Schloss Frydenholm. Hans Scherfig
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„Morgen, Jungs! Ihr seid in Ordnung! Ihr müßt jetzt arbeiten, und ich gehe nach Hause schlafen, haha!“
Ein Offizier stieß den gemütlichen cand. polit. unhöflich an. „Gehen Sie weiter! Schnell!“
Ja, aber . . . Was . . . Das waren ja . . . Sie hatten ja auch andere Uniformen! Das waren deutsche Soldaten! Flemming Praahs stand mit offenem Mund und sah ausländische Soldaten durch die friedliche Amaliegade marschieren. Wie im Traum sah er das. Stahlhelme, Stiefel, graugrüne Uniformen. Eins, zwei! Eins, zwei!
Was tut man, wenn man eines frühen Morgens fremde Truppen durch die Straßen marschieren sieht? Was tut ein cand. polit.? Was tut ein Bürger unter solchen Umständen? Er ruft die Polizei. Er meldet es den Behörden. Soviel Vertrauen hat ein Bürger in die Polizei. Flemming Praahs erinnerte sich eines Schildes, das er so oft gesehen und über das er sich immer amüsiert hatte – ein Schild an einer Tür des roten Ministerialgebäudes auf Slotsholm: „Nachtklingel des Generalstabs“ stand darauf. Dort mußte man klingeln, wenn der Feind zu nächtlicher Stunde kam.
Er blickte sich um, suchte die Polizei. Er lief. So ist es, wenn man im Traume läuft, dachte er. In der Bredgade sah er zwei Polizisten. „Hallo!“ rief er. „Hallo! Dort sind Deutsche! Deutsche sind in der Stadt!“
„Wirklich?“ fragte der eine Polizist. „Ist schon in Ordnung. Gehen Sie nur nach Hause!“
„Dort sind Soldaten!“ rief Praahs. „Sie marschieren mit Stahlhelmen durch die Straßen!“
„Jaja, ist ja gut. Sehen Sie nun zu, daß Sie nach Hause ins Bett kommen!“
„So wachen Sie doch auf, Mensch!“ schrie Praahs und packte den Polizisten an der Uniform. „Das ist Ernst! Hören Sie, die Deutschen sind in der Stadt! Durch die Amaliegade marschieren deutsche Soldaten! So tun Sie doch was, zum Teufel noch mal!“
Er hatte Tränen in den Augen.
„Wenn Sie sich nicht auf der Stelle ruhig nach Hause begeben“, sagte der eine Polizist, „dann tun wir etwas. Dann nehmen wir Sie nämlich fest!“
„Einen Augenblick – wie heißen Sie?“ fragte der andere Polizist unheilverkündend und traf Anstalten, sein Notizbuch herauszuholen.
„Mein Name ist cand. polit. Flemming Praahs, Sekretär im Sozialministerium. Ich habe nichts dagegen, festgenommen zu werden! Überhaupt nichts! Aber beeilen Sie sich!“
„Sie riechen nach Alkohol, Herr Praahs. Sie sollten lieber nach Hause gehen und sich zu Bett legen“, meinte der Polizist versöhnlich.
„Nein!“ rief Praahs. „Nein! In der Stadt geschehen wahnwitzige und unglaubliche Dinge, und Sie stehen hier und glotzen, wollen nichts unternehmen und sagen, die Leute sollen sich schlafen legen!“
„Na, dann kommen Sie mit!“
Die Polizisten setzten sich langsam mit cand. polit. Praahs in Bewegung. Viel zu langsam ging es zum Polizeirevier in der Store Kongensgade. „Beeilen Sie sich doch!“ trieb Praahs seine Bewacher an.
„Wir schaffen es schon.“
14
Flemming Praahs brauchte auf dem Polizeirevier Store Kongensgade keine Leiden zu erdulden. Er wurde weder geschlagen noch getreten. Niemand hatte Zeit, sich mit ihm zu beschäftigen.
Das Polizeirevier hatte erfahren, daß Dänemark erobert worden war, als ein an der Langelinie patrouillierender Polizeibeamter Alarm schlug. Vom Kastellwall aus hatte jemand geschossen. Ein Auto war getroffen worden. Der Polizist bat um Verstärkung.
Eine Gruppe Polizisten, ausgerüstet mit Gummiknüppel und Revolver, wurde in Marsch gesetzt. Sie bildeten eine Kette und rückten vorsichtig gegen das Kastell vor. An der Esplanade trafen sie auf deutsche Soldaten. Die riefen: „Halt!“ und nahmen ihnen die Revolver ab.
Nein, keiner hatte Zeit, sich mit Praahs zu beschäftigen. Er durfte nach Haus zu seinen Eltern und ihnen erzählen, was geschehen war.
Die Sonne ging auf. Es wurde ein klarer und schöner Tag. In den frühen Morgenstunden kreisten schwarze, deutsche Bombenflugzeuge niedrig über der Stadt. Hellgrüne Zettel flatterten auf Dächer, Straßen und Parks hinab. Sie lagen auf den Bürgersteigen und hingen in den kahlen Bäumen. Auch auf dem Eis des Sortedamsees lagen Zettel.
Praahs hob einen grünen Zettel auf und las: „Aufruf! An Dänemarks Soldaten und Volk!“ Die Unterschrift lautete: „Der deutsche Befehlshaber, Kaupisch.“ Auf dem Zettel stand in schlechtem Dänisch, daß Deutschland mit seinen Machtmitteln den Schutz der Neutralität der Königreiche Dänemark und Norwegen übernommen habe. Nøjtralitæt 2 stand dort. Das alles sei nur geschehen, um die Freiheit und Unabhängigkeit des Volkes zu sichern. Für die Sicherung des Landes gegen englische Übergriffe würden von nun an das deutsche Heer und die deutsche Flotte sorgen. Jeder Widerstand sei nutzlos und würde mit allen Machtmitteln gebrochen werden. Die militärischen und kommunalen Dienststellen wurden aufgefordert, mit den deutschen Kommandanten Verbindung aufzunehmen.
So wurde das Volk über die eingetretenen Veränderungen unterrichtet.
Der junge Flemming Praahs weckte seine Eltern und unterrichtete sie über die Lage im Lande. Auch die Polizei war nun unterrichtet, die Behörden, die Regierung, der König. Alle wurden nach und nach geweckt.
Die deutschen Soldaten, die an diesem Frühlingsmorgen durch Kopenhagen patrouillierten, waren über das Meer gekommen. Morgens gegen vier Uhr hatten zwei fremde Schiffe an der Langelinie angelegt. Man hatte sie von Norden her einlaufen sehen, als sie mit hoher Fahrt die Kroneløbs-Feuerlinie ansteuerten. Das vordere Schiff führte eine einzelne Topplaterne und Seitenlaternen, das hintere zwei Topplaternen und Seitenlaternen.
Beide Schiffe waren zuerst vom Fort Middelgrund gesichtet worden. Als sie nicht stoppten, um Lotsen an Bord zu nehmen, richtete man vom Fort einen Scheinwerfer auf das erste Fahrzeug, das als Schleppdampfer ausgemacht wurde, hißte das Stoppsignal und beleuchtete es.
Danach richtete man den Scheinwerfer auf das zweite Fahrzeug; es schien ein unbewaffnetes Kriegsschiff unbekannter Nationalität zu sein. An Deck war niemand zu sehen. Als der Scheinwerfer das Schiff traf, gab man von dort eine Reihe Blinksignale. Daraufhin wurde der Scheinwerfer ausgeschaltet und der Befehl erteilt, einen Warnschuß abzufeuern.
„Wir geben ihnen eins aufs Dach!“ sagte der Geschützführer und schob eigenhändig die Granate ins Rohr. Aber es gab nichts aufs Dach. Die beiden Schiffe fuhren weiter.
„Bei der Untersuchung der Kanone zeigte es sich, daß der Warnschuß nicht gefallen war, da die Kartusche auf Grund von Fett in der Kammer nicht eingeführt werden konnte, so daß der Keilverschluß nicht zu betätigen war. Auf Grund der Unerfahrenheit des Geschützführers und seiner mangelnden Kenntnis des Dienstablaufs im Fort, was seiner kurzen Dienstzeit auf dem Fort (vier Tage) zugeschrieben werden muß, blieben seine wiederholten Versuche, die Kanone zu schließen, ohne Erfolg. Da der Schuß nicht fiel, untersuchte der Wachhabende die Kanone, nachdem er mit dem Signalisieren und dem Dienst am Scheinwerfer fertig war. Zu diesem Zeitpunkt hielt man es für zu spät, die zweite Kanone anzuwenden.“
Um 4.03 Uhr meldete das Fort Middelgrund der Kommandostation Lynetten, was geschehen war. Die Station gab um 4.17 Uhr die Meldung an den Nachrichtendienst der Marine weiter.