Der Pflug des Zorns - Ein historischer Roman. Maria Helleberg

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Der Pflug des Zorns - Ein historischer Roman - Maria Helleberg

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widmen würden.

      Wenn er lauschte, konnte er das Domkapitel singen hören: es mußte die None sein. Der Ton der kräftigen, dunklen Männerstimmen hatte ihn schon ergriffen, als sie sich der bischöflichen Residenz näherten – er klang in ihm nach, als berühre man zufällig die Saiten einer Laute. Sein Gemüt war voller Zärtlichkeit, alles in ihm war hell, weit und von Dankbarkeit geprägt.

      Sie warteten in der gewölbten Vorhalle, gegenüber von einigen langen gemalten Friesen, die die Flucht nach Ägypten darstellten und den erbärmlichen, aber frommen Tod des heiligen Erik. Die Steine des geklinkerten Fußbodens waren in Mustern verlegt und glasiert und glänzten ihm entgegen, buschige Löwen und stolze Adler, grün und golden. Die Sporen klirrten bei jedem Schritt auf dem edlen Boden. Gunnar hatte Angst, die Fliesen zu zerkratzen oder sonstwie durch Gedankenlosigkeit diesem Ort einen nicht wiedergutzumachenden Schaden zuzufügen. Die Schwertspitze schleifte leicht über den Boden, weil die Waffe für einen Mann von der Größe seines Vaters geschmiedet war: Er mußte sie ein wenig anheben. Inzwischen schwitzte er so stark, daß die feine Kleidung unter den Armen und über der Brust durchnäßt war. Das kleine Silberkreuz, das der Vater ihm gegeben hatte, mußte sich in den Brusthaaren verfangen haben, es zwickte in der feuchten Haut.

      Drüben, am Schreibpult am Fenster, das einen Spaltbreit geöffnet war, kramte einer der Schreiber in einem Haufen abgegriffener Schriftstücke, öffnete einen Brief nach dem anderen und las sie mit spitzer, hängender Oberlippe. Sein nackter, glattgeschorener Scheitel glänzte, und ab und zu ließ er eine dürre Hand über die Tonsur gleiten.

      Die doppelte Eichentür wurde geöffnet, und Gunnar und Gunhild wurden in den Steinsaal gerufen: Der Bischof war von seinen Pflichten in der Kirche zurückgekehrt und wollte sich nun den Bittstellern und Audienzsuchenden widmen.

      Die Luft im Saal war kühl und etwas feucht, es roch nach Kalk, wie in einer frisch geweihten Kirche. Gunnar ertappte sich dabei, wie er neugierig an den Wänden nach den Weihekreuzen suchte.

      An der entgegengesetzten Seite des Saales befand sich ein offener Kamin. Doch man hatte kein Feuer entzündet. Verblichene Wandteppiche bedeckten die Wände, genau wie zu Hause auf Kalmarhus.

      Vier kleine, rundbogige Fenster befanden sich unregelmäßig verteilt an der Längswand mit geschlossenen Läden, so daß nur das obere Drittel Licht hereinließ. Aber die Scheiben waren aus richtigem Glas, so daß die Sonne silberhell auf den Bischof schien, schräg und stark, wie auf den Allmächtigen persönlich.

      Vor seinem Stuhl lag ein gewaltiger Teppich, rot, schwarz und golden. Gunnar hatte noch nie zuvor einen Teppich auf dem Fußboden gesehen. Und dies war zudem ein heidnischer Teppich, solch einen hatte der Kanzler, das hatte er selbst gesehen, an seine Wände gehängt, dort, wo Teppiche nach Gottes Gebot hingehörten. Eine entsetzliche Verschwendungssucht – mit schmutzigen Schuhen auf einen Teppich zu treten!

      Die Leute, die hier saubermachten, hatten rechts vom Eingang Wischlappen und Eimer vergessen – das sah auf dem prachtvollen Fußboden merkwürdig irdisch und nüchtern aus.

      Die beiden jungen Menschen gingen Hand in Hand quer über den glatten Boden: Gunnar klammerte sich mit einer Hand an den Schwertgriff, um nicht zu stolpern. Ausgerechnet jetzt spürte er mächtigen Harndrang. Er strengte sich an, den Gedanken daran zu verdrängen. Gunhild drückte leicht seine Hand, dann knieten sie vor dem Stuhl nieder. Vor Angst, sich zu blamieren, waren seine Knie so steif, daß er sich mit gestreckten Fingern am Boden abstützen mußte.

      Der Bischof hatte seine beiden großen Füße in den Blutsee des persischen Teppichs gepflanzt. Er trug weiße, dünne Handschuhe; der Handschuh an der linken Hand war kreuzförmig aufgeschlitzt, dort funkelte ein großer Ring mit blauem Stein. Als der Bischof die Hand umdrehte, sah Gunnar, daß die Handschuhe bestickt waren, die roten Rauten auf dem Handrücken sollten die Wundmale Christi darstellen.

      Das ist Macht, dachte Gunnar – Macht über Leben und Tod in einem gewöhnlichen, sterblichen Menschen konzentriert. Er war immer noch dabei, die Handschuhe und deren Symbolkraft zu bewundern, als der Bischof ihm seine Hand entgegenstreckte: Er küßte den blauen Stein und sah, daß Gunhild es ihm gleich tat, wenn auch mit größerer Anmut.

      Die kniende Stellung minderte den Druck der Blase ein wenig. Aber bald mußte er sich erheben – das Bein, auf das er sich stützte, war fast gefühllos. In Knie und Wade spürte er ein Ziehen. So würde es bestimmt enden, in Schande und Lächerlichkeit.

      Der Schreiber, der Gunnars Stiefeltern geholfen hatte, ihre Besitzverhältnisse zu ordnen, hatte es übernommen, den Bischof mit seiner Sache vertraut zu machen. Gunnar war ihm für seinen Einsatz zutiefst dankbar, mochte es jedoch nicht, daß der Blick des Bischofs auf ihm ruhte. Im Dom, hinter dem Laiengitter, das den Chor abtrennte, war der Bischof seines Menschseins enthoben. In der steifen Kleidung, die die Linien des Körpers verhüllte, blitzend von Juwelen und Perlen, einer anderen und besseren Welt angehörend, zu Gottes Ehren singend oder den Kelch über sich erhebend, wenn Wein in Blut verwandelt wurde.

      Hier aber wirkte der Bischof furchterregender. Er war keiner der ruhigen, gelehrten und hochbetagten Männer, wie man sie sonst in diesem Amt fand. Gut genährt, mit einem dicken Kranz kastanienbrauner Haare um die glänzende, perfekt geschnittene Tonsur, die die Linien eines hübschen Schädels sichtbar machte. Die Augen hellwach und durchdringend, aber munter. Er trug keine abgetragene, bescheidene Mönchskutte wie der Kanzler, sondern gute, neue Kleidung, wie Gunnar sie von seinem Stiefvater kannte. Seine Stimme war ein wenig zu laut, aber wohlklingend und selbstbewußt.

      Die Beratung seiner Angelegenheit überstieg Gunnars Auffassungsvermögen. Aber er verstand doch immerhin, daß der Bischof meinte, daß nur eines die Ehe mit Gunilla verhindern könnte: Wenn Erik und sie zusammengelebt hätten, bevor es ihr klargeworden sei, daß sie das Wort, das ihr Vater in ihrem Namen gegeben hatte, nicht halten wolle.

      – Aber so schlimm ist es hoffentlich nicht? fragte der Bischof mit einem breiten, schiefen Lächeln, als amüsiere er sich innerlich über die beiden Kinder, die ihn um Rat fragten. Gunilla antwortete schnell und kurzatmig, so schlimm sei es wahrhaftig nicht, kein Mann habe sie berührt.

      – Zwischen Erik und mir ist nie etwas Unziemliches geschehen, fuhr sie nach einer kleinen Pause spitz fort: als halte sie es für nötig, gegenüber dem Bischof, der vielleicht nicht mit den gewöhnlichen Ausdrücken vertraut war, ihre Aussage zu erläutern – und auch zwischen Gunnar und mir ist nichts Unziemliches geschehen!

      Der Bischof schlug mit gewaltigen Händen auf die Armlehnen und lachte, laut und häßlich. Gunnar hielt auch nicht sonderlich viel von dem wissenden Blick, mit dem Göran Gregori jetzt Gunilla bedachte. Es machte den Eindruck, als sei der Bischof fast zu sehr an Frauen interessiert.

      – Selbst wenn etwas Unziemliches zwischen dir und deinem Freund geschehen wäre, murmelte der Bischof, wischte die Worte mit der Hand beiseite und lächelte, – hätte ich beinahe gesagt. Aber ich will mich nicht wiederholen! Das ist der einzige Weg, das Band zwischen euch so fest zu knüpfen, daß es keiner zerreißen kann.

      So ist das! dachte Gunnar. Als habe der Bischof ihm quer durch den Raum einen Ball zugeworfen und erwartete, daß er ihn ergreife, solch einen Rat konnte er nicht unverschleiert geben. Aber er traute seinen eigenen Augen nicht, als er zum Bischof hinüberschielte: denn der Mann zwinkerte ihm zu, als wolle er ihn auf eine schwer zu verstehende Pointe aufmerksam machen. Gunnar errötete vor lauter Verwirrung – er hatte nicht geglaubt, daß es so leicht sein würde. Diese seltsame Welt der Erwachsenen, der er kraft seines Alters nun auch angehörte, die sich ihm bislang aber kaum öffnen wollte. Jetzt war er bald ein verheirateter, seßhafter Mann mit Ehefrau und Verpflichtungen – aber ein Teil von ihm wäre am liebsten Kind geblieben, ohne drückende Verantwortung. Andere Männer, sein Vater und der Bischof,

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