Schloss Frydenholm. Hans Scherfig

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Schloss Frydenholm - Hans Scherfig

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hegte Sympathie für ein kleines, tapferes Volk, das um seine Freiheit kämpfte.

      Aber Martin Olsen war sich nicht so sicher, daß es dort wirklich um die Freiheit ging. Etwas anderes war es damals, als die finnischen Arbeiter gegen Mannerheims Weißgardisten kämpften. Aber jetzt? War die finnische Oberklasse nicht eng mit dem Nazismus verbündet? War es nicht so, daß die sogenannte Mannerheim-Linie sehr nahe bei Leningrad verlief? Lebensgefährlich nahe, wenn man damit rechnen mußte, daß Finnland in einem Krieg als Sprungbrett benutzt werden sollte? Man hatte Verhandlungen über eine friedliche Regelung angeboten, aber die finnische Oberklasse hatte die Provokation den Verhandlungen vorgezogen.

      Der Doktor schnaubte: „Hören Sie auf, Mann! Das ist ja zu idiotisch! Glauben Sie etwa selbst daran, daß Finnland den zweihundert Millionen Russen gefährlich werden könnte? Glauben Sie, das kleine Finnland könnte das große Asien erobern? Daß Sie es überhaupt fertigbringen, so etwas zu sagen! Das ist wirklich zu schäbig!“

      Vielleicht nicht Finnland allein, aber die Mächte, die hinter Finnland stehen. War die Mannerheim-Linie nicht ein deutsches Unternehmen?

      „Ja aber, zum Teufel, Mann. Sie sind doch mit den Deutschen befreundet! Sie haben doch einen Pakt mit Hitler geschlossen! Sie dürften doch von Ihren Alliierten nichts zu befürchten haben!“

      So war man wieder in der ewigen Diskussion. Nein, die Nazis sind keine Freunde der Alliierten! Es waren die Regierungen Chamberlains und Daladiers, die Hitler bewaffnet und ihm erlaubt hatten, ein Land nach dem anderen zu schlucken. Hatte die Sowjetunion nicht jahrelang versucht, das faschistische Deutschland zu isolieren? Hatte sie nicht angeboten, der Tschechoslowakei zu helfen, wenn auch die anderen helfen würden? Hatte Stalin nicht im vergangenen Jahr vorgeschlagen, ein Dreimächtebündnis mit England und Frankreich abzuschließen? Und war nicht jedes Angebot abgelehnt worden?

      Ach, immer dieses Gerede! Immer diese politische Kannegießerei! Konnte man denn nicht mit eigenen Augen Stalin und Ribbentrop zusammen auf einem Foto sehen?

      Na und? Hatte man nicht schon früher Bilder von Chamberlain und Hitler gesehen? Hatte man nicht München erlebt? Den Verrat an Spanien? Eine Kette von Verrat und Wortbruch!

      „Ja“, sagte der Doktor. „Die Welt ist voller Lumperei. Aber daß Sie sich daran beteiligen wollen!“

      Martin Olsen meinte nicht, an irgend etwas in Finnland beteiligt zu sein. Er war ein dänischer Arbeiter. Er fühlte sich mit den Arbeitern in der ganzen Welt solidarisch, aber nicht mit der finnischen Oberklasse. Es gab Reiche und Arme auf Erden. Es gab eine Oberklasse und eine Unterklasse. Es gab die wenigen, die die vielen ausbeuteten. Es gab Leute wie Skjern-Svendsen und den Grafen von Frydenholm, und es gab die vielen Menschen, die für sie arbeiteten und sie ernährten. Es gab die Schmarotzer, die von der Arbeit anderer lebten, und es gab die Arbeiter, die die Werte schufen. Das wußte Martin Olsen, und dazu konnte er Stellung nehmen. Über die Curzonlinie in Polen, über die strategischen Probleme in Finnland und über die Verhältnisse in Bessarabien konnte er nicht viel sagen. Aber es gab zwei Klassen von Menschen, in seinem eigenen Land und auch in anderen Ländern: die Kapitalisten und die Arbeiter. Er gehörte zur Arbeiterklasse, und was auch im Ausland geschehen mochte, er würde vom Standpunkt seiner Klasse aus dazu Stellung nehmen.

      „Oh, diese Phrasen!“ rief der Doktor aus. „Diese ewigen, uralten Klischees! Martin Olsen hat seine Lektion gut gelernt! Oberklasse und Unterklasse! Kapitalisten und Proletarier! Ausbeuter und Ausgebeutete! Man wirft eine Münze in den Automaten, und schon spielt das Grammophon: Es gibt zwei Klassen! Es gibt zwei Klassen! Es gibt zwei Klassen!“ Pfui, er hätte ausspucken mögen, aber das wäre unhygienisch gewesen.

      Und Margrete, die bemerkte, daß Martin auch heftig wurde, fragte rasch etwas über die Masern. Ob es nicht ein Serum gäbe wie gegen die Pocken oder so wie damals, als die Kinder den Keuchhusten hatten.

      „Nein“, sagte der Doktor.

      Margrete glaubte, etwas davon gehört zu haben ...

      „Ja, es gibt schon ein Serum, das aus dem Blut von Patienten gewonnen wird, die die Krankheit gerade überstanden haben; aber es ist teuer, und es gibt nur sehr wenig davon. Es darf nur den Kindern gegeben werden, die an Tuberkulose leiden oder an etwas anderem, das es besonders gefährlich für sie macht, an Masern zu erkranken. Aber Ihre Kinder sind ja gesund und stark, da ist keine Gefahr. Es muß nur überstanden werden. Behalten Sie Rosa aber noch einige Tage im Bett, nachdem sie fieberfrei ist – am besten fünf, sechs Tage, wenn Sie die Kleine dazu bringen können!“

      Und als der Doktor ging, sagte er: „Vergessen Sie nicht, rotes Papier um die Lampe zu wickeln und die Fenster zuzuziehen. Sie müssen auf die Augen des Mädchens achtgeben. Es reicht eben nicht, daß Sie selbst immer eine rote Brille tragen!“

      Dann fuhr er weiter zur nächsten Patientin. Draußen am Moor lebte eine Frau, die entsetzlich an Ausfluß litt.

      Der gelbe Linienbus hatte am Dorfkrug, der historisch war wie viele andere, Endstation. Dort ruhte er sich eine Weile aus, der Chauffeur aß im Krug seine belegten Brote, trank dazu eine Tasse Kaffee-Ersatz und las in der Kreiszeitung von den neuesten Unglücksfällen.

      Und Olsen ging mit neuem Mantel und Pelzmütze die Allee nach Frydenholm hinauf.

      12

      Es gibt Menschen, die „bessere Leute“ genannt werden, und es gibt Kreise, die „bessere Kreise“ genannt werden. Andere Kreise sind nicht so gut, andere Menschen sind einfach und alltäglich, sind Krankenkassenmitglieder, sind „der gemeine Mann“.

      Olsen verkehrte in den besseren Kreisen, ja, er verkehrte in den allerbesten Kreisen. Die Gesellschaft brauchte Olsens Dienste. Der Staat stützte sich auf ihn. So weit war es mit dem Staat gekommen, daß er Egon Charles Olsens Unterstützung brauchte. Es hatte eine Zeit gegeben, da Olsen vor der Polizei Angst hatte und jedesmal feuchte Hände bekam, wenn er auf der Straße an einem Polizisten vorbei mußte. Nun ging er in den Säulenhallen und Geheimkabinetten des Polizeipräsidiums ein und aus wie ein Sohn des Hauses. Der Polizeichef drückte ihm die Hand. Olsen bekam keine feuchten Hände mehr beim Anblick eines Polizisten. Reichspolizeichef Rane, der Beamte mit dem Künstlerschlips, war ihm eher ein Freund als ein Vorgesetzter.

      Wenn Olsen nun nach Frydenholm kam, dann nicht, um mit Graf Preben über Staatsangelegenheiten zu sprechen. Es handelte sich um eine kleine private Affäre, eine Bagatelle im Gesellschaftsleben. Da war eine Dame des besseren Bürgertums, die glaubte, vom Grafen vergewaltigt worden zu sein, nachdem er sie in seiner Wohnung in der Hauptstadt betrunken gemacht hatte. Nun versuchte sie, ihn ein wenig zu erpressen.

      So ging es in den besseren Kreisen zu. Das war keine aufsehenerregende Geschichte, aber dem Grafen war daran gelegen, seine Betriebskosten so niedrig wie möglich zu halten. Sicherlich könnte man über die Dame, die er nur flüchtig kannte, etwas in Erfahrung bringen, und es wäre wichtig, einen Zeugen zu haben. Es war Olsens Beruf, zu bezeugen und Auskünfte über Leute zu beschaffen. Er belieferte die höchsten Behörden. Der Reichspolizeichef selbst konnte ihn empfehlen.

      Olsen wußte gut auf Frydenholm Bescheid. Er war seinerzeit Diener im Schloß gewesen und kannte einen Teil seiner Geheimnisse. Später hatte er ein Stück Detektivarbeit für C. C. Skjern-Svendsen geleistet, als der Gutsbesitzer seine Frau für geisteskrank erklärt haben wollte. Nun war es Graf Preben, der den Fachmann herbeirief, und der bleiche Diener Lukas ließ den Gast durch die Hintertür ein, wie er es so oft getan hatte, ohne sich zu wundern und ohne zu fragen. „Guten Tag“, sagte er nur. „Na, kommst du auch mal wieder?“

      „Ja“, sagte Olsen. „Da bin ich wieder!“

      Der

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