Schloss Frydenholm. Hans Scherfig

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Schloss Frydenholm - Hans Scherfig

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Eisen im Feuer. Er verkehrte zum Beispiel in einer Buchdruckerei in der Stengade im Nørrebro-Viertel, wo ein paar idealistische Menschen ihre Schriften über Rohkost und Esperanto und esoterische Astrologie und Sexualkosmologie drucken ließen. Man konnte dort auch zwei ewige Studenten treffen, die akademische Intelligenzblätter ultrarevolutionären Charakters herausgaben; merkwürdigerweise finanzierte ein konservativer Konsul diesen Kommunismus.

      Olsen verrichtete seine Arbeit, ohne viel Wesen davon zu machen. Er ging seine stillen Wege und beobachtete die Eisen, die er im Feuer hatte. Ihm stand nicht wie Herrn von Hahn ein blitzendes Polizeiauto zur Verfügung. Er stolzierte auch nicht mit Sporen herum und sah nicht aus wie ein Junker. Er rieb sich duftende Pomade ins Haar und trug einen bunten Schlips und zweifarbige Wildlederschuhe. Und seine Augen waren feucht und glänzten. Zwischen den beiden Kollegen bestand keine Ähnlichkeit. Aber sie dienten beide dem Staat, der Sicherheit des Staates. Und dieser Staat war so beschaffen, daß er sie beide benötigte.

      Was Olsen betraf, so hatte auch er seinerzeit den großen C. C. Skjern-Svendsen gekannt und ihm Dienste erwiesen. Er konnte auch jetzt auf Frydenholm zu tun haben, wenn der junge Graf seine Hilfe in privaten Angelegenheiten wünschte.

      10

      Selbst auf Frydenholm waren die Wasserleitungen eingefroren. Man versuchte, sie mit Lötlampen aufzutauen, um Wasser für die Badezimmer zu bekommen. Das Thermometer zeigte dreißig Grad unter Null. Seit Menschengedenken habe es nichts Ähnliches gegeben, schrieb die Kreiszeitung. Es war wie im Schwedenkrieg, als Karl Gustav über das Eis kam und die Dänen überraschte.

      Alle, die keine Wasserleitung hatten, konnten sich glücklich schätzen. Sie hatten keine Sorgen mit Badezimmern und eingefrorener Maschinerie. Aber die alte Emma mußte das Beil zu Hilfe nehmen, wenn sie ihren Latrineneimer leeren wollte. Sie schlug hart und verbissen zu, so daß ihr Splitter gefrorener Fäkalien um die Ohren flogen. Dieser ekelhafte Winter!

      In den Knechtskammern konnte man das gefrorene Arbeitszeug in eine Ecke stellen, und dort stand es auch am nächsten Morgen noch steif und aufrecht. Man legte seine dicken Fausthandschuhe um das Glas Wasser, das man sich abends warm aus der Küche holte, und trotzdem war es am Morgen bis auf den Grund gefroren. Die Kartoffeln erfroren in den Kellern und schmeckten seltsam süßlich. Das Eingemachte gefror, der Himbeersaft und das Tomatenpüree schoben die Korken aus den Flaschen und wuchsen heraus, so daß es aussah wie rotes Eis am Stiel. Auch der Torf war gefroren, er mußte am Kachelofen aufgetaut werden und verwandelte sich in schwarzen Schlamm. Ein Teil davon waren wohl auch nur viereckige Erdbrocken, die man wie Torf nach Gewicht verkauft hatte. Braunglänzender Schmierruß floß wie Glasur im Schornstein herab.

      Jetzt konnte man am Brennmaterial verdienen. In den Frydenholmer Wäldern wurde Holz geschlagen, und der Graf ließ seinen Oberförster wissen, daß die Leute kein Reisig in seinen Wäldern sammeln dürften. Auf Antrag konnte man Reisighaufen kaufen. Die Kinder und Frauen, die im Wald Zweige stahlen, wurden von den Förstern mit dem Knotenstock davongejagt In der guten alten Zeit, damals, als die Grafen mehr Macht hatten, wären die Leute wohl nicht so billig davongekommen. Vielleicht aber kehrte die Zeit der Herren wieder. Es gab Anzeichen dafür.

      Wissenschaftler sprachen im Rundfunk und teilten mit, daß die Kälte gesund sei. Noch nie sei der Gesundheitszustand im Lande so gut gewesen. Es war gesund, zu frieren. Es würde wohl auch gesund sein, zu hungern, wenn die Lebensmittel einmal knapp würden. Zuweilen war Butter gesünder als Margarine, zuweilen war es umgekehrt. Aber jetzt waren sowohl Butter als auch Margarine knapp, und deshalb war Fett überhaupt ungesund. Wozu hat man schließlich die Wissenschaft!

      Der Kaufmann wollte Tabak nur noch an die guten Kunden abgeben. Der letzte Rotwein wurde an Pastor Nørregaard-Olsen verkauft. Er war nicht gut, doch er wurde wohl besser, wenn er lag und wartete. Es war angenehm, in den Keller steigen, aufschließen und eine schöne, verstaubte Flasche holen zu können, wenn der Freund Harald Horn zu Besuch war. In diesem schrecklichen Winter kam er natürlich nicht aufs Land. Er hatte wohl auch genug mit dem nordischen Geistesleben zu tun und konnte sich nicht jederzeit Urlaub gönnen. Aber im Pfarrhof würde er stets willkommen sein. Das Gästezimmer im Giebel, mit den blaugestreiften Gardinen und den kleinen Rosen in der Tapete, stand bereit.

      In der „Danmarkstidende“ las der Pfarrer Harald Horns Artikel über den nordischen Raum und die nordischen Urquellen. Harald Horn schrieb viel und schnell, er war ein fleißiger Mann auf dem Wege zum Erfolg, zielbewußt und mit Pfadfindermut. Er hatte einst Dichter werden wollen. Das war lange her, in der Schulzeit, als man noch träumte. Er hatte das Dichten nicht erlernen können. Aber er las die Dichter und legte Prüfungen über sie ab. Die Literatur wurde sein Broterwerb, die Literatur anderer. Später auch die Politik. Als das Nordische in Mode kam. In Lübeck ging er in die Lehre, wo zur rechten Zeit eine Nordische Gesellschaft entstanden war. „Dänemark ist unser Lebensraum, und der Norden ist unser Großraum!“ schrieb Harald Horn in der „Danmarkstidende“.

      Pastor Nørregaard-Olsen bekam für seine Arbeit eine Extraration Koks bewilligt; er verdiente seinen Lebensunterhalt zu Hause, er hatte eine Werkstatt, sein Arbeitszimmer, wo er die Sonntagspredigten verfaßte und sie danach zu Rundfunkvorträgen umformte. Auch die Redaktion des kleinen Kirchenblattes befand sich dort, und das berechtigte ebenfalls zum Bezug zusätzlichen Heizmaterials. Schließlich gehörte noch ein kleines Wäldchen zum Pfarrhof, wo Bäume gefällt werden konnten. So war der Pastor in der Lage, sogar ein wenig Brennholz an Bedürftige zu verkaufen. Er war im Handel nicht ganz unbewandert. Da war zum Beispiel die Versorgung der Jugendabteilung mit Uniformen; der Pastor beschaffte die JA-Blusen aus dem Sportgeschäft des Schwagers in Kopenhagen. Und da waren Eier und Kücken, seit zum Pfarrhaus ein Hühnerhof gehörte; den hatte er eingerichtet, als der Krieg drohte und man damit rechnen mußte, daß es eine Hungersnot gab.

      Es gab keine Hungersnot. Der Kälte und den Kriegsberichten zum Trotz gediehen Jens Olsens Schweine wunderbar. Jens ging in den Schweinestall, betrachtete die Tiere, kitzelte die große Sau an den Zitzen und sagte „Vaterns Beste“ zu ihr. Er selbst wurde mehr und mehr einem Schwein ähnlich, er konnte seine dicke Nase, die in dem fetten Gesicht wie ein Rüssel wirkte, bewegen, und er hatte es sich angewöhnt zu grunzen, wenn er in guter Stimmung war. Weshalb auch sollte er sich nicht freuen? Alles glückte ihm. Die Schweine nahmen gut zu. Auch seine beiden Töchter nahmen zu. Sie wurden immer dicker und hatten jederzeit satt zu essen. Sie fühlten sich hart wie Marmor an, sie traten ihre Schuhe breit, die Arme standen ihnen seitwärts ab, und sie konnten sie nicht an den Körper legen. Ihre Mutter war auch so unmanierlich dick gewesen, ein herrliches Weib. Nun lag sie auf dem Friedhof, und ihr Grab war für den Winter mit Tannenzweigen zugedeckt; sie sollte es gemütlich haben.

      Jens Olsen besaß das kleine Haus am Löschteich, in dem Martin Olsen wohnte, und er war kein harter Hauswirt. Er war ein gutmütiger Mann. Er und seine dicken Töchter waren stets in eine Duftwolke von Soße und Braten und fruchtbarem Dünger gehüllt, sie waren satte und friedfertige Menschen und mischten sich nicht in Politik und Streitereien.

      Es gab keine Hungersnot, denn man zählte im Lande mehr Schweine als Menschen. Man konnte sogar noch einen Teil des Auslandes ernähren. Den ganzen Tag lang wurden in den großen Fabriken die Schweine am laufenden Band geschlachtet, und Schiffe und Güterzüge transportierten die toten Körper hinaus in die Welt. Die feinen BaconSchweine gingen nach England, und die riesigen, fetten, gemästeten Schweine gingen nach Deutschland, wo man nicht so verfeinert war.

      Im Radio hörte man, daß deutsche U-Boote Schiffe torpedierten. Das waren alltägliche Dinge, und wer niemanden an Bord kannte, mochte wohl nicht allzuviel dabei empfinden. Der Rundfunk teilte es in einer neutralen und rücksichtsvollen Art mit, um die Deutschen nicht zu beleidigen. Dänemark war neutral, man mußte sich jeder Parteinahme enthalten. Man sprach nicht von Torpedierungen, sondern von Kriegsverlusten, das klang unparteiischer. Zwanzig Mann umgekommen, vierzehn vermißt, sagte der Sprecher. Dann verlas er die lange Liste der Namen. War er nicht bald fertig? Waren es noch mehr?

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