Der Pflug des Zorns - Ein historischer Roman. Maria Helleberg

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Der Pflug des Zorns - Ein historischer Roman - Maria Helleberg

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hatte lange gedauert, die Formalitäten zu erledigen und die Großmutter der Kinder zu überreden, die ihre Rechte nicht freiwillig aufgeben wollte. Die Äbtissin in Vreta hatte einen Streit mit dem Klarissenkloster in Stockholm auf sich nehmen müssen, um so weit zu kommen.

      Es war nicht viel übrig von dem hübschen, blutjungen Mädchen, das Algot einst beherbergt hatte, als sie und Folke auf der Flucht waren, und auf das Algot seine Schwiegertochter vorbereitet hatte. Ingrid Svantepolksdotter war kräftig geworden, ja dickleibig. Man sah ihr an, daß das Leben ihr gegenüber großzügiger verfahren war als gegenüber den meisten anderen Menschen, sie hatte sich für jedes Lebensalter ein neues Schicksal wählen können. Als Kind hatte sie sich gewünscht, Nonne zu werden, dann hatte sie sich verliebt und war von ihrem Geliebten entführt worden, hatte mit ihm Kinder gezeugt und ihn verloren. Ihr bewegtes Leben wurde Gegenstand von Gedichten und Tanzweisen. Als Witwe war sie ins Kloster nach Vreta zurückgekehrt, und jetzt leitete sie das reichste Nonnenkloster des Landes.

      Vreta hätte durch Armut beeindrucken müssen, wie alle Zisterzienserklöster. Aber als Jofrid kam, trug Ingrid ein schwarzes Seidengewand an Stelle der unförmigen Ordenstracht – das schwere Goldkreuz mit Rubinen und Smaragden entsprach gewiß auch nicht den Ordensregeln des Bernard von Clairvaux. Darüber hinaus hatte Ingrid sich eine eigene Wohnung eingerichtet, ein kleines hübsch ausgestattetes Haus am Rande der Klausur. Grüne gemalte Ranken wanden sich um die Fenster, die richtige Glasscheiben hatten, keine Scheiben aus Horn oder Tierhaut wie in den meisten weltlichen Wohnungen. Ingrid lebte gut, das Besteck war aus Silber und Emaille, die Schüsseln aus Limoges, das Bett voller Flecken, und auf einem kleinen Regal stand eine Reihe Bücher, eine unfaßbare Verschwendung.

      Ingrid witzelte darüber, daß die Türöffnung so schmal war: die stamme noch aus der Zeit, bevor sie sich ausgeweitet habe. Ingrid war wirklich die dickste Frau, die Jofrid je gesehen hatte, und dennoch wirkte sie leichtfüßig und beweglich. Das Gesicht war konturlos, weiß und rot wie Milch und Rosenblüten, und die moorwasserfarbenen Augen glänzten und blitzten in tiefen Höhlen.

      Jofrid hatte immer Mitleid mit den Frauen empfunden, die von ihren Familien in ein Kloster gesteckt wurden. Die ewig sich wiederholenden Gebete waren für das Heil der sündigen, selbstsüchtigen Menschheit notwendig, und diese wenigen Nonnen nahmen es auf sich, die Verbindung mit dem Himmel zu pflegen. Aber Jofrid selbst hatte sich in keiner Weise vom Klosterleben angezogen gefühlt, und sie begriff nicht, was ihre Mutter meinte, als diese eines Tages erzählte, daß sie als junges Mädchen daran gedacht habe, Nonne zu werden. Auf Lebenszeit eingemauert, Messen in eiskalten Kirchen absingend, niemals mehr als vier Stunden hintereinander schlafen – dann schon lieber zurück auf den Pachthof nach Norwegen!

      Aber als Frau Ingrid sie herumführte, entfaltete sich vor Jofrids Augen diese besondere Frauenwelt; die friedliche Illusion einer Welt, die frei von Krieg, Hurerei, Verlockungen und Gewalt war.

      Alles war wirklich von Frauenhänden und nach den Wünschen von Frauen geformt. Und besonders auf Frau Ingrid ausgerichtet. Die Äbtissin sah in Schmutz und schlechtem Körpergeruch kein Zeichen von Heiligkeit. Als neuernannte Leiterin des Klosters war ihre erste Entscheidung gewesen, den Schwestern aufzuerlegen, sich selbst und ihre Ordenstrachten sauberzuhalten, jeden Samstag zu baden, die Zähne mit ausgefaserten Wurzeln zu reinigen und das kurze Haar regelmäßig zu waschen und zu schneiden. Die Schwestern wuschen auch ihre Tischtücher und ihr Bettzeug selbst, denn nach Ingrids Auffassung tat ihnen körperliche Arbeit gut.

      Ingrid war stolz darauf, daß sie in ihrer Amtszeit den Einflußbereich der Äbtissin in Vreta ausgebaut hatte. Eigentlich hätte sie sich in allen Angelegenheiten mit Männern beraten müssen; aber mit der Zeit hatte sie die Priester aus der Leitung gedrängt. Nur was die Messe und die Beichte anging, hatte sie sich beugen müssen: Keine Frau konnte zur Priesterin geweiht werden, und keine Frau durfte dem Wunder des Abendmahls vorstehen.

      – Aber meinst du nicht, ich würde einen guten Bischof abgeben? fragte Ingrid, scheinbar im Ernst, – und mußte doch vor Lachen glucksen, – der alte Karl aus Linköping hielt nicht viel von mir als Äbtissin für die jungen Lämmer, solch eine alte, unverbesserliche Sünderin! Aber eine bekehrte Hure, Magdalena, war schließlich gut genug, den Wiederauferstandenen zu finden, dann konnte man wohl auch mir erlauben, den Gören in Vreta vorzustehen. Ich weiß wenigstens, wovor ich sie beschützen muß! Der neue Bischof, der niedliche Milchbart, er hat nichts gegen mich, er versuchte, die Zügel anzuziehen, und ich habe mich ihm widersetzt. Jetzt weiß er, woran er ist. So ein hübscher junger Mann! Leider kommt er nie auf die Idee, mir den Rock hochzuheben, aber man soll die Hoffnung nie aufgeben!

      Jofrid wußte nicht, was sie von Ingrid halten sollte – die Äbtissin war im selben Alter wie ihre Mutter. Ungestüm und doch sanft wie eine Spatzenmutter mit ihren Jungen. Ingrid nahm Jofrid mit in den Gemüsegarten, um ihr eines der Kinder zu zeigen, die Vreta zum Großziehen bekommen hatte, und von dem sie nicht wußte, was man mit ihm anfangen sollte.

      Es war Gunnars kleine Schwester Märta, deren Geburt ihre Mutter das Leben gekostet hatte.

      Das Mädchen konnte höchstens fünf Jahre alt sein, wirkte aber viel älter – ein verschlossenes, stilles Kind, das weder Ball spielte noch herumtollte, das hingegen artig mit kleinen Schritten auf dem geharkten Gartenweg daherkam, die Hände gefaltet, und sich vor der fremden Dame verneigte. Märta hatte Ähnlichkeit mit ihrem Bruder: die gleiche breite, gewölbte Stirn und die zusammengewachsenen Augenbrauen; aber sie war blond, nicht schwarzhaarig, und die Schwestern in Vreta hatten sie besser gefüttert als Ulf und Margareta es bei Gunnar getan hatten, deshalb war Märta rundlich, weiß und rot.

      – Sie wird einmal hübsch, sagte Ingrid und strich dem Kind über das Haar, – wir begnügen uns gern damit, Gott die O-beinigen und Tauben zu geben, aber auch die hübschen, jungen Mädchen können Gott dienen, vielleicht sogar mit größerer Freude als die mißgestalteten!

      Jofrid erstarrte: Sie hatte sich gefragt, was Ingrid bewogen haben könnte, das Treffen mit ihren eigenen Kindern aufzuschieben und ihr statt dessen das kleine Mädchen zu zeigen. Märta hatte wenige nahe Verwandte, und wenn Ingrid ein besiegeltes Dokument vorzeigen konnte, aus dem der Wunsch hervorging, daß das Mädchen Nonne in Vreta werden sollte, würden die anderen, die die Verantwortung für ihr weiteres Schicksal hatten, vermutlich mit den Schultern zucken und es gut sein lassen.

      Auf dem Weg zurück zu Ingrids Haus wandte sie sich um und sah zu ihrer Überraschung, daß Märta einen entlaubten Stock in die Vogelkäfige steckte und nach den Tauben stach, die in den Weidenkäfigen herumflatterten, schreiend vor Angst.

      Man wurde gut bewirtet in Vreta: süßer, klarer Wein aus Poitou, Lachs im Brotteig, Forellenpastete und seltene Früchte warteten auf sie, als habe sie während des Trubels der Erntearbeit nur den Hof verlassen, um verschwenderisch zu essen. Sie konnte sehen, daß es Ingrid ärgerte, daß sie so wenig aß. Ihr Magen zog sich zusammen und sandte einen dünnen, bitteren Beigeschmack von Lachs und Wein in Rachen und Mund hinauf. Nun hatte sie jahrelang diesem Augenblick entgegengefiebert, wechselweise voller Hoffnung und Mißtrauen. Sie hatte an ihre Kinder gedacht, bis sie sich völlig in der Sehnsucht verfangen hatte, und dennoch war es so einfach: zwei Kinder, die gewachsen waren. Drei, vier, fünf Jahre bedeuteten später im Leben nicht viel. Aber drei Jahre veränderten ein Kind und veränderten dessen Sicht von der Welt. Jetzt, wo sie ihnen endlich von Angesicht zu Angesicht gegenüberstand, traf es sie wie ein unersetzlicher Verlust: vier Jahre des Lebens ihrer Kinder hatte sie verloren.

      Lucia, die Ingrid den Haushalt führte, brachte Bengt herein. Ihn hatten sie wie einen erwachsenen Mann gekleidet, in knöchellangem Gewand, mit engen Strümpfen, kleinen Schnabelschuhen an den Füßen, einem breiten Ledergürtel um die Taille, so daß man sehen konnte, wie schlank er war. Das Haar wuchs hinten lang herunter, war aber über den scharfen Augenbrauen und an den Ohren gerade abgeschnitten, so daß das Gesicht gedrängt und schmal wirkte. Das dichte, eichhörnchenrote Haar erinnerte

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