Schloss Frydenholm. Hans Scherfig
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„Ein wunderbares Tier!“ sagte er zu Graf Preben. „Ein vornehmes, würdiges Geschöpf! Ich habe Hähne immer geliebt. Meine Freunde behaupten, ich sähe einem Hahn sehr ähnlich und entspräche damit meinem Namen. Das schmeichelt mir.“
„Da ist was Wahres dran“, antwortete der Graf und betrachtete seinen Gast. „Mir gefallen die Truthähne am besten. Sie müssen sich meine Truthähne ansehen, die sind großartig. Man braucht nur zu pfeifen, dann geraten sie in Ekstase.“
„In Deutschland hatte ich einen Hühnerhof“, erzählte von Hahn. „Und einmal hatte ich einen besonders schönen Hahn, einen englischen Dorking. Die große Rasse, wissen Sie. Er konnte Bier trinken. Er legte den Kopf dabei zurück und genoß es richtig. Manchmal wurde er betrunken, dann konnte er nicht mehr geradegehen. Das war ein wundervoller Anblick. Er hieß Helmuth. Ich sage Ihnen, ich trauerte richtig, als er starb.“
„Wurde er geschlachtet?“
„Nein, wo denken Sie hin! Helmuth schlachten! O nein, er starb durch einen traurigen Unglücksfall. Er wurde überfahren. Er war im Alter ein wenig schwerhörig geworden, vielleicht war er auch nicht ganz nüchtern und deshalb ein wenig unachtsam. Er wog vierzehn Pfund.“
„Donnerwetter“, sagte der Graf. „Vierzehn Pfund, das ist ja soviel wie eine fette Gans!“
„Ja, er wog genau sechs Kilo und achthundert Gramm. Wir haben ihn gewogen, bevor er begraben wurde. Die Dorkings sind eine schwere Rasse. Man sieht sie selten in Deutschland. Sie legen nicht gut, sind aber ausgezeichnete Fleischhühner.“
Herr von Hahn sprach einen leicht ausländischen Akzent. Er hatte sich lange in Deutschland aufgehalten. In Dänemark lebte er eigentlich nur in Kriegszeiten. Er war geborener Däne und hatte seine dänische Staatsangehörigkeit behalten. Aber schon in der Schulzeit auf einem deutschen Jesuitenkollegium bei Kopenhagen hatte er deutsches Wesen verstehen- und liebengelernt.
Da die Mehrzahl seiner Landsleute nicht die gleiche Liebe und das gleiche Verständnis zeigten, nahm er es 1914 auf sich, sie aufzuklären und ihre Herzen für das Kaiserreich zu gewinnen. Auf Kosten der deutschen Gesandtschaft übersetzte er die sogenannten Weißbücher, die unter anderem von den Mißhandlungen wehrloser deutscher Soldaten durch die belgische Bevölkerung erzählten. Er gründete einen Verlag für deutsche Propagandaschriften und gab ein Dutzend Zeitschriften heraus. Als Alleinvertreter der Deutschen Druckpapier AG hatte er während des ganzen Krieges das Monopol für die Einfuhr und den Weiterverkauf von deutschem Papier in Dänemark. So konnte er zu einem gewissen Grad bestimmen, was auf diesem Papier gedruckt wurde.
Die damalige Tätigkeit François von Hahns war vielseitig, sowohl in der Öffentlichkeit als auch hinter den Kulissen. Er hatte Verbindung zu den unterschiedlichsten Persönlichkeiten und Unternehmen. Als Verleger und Redakteur auf deutsche Rechnung konnte er den willigen Autoren bis dahin unerreichte Honorare zahlen und wurde dafür unter den Literaten berühmt. Er lernte auch Minister und Diplomaten und Finanzleute kennen. Die Südasiatische Handelskompanie und die Nordeuropäische Telegrafengesellschaft unterstützten ihn. Auch mit C. C. Skjern-Svendsen, der schon während des Krieges einer der Großen der Nation geworden war, kam Herr von Hahn in Verbindung. Er rief Erinnerungen wach, jetzt in dem Schloß zu verkehren, wo Skjern-Svendsen ermordet worden war.
Herr von Hahn hatte viele Erinnerungen; ein langes Leben als politischer Agent brachte schon manches Erinnernswertes. Er hatte auch seine Geheimnisse. Wenn er über sein Leben sprach, erzählte er nicht einfach drauflos. In seinem Beruf waren ihm Verschwiegenheit und Diskretion Gewohnheit geworden. Da gab es ein delikates Geschäft, das er für Lloyd George in Irland unter schwierigen Bedingungen zuwege gebracht, da gab es vertrauliche Verhandlungen, die er für den polnischen Nationalisten Korfanty geführt hatte. Da war auch die Verbindung mit General Freiherr von Lüttwitz, der in Berlin gegen die Weimarer Republik geputscht hatte. Der dänische Schriftsteller François von Hahn war es, der in den bewegten Tagen des KappPutsches als Bevollmächtigter und Berater des Generals fungierte. Ja, er hatte viele merkwürdige Erinnerungen.
Nach der Niederlage im Jahre 1918 hatte Herr von Hahn eine Heimat in Deutschland gefunden, in dem tapferen, mißhandelten Deutschland, wie er sagte. Jetzt war wieder Krieg. Und da kehrte Herr von Hahn in sein dänisches Vaterland zurück. Er kam mit Grüßen und Empfehlungen an den Reichspolizeichef Rane von gemeinsamen Freunden im nationalsozialistischen Deutschland. Und der Polizeichef fand, daß François von Hahn ein Mann sei, den die dänische Polizei schwerlich entbehren könne.
Nun ging es ja nicht, daß eine Persönlichkeit mit von Hahns Einsicht und Fähigkeiten eine untergeordnete Stellung bekleidete. Seltene Führereigenschaften durften nicht für geringfügige Routinearbeit vergeudet werden. Eben aus dem Dritten Reich angekommen, wurde von Hahn zum Chef der besonderen Zivilorganisation in der neuen dänischen Sicherheitspolizei ernannt. Reichspolizeichef Rane wünschte, daß Nachrichten von militärischem und politischem Interesse durch von Hahns geübte Hände gingen.
Polizeianwalt Drössaa, der die Sipo leitete und in Deutschland Polizeiwissenschaften studiert hatte, hegte anfangs zwar einige Bedenken wegen dieser Ernennung, doch Polizeichef Rane beruhigte ihn. Er kenne von Hahn gut, sie seien befreundet, man könne in jeder Beziehung volles Vertrauen zu ihm haben. Auch Justizminister Jeronimus, dessen ruhige Urteilskraft und unerschütterliche Rechtschaffenheit im ganzen Land bekannt waren, bürgte für François von Hahn. Weiterhin wurde bekannt, daß der Heimgekehrte mit dem väterlichen Ministerpräsidenten des Landes auf bestem Fuße stand. Da wandelte sich Polizeianwalt Drössaas Argwohn in Vertrauen. Später entwickelte sich zwischen den beiden Kollegen eine herzliche Freundschaft.
Ohne Einspruch von irgendeiner Seite wurde der heimgekehrte François von Hahn zum Chef der Zivilorganisation der dänischen Sicherheitspolizei ernannt.
In einer richtigen Geheimpolizei erfolgt eine Ernennung selbstverständlich nicht offiziell und vor aller Augen. Schläue und Erfindungsgabe müssen walten. J. E. Rane war kein gewöhnlicher Polizeibeamter. Er war ein Polizeibeamter mit Künstlerschlips. Er war ein Polizeibeamter mit welligem Haar und Erfindungsgabe.
Das geheime Hauptquartier François von Hahns lag weit entfernt vom Polizeipräsidium, und zwischen ihm und der Polizei sollten nur mündliche Vereinbarungen getroffen werden. Der geheimnisvolle Chef der Zivilorganisation und die öffentliche Polizei konnten gegebenenfalls jegliche Verbindung zueinander leugnen. Wer sollte ihre Bekanntschaft beweisen? Da aber der Chef der ZO täglich Kontakt mit dem Chef der Sipo haben und, ohne Aufmerksamkeit zu erregen, in den Peristylen des Polizeipräsidiums verkehren mußte, erhielt er formal eine zivile Anstellung als Archivar und Lehrer an der Polizeischule. Darüber hinaus wurde mit einem Unternehmer in der Stadt eine Vereinbarung getroffen, wonach der ZO-Chef bei ihm offiziell eine Stellung antrat, die es natürlich erscheinen ließ, daß er ein Büro unterhielt, viele Menschen empfing und häufig Reisen unternahm. Man kam auf den Einfall, den literaturkundigen François von Hahn zum Verlagslektor zu machen und ihn in einem gemütlichen Buchhaus in der Nähe des Runden Turmes zu etablieren.
In derselben Straße war gleich in der Nähe eine Gastwirtschaft, wo der Kollege Egon Charles Olsen verkehrte. Dort, wo man beim Bier saß, war sein Büro und sein Arbeitsplatz. Was er dort erfuhr, war zwar nicht alles wertvoll, doch die Sipo war kein Kostverächter. Was ein paar betrunkene Studenten unter strengstem Stillschweigen über kommunistische Konspiration