Schloss Frydenholm. Hans Scherfig

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Schloss Frydenholm - Hans Scherfig

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war kaum zu glauben, daß das dieselbe Johanne sein sollte, die in Gärtner Holms kleinem Laden gestanden und Kränze und Grabkreuze geschmückt, Blumenkohl in Kästen gepackt und Mohrrüben abgewogen hatte. Sie verstand es sehr geschickt, Kränze zu binden und Georginen auf Stahldraht zu ziehen. Damals mußte sie auch ab und zu mit einem Spankorb in den Wald gehen und Moos für die Grabkränze sammeln; der fromme Holm und seine Frau konnten ja nicht wissen, daß sie sich dort mit Oscar traf. Es geschah an einem Sommerabend am Waldrand, wo weiches Gras, gelbes Geißblatt und niedriges Farnkraut wuchsen. Und nun lag ein kleiner dicker Junge im Kinderwagen, der zufrieden und lebenstüchtig aussah. Er hieß Willy.

      Oscar Poulsen war kein Hiesiger. Er war aus einer fremden Gegend des Landes zur Frydenholmer Molkerei gekommen, sprach anders und schneller, als man es hier gewohnt war, und liebte schwierige Fremdwörter. Dazu war er rothaarig, nach Meinung vieler ein Zeichen von Wildheit und Unzuverlässigkeit. Trotz seiner jungen Jahre hatte er eine Vergangenheit: Er war vorbestraft. Man wußte, daß er im Gefängnis gesessen hatte, weil er als Freiwilliger in Spanien gegen General Franco gekämpft hatte, obwohl das verboten war; Justizminister Jeronimus ging mit großer Strenge gegen die überlebenden Gesetzesbrecher vor und ließ die Heimkehrenden an der Grenze verhaften. So einer war Oscar Poulsen, und er schämte sich nicht einmal seiner Strafe. Er war halsstarrig und extrem in der Politik wie Martin Olsen, dabei wohl noch nicht einmal wahlberechtigt. Er konnte kaum älter sein als Johanne. Kinder waren sie.

      Sie bewohnten zwei Zimmer in dem kleinen gelben Haus, das zur Molkerei gehörte, in der Oscar arbeitete. In dem anderen Teil des Hauses hatte die Gemeinde eine obdachlose Familie mit vielen Kindern einquartiert; recht unordentliche Leute, der Mann war Invalide, und die Frau hatte schlechte Nerven. Es waren nicht die Nachbarn, dieman sich wünschte. Sie gehörten zu der Sorte, die nach Niels Madsens Ansicht nicht wert waren, am Leben erhalten zu werden.

      Auf der Türschwelle saß eine kleine rotznasige Göre, aß Erde und spielte mit einem unglücklichen Regenwurm. Sie paßte auf ein noch kleineres Kind auf, das in einem Wrack von Kinderwagen lag und strampelte. Beide waren schwarzhaarig wie Zigeuner und hatten große, kluge Augen; sie brauchten wohl auch Klugheit, um überleben zu können. In diesem Teil des Hauses fehlten immer Scheiben, und was nützte es, daß Oscar das ganze Haus zu Pfingsten getüncht hatte: Die eine Hälfte sah jetzt schon wieder wie eine Ruine aus. Vielleicht knabberten die Kinder gelegentlich die Wände ab. Die Katze putzte sich in der Sonne. Sie war sauberer als die Menschenkinder, und sie war wohl auch gesättigt von den Mäusen und der Milch aus der Molkerei. Sie entbehrte nichts und hatte es nicht nötig, das Haus und Erde zu fressen. Aus dem Fenster dröhnte das Radio in voller Lautstärke. Es spielte den ganzen Tag und schien das einzige Vergnügen des invaliden Mannes zu sein.

      Der väterliche Ministerpräsident des Landes hielt mit seiner tiefen, ruhigen Stimme eine Rundfunkansprache. Er wolle es keineswegs versäumen, darauf aufmerksam zu machen, daß draußen in der Welt ernste Dinge geschähen. Kriegshandlungen fänden statt, und Grenzen würden überschritten, und man könne jetzt noch nicht überschauen, wie sich alles entwickeln würde. Man müsse leider der Tatsache ins Auge sehen, daß die Ereignisse der letzten Jahre diesen Krieg herbeigeführt hätten, von dem man viele Jahre lang nur respektlos geredet habe. Es wäre viel besser gewesen, wenn man das, was nun zum Kriege geführt habe, rechtzeitig durch friedliche Verhandlungen geregelt hätte. Wahrscheinlich hätten internationale Verhandlungen – vielleicht auch der Spruch eines internationalen Schiedsgerichts – eine für beide kriegführenden Seiten zufriedenstellende Lösung der verschiedenen Probleme ergeben, wodurch der Krieg wahrscheinlich hätte vermieden und das damit verbundene Unheil verhindert werden können. Aber das sei die Politik der Großmächte, in die man sich nicht einmischen dürfe. Den Neutralen seien bereits große Verluste und harte Leiden zugefügt worden, vor allem in der Seefahrt, und es gebe keine Anzeichen dafür, daß eine Besserung bevorstehe. Doch zu den Verträgen, die mit Dänemark abgeschlossen worden seien, solle man Vertrauen haben . . .

      8

      Der Krieg war allmählich gekommen. Die Vorausschauenden hatten genügend Zeit gehabt, sich vorzubereiten. Alle, die das Geld dazu besaßen, hatten sich Vorräte angelegt. Der Kaufmann machte unerhörte Geschäfte mit Konserven, und der Kohlenhändler füllte die Keller der Vorausschauenden. Die Bauern lieferten ganze Schweinehälften nach Kopenhagen, wo sie bald darauf in den Pökelfässern glukkerten.

      Wie die klugen Jungfrauen im Gleichnis war auch Pastor Nørregaard-Olsen um Öl für die Lampe besorgt, und für einen Kopfarbeiter, der an langen Abenden Wörter zu anfeuernden Sätzen zusammenfügt, ist Kaffee der Brennstoff, der die Lampe des Geistes am Leuchten erhält. Ein ganzer Sack ungebrannter Kaffeebohnen stand in der Bodenkammer des Pfarrhauses, das würde wohl für einen Krieg ausreichen. Die altmodische Kaffeemühle kam wieder zu Ehren. „Gibt es etwas Gemütlicheres als das Mahlen der Kaffeemühle?“ sagte Pastor Nørregaard-Olsen. „Das klingt wie das Spinnrad zu Hause in Mutters Stube.“

      Der Sommer war lang und warm gewesen. Aber nach Weihnachten kam der Frost; er brachte Kältegrade, die das Kreisblatt seit Menschengedenken nicht hatte melden können. In der Ziegelei mußte die Arbeit eingestellt, in den Mooren konnte der Torf nicht gestochen werden. Und schon vor dem Frost hatte es viele Arbeitslose gegeben.

      Vor Rasmus Larsens Villa standen sie nun und warteten darauf, hereingelassen und kontrolliert zu werden. Schließlich konnte man nicht verlangen, daß diese Leute alle zugleich in Rasmus’ Stuben Platz fänden. Frau Larsens lakkierte Fußböden würden bald schlimm aussehen, wenn alle Arbeitslosen auf einmal hereintrampelten. Der Weg zu Rasmus Larsens Büro war mit leeren Säcken ausgelegt.

      Dort saß er hinter seinem Schreibtisch mit Stempeln und Telefon und Tintenlöscher und Kartei. Er hatte es in der Welt zu etwas gebracht. Er war grau und füllig geworden. In alten Zeiten, da er als eifriger Sozialist den Säbel zerbrechen, die Krone stürzen und die Kirche entmachten wollte, hatte man ihn den Roten Ras genannt. Das war nun vergessen. Jetzt nannte man ihn nur Rasmus Vorsitzender, denn er war der Vorsitzende der Gewerkschaft und der Vorsitzende des örtlichen Straßenwesens. Vielleicht bekam er bald noch einige Vorsitzendenposten dazu. Die Hörervereinigung interessierte ihn seit langem und die Arbeiterkultur. Vor kurzem war er Mitglied eines Schmetterlingsvereins geworden, und nun interessierte er sich auch für Nachtschwärmer und Larven. „Ein gewaltiger Kaiser bist du geworden, Rasmus! Und paß bloß auf deine Fußböden auf!“

      Die Leute froren in ihren Häusern. In der Stube der alten Emma bildete sich Eis auf der braunen Tapete. Emma saß da, hatte sich ihr gutes blaues Federbett um die Beine gelegt und hörte im Radio von Verkehrsschwierigkeiten. Manchmal las sie in ihrer Bibel, manchmal in der „Arbeiterzeitung“, die Martin Olsen ihr geliehen hatte. Aber mit dem Sehen haperte es etwas, und das Petroleum für die Lampe durfte man nur noch sparsam verbrauchen, da es inzwischen rationiert war. Auch der Kaffee war rationiert, der gute Kaffee, der wichtiger war als das Essen.

      Die Lebensmittelpreise stiegen. Und an der Börse stiegen die Kurse. Um zwanzig, dreißig, vierzig Prozent stiegen die Aktien. Die Regierung beschloß Maßnahmen, die – unter Berücksichtigung aller berechtigten Interessen in Stadt und Land – als vernünftig und notwendig angesehen werden mußten. Um Spekulation und Preiswucher zu verhindern, wurden ein Ausschuß der Schiffsreeder und ein ökonomischer Rat mit vierzig Mitgliedern eingesetzt; zwei davon waren Arbeiter.

      Es wurden Verordnungen und Bekanntmachungen über die Lage und das Benehmen der Bürger erlassen. Die Redaktion des Kreisblattes erhielt ein vertrauliches Rundschreiben des Ministerrates, betreffend die Rücksichten, zu denen die neutrale Stellung des Landes die Presse verpflichtete. Das Kreisblatt dürfe keine Meinungen oder Vorschläge veröffentlichen, die mit Dänemarks Neutralität unvereinbar und somit geeignet wären, den Staat zu verdächtigen und ihn in Gefahr zu bringen. Die Zeitung dürfe auch nicht durch ihre typographische Gestaltung zufälligen Meldungen eine übertriebene Bedeutung beilegen oder Partei für irgendeine Seite ergreifen. Auch bei den in Schaukästen ausgehängten Zeitungen müsse man Vorsicht

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