatte sich fertig ausgezogen, stützte sich mit einem Arm auf den Bettpfosten, gähnte und kratzte sich zwischen den Schulterblättern und streckte sich wie eine schläfrige Katze. Das schwache, gelbliche Licht tanzte über den breiten Rücken, der sich zu den Hüften hin verjüngte, bildete kleine Schatten in den Vertiefungen am Brustbein und zeichnete Striche entlang den schmalen, scharfen Sehnensträngen an Schenkeln und Armen. Der schwache Geruch von salzigem Schweiß, Leder und Rauch, Samen, Urin und Haut näherte sich, er legte sich zu ihr: Sie schloß die Augen und ließ sich in Blindheit und Schwäche hinabgleiten, die sich wie eine Decke um sie schmiegten.

      Er suchte nach ihrem Mund, während seine weiche Hand auf ihrem Bauch ruhte – und sie wußte, daß er sich zu beherrschen versuchte, damit er seine Enttäuschung nicht allzu deutlich zeigen mußte, wenn sie ihn erneut abwies. Dennoch öffnete sich sein Mund mit einem erleichterten Seufzen, als sie ihm vorsichtig die Arme um die Schultern legte und ihre angezogenen Beine schlapp niedergleiten ließ. Schwereloses Wohlbehagen umgab sie, als ruhe man in angenehm warmem Wasser – breitete sich in ihr aus, und kurz darauf schlief sie ein.

      Gunnar wußte nicht viel vom Krieg. In seiner Vorstellung bestand der Krieg aus bunten Seidenzelten, Trompetenfahnen, flatternden Wimpeln, edlen, schäumenden, mit gesenkten Köpfen herangaloppierenden Streithengsten und knatternden Löwenbannern, wie in den bretonischen Romanen, die er gelesen hatte. Aber so war es nicht in Wirklichkeit.

      In Dänemark, wo er im Auftrage des Erzbischofs unterwegs war, traf er Knud Porse, vor dem Sten ihn gewarnt hatte. Porse war ein dänischer Großgrundbesitzersohn, der sich während des letzten schwedischen Bürgerkrieges mit der siegreichen Seite verbündet hatte. Danach hatte er die Mutter des noch jungen schwedischen Königs nach Varberg begleitet und sie verführt. Dänemark war dabei, in verpfändete Lehen zu zerfallen, und Porse sah sich nach einem passenden Landstück um, das man als Herzogtum bezeichnen konnte. Dann würde er seine Herzogin heiraten können. Bislang hatte er seine Dame hauptsächlich damit unterstützt, daß er Seeräuberei betrieb und friedliche Reisende überfiel.

      All das hatte Sten ihm gesagt; aber als Gunnar dem Mann von Angesicht zu Angesicht gegenüberstand, empfand er nur Wohlwollen. Deshalb blieb er länger als nötig in Dänemark und sah, was mit dem Land geschehen war.

      Sie hatten das Reich zerrissen wie ein angeschossenes Tier, das sich noch auf die Wiese geschleppt hatte, wo Wölfe und Aasvögel von dem dampfenden Fleisch fressen. Die Großgrundbesitzer hatten den König vor die Tür gesetzt, um selbst zu regieren, zeigten aber in dieser Beziehung keinerlei größere Begabung. Nun kämpfte ein holsteinischer Graf gegen den abgesetzten König und dessen Söhne, während Porse und ein Dutzend andere im Trüben fischten.

      Das Land hätte reich sein können. Der Boden war dunkel und fruchtbar und recht leicht zu bestellen – das ganze Land schien genauso flach und weich zu sein wie die weiten Ebenen zwischen Skara und Falköping.

      Von zu Hause war Gunnar es gewohnt, daß viele Bauern armselig lebten. Aber auf den Anblick der Menschen in den dänischen Dörfern war er nicht vorbereitet: Unterernährte, menschenscheue Wesen, von Armut gezeichnet, denen Hunger, Unwissenheit und anhaltende bittere Not in den verhärmten Gesichtern geschrieben standen. Die Kinder waren von Dreck und Grind verunstaltet, mit aufgeblähten Bäuchen, ein zynisches Merkmal des Hungers. Porse war Däne, aber Gunnar verspürte bei ihm kein Mitleid mit dem gebeutelten Land.

      Andere Gegenden waren wie unberührt von der Not, große Kirchen wurden errichtet, Ruhe herrschte. Gunnar besuchte die Frauenkirche in Kopenhagen und schlich sich verstohlen zu einem Steinmetz, um ihm dabei zuzusehen, wie er einige Skulpturen für den Chor fertigstellte – es wunderte ihn, daß er sich noch vor kurzer Zeit von dieser in sich gekehrten Lebensweise angezogen gefühlt hatte. Die Welt draußen hatte so viel mehr zu bieten: Dieses ganze unglaubliche Abenteuer, und zu Hause wartete Gunhild auf ihn, was konnte man mehr vom Leben verlangen!

      Dänemark war ein schönes Land, hier könnte er leben – das Land glich einem großen bestellten Garten. Das, was die Dänen ›Hügel‹ nannten, waren leichte Anhöhen, bedeckt von wogendem Gras oder Korn. Die Küsten waren offen und einladend wie weiße, füllige Frauenarme und nahmen die Schiffe küssend auf. Die Wälder waren hoch, wehmütig und licht, streiften in jedem Herbst ihr Kleid ab und schlugen im Mai wieder mit zartgrünen Blättern aus. Hochstämmige Buchen, von den Mönchen Laubhütten genannt, ein wunderlicher Anblick.

      Die Dänen sprachen viel mehr, als in Schweden üblich – vielleicht lag es daran, daß die Dänen so nah beieinander wohnten: Die Handelsstädte lagen nur eine knappe Tagesreise voneinander entfernt an den Fjorden. Die Sprache, die die Dänen nach dem Einsturz des Turms zu Babel mitgebracht hatten, war das am wenigsten Schöne am Land; aber wenn Frauen dänisch sprachen, konnte sogar Gunnar etwas Schönes an der Sprache finden – und die Dänen lachten viel, besonders die Frauen.

      Man wußte immer, ob man sich auf dem Festland oder auf einer Insel befand. Die Küstenlinien waren scharf und klar. In Sörmland konnte man sich nie sicher sein, Fels und Schären wechselten sich mit fruchtbarer Erde ab. Aber der Isefjord schnitt tief ins Land hinein, und als er mit einem Brief von Porse an den Bischof weiter südwärts in den Roskilde-Fjord mußte, war er gezwungen, in ein Ruderboot umzusteigen.

      Dies war ohne Zweifel der wichtigste Auftrag, der ihm erteilt worden war. Jetzt saß er im Steven und wartete darauf, daß wieder etwas Abenteuerliches geschehen würde.

      Der Mann, der seine Schiffahrt arrangiert hatte, erklärte, daß sich bei Skuldelev eine alte Sperre befinde – es war auf jeden Fall am leichtesten, in einem unauffälligen Ruderboot, das keinen großen Tiefgang hatte, in die Stadt hineinzugelangen.

      Ein schwacher Wind wehte, und das Boot legte sich leicht auf die Seite. Gunnar erhob sich trotzdem, er wollte die Stadt sehen – das Boot bewegte sich langsam und schwerfällig an den grünen und sandigen Küstenhängen entlang. Die Stadt lag in schwindelerregender Höhe auf einem Hügel über der Einfahrt. Er sah nicht mehr als die Andeutung von flachen, braunen Dächern, ein hohes Gebäude, das der steinerne Turm der bischöflichen Residenz sein mußte – und die Kirche.

      Er hatte die Dome in Linköping und Uppsala gesehen, und die Hallvardskirche

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