Schloss Frydenholm. Hans Scherfig

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Schloss Frydenholm - Hans Scherfig

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wurde eine besondere Botschaft des Königs verlesen. „Unter diesen für unser Vaterland so ernsten Verhältnissen fordere ich alle in Stadt und Land auf, ein völlig korrektes und würdiges Auftreten zu zeigen, da jede unüberlegte Handlung oder Äußerung die schwersten Folgen haben kann. Gott schütze Sie alle! Gott schütze Dänemark!“

      „Ja, dem habe ich nichts hinzuzufügen“, sagte Rasmus Larsen zu den Arbeitern, die mit ihm zusammen die Botschaft gehört hatten. Die Arbeitslosen, die zur Kontrolle gekommen waren, hatten ausnahmsweise seine gute Stube betreten dürfen; außer den Arbeitslosen waren noch ein paar Freunde von der Wählervereinigung da, um zu hören, was ihr Vorsitzender über die Situation zu sagen habe. Würde die Sozialdemokratie verboten werden? Würden die Sozialdemokraten – wie in Österreich – verhaftet werden? Würden die Gewerkschaften aufgelöst werden?

      Frau Larsen betrachtete vergrämt ihre lackierten Fußböden, die nun zerschabt und zerkratzt wurden. Der Schmutz, den diese Menschen mit ins Haus schleppten! Und das jetzt, wo echter Fußbodenfirnis nicht aufzutreiben war!

      „Ich habe dem nichts hinzuzufügen“, wiederholte Rasmus Vorsitzender. „Ihr habt selbst gehört, was Stauning und der König sagen. Wir müssen unter den veränderten Umständen würdig und korrekt auftreten. Die Zukunft wird natürlich eine Umstellung der gewohnten Verhältnisse mit sich bringen. Vorläufig gilt es, Ruhe und Ordnung aufrechtzuerhalten und allen, die die Macht ausüben, loyales Entgegenkommen zu erweisen!“

      „Das hört sich schön an“, meinte ein Arbeiter. „Du sagst das sehr schön, Rasmus! Man könnte glauben, du bist Ministerpräsident. Ja, Umstellung der gewohnten Verhältnisse! Ruhe und Ordnung und loyales Entgegenkommen! Das heißt: Schnauze gehalten und mitmarschiert! Jetzt sollen wir wohl auch Deutsch lernen? Kommt der Deutsche erst hierher, kommt der Deutsche erst hierher, dann bedaure ich euch sehr, ja, bedaure ich euch sehr! Und wo ist all das verfluchte Geld, das wir fürs Militär gezahlt haben? Wo, zum Teufel, ist das Militär gewesen? Wo waren die Flotte und die Flugzeuge und die Minen und die Kanonen? Wo ist der ganze Dreck, für den wir gezahlt haben?“

      „Die Regierung ist bei ihren Beschlüssen von dem ausgegangen, was uns allen am meisten dient“, antwortete Rasmus Larsen. „Sie hat doch wohl ein wenig mehr Einsicht und Überblick als du, Karl. Sie ist nicht auf Abenteuer aus. Die Deutschen könnten doch unser ganzes Land in ein paar Stunden kurz und klein schlagen. Und was dann?“

      „Aber wozu haben wir all den teuren Militärmist dann angeschafft? Was wollten wir mit dem Zeug, wenn man von vornherein wußte, daß es nicht gebraucht werden sollte?“

      „Man wußte nichts von vornherein. Ein gut ausgerüstetes Heer kann vielleicht eine gewisse abschreckende Wirkung ausüben. Es kann vielleicht einem Angriff Vorbeugen. Doch jetzt, wo das Unglück geschehen ist, wer will es da verantworten, wenn wir ein zweites Polen werden? Was, wenn Kopenhagen und andere Städte dem Erdboden gleichgemacht würden?“

      „In Norwegen kämpfen sie“, hielt ihm einer entgegen.

      „Woher weißt du das?“

      „Das hat der schwedische Rundfunk gebracht.“

      Ja, es gab ja noch den schwedischen Rundfunk! Den konnte man ja auch hören. Stimmen wurden laut, Rasmus Larsens Radio auf einen schwedischen Sender einzustellen, doch Rasmus wollte davon nichts wissen. Es war seine Pflicht als Vorsitzender und verantwortliche Persönlichkeit, sein Radio für die Botschaften und Anweisungen bereitzuhalten, die kommen mußten.

      „Ihr könnt mir nicht einreden, das alles sei unerwartet geschehen“, sagte der, der Karl hieß. „Es gibt bestimmt einige, die vorher Bescheid gewußt haben. Es müßte doch mit dem Teufel zugehen, wenn nicht einige Minister und Generale und Admirale unterrichtet waren. So etwas läßt sich nicht über Nacht machen! Sie haben es gewußt!“

      „Das ist haargenau das verantwortungslose Gerede, mit dem man uns jetzt am besten verschonen sollte“, sagte Rasmus Vorsitzender streng. „Das ist genau das Gequatsche, das jetzt gefährlich und schädlich ist. Die Lage im Lande ist heute nicht mehr die gleiche wie gestern. Die Verhältnisse sind äußerst ernst. Das muß den Leuten wohl erst einmal aufgehen!“

      Aus dem Radio erklang wieder die Botschaft des Königs: „Unter diesen für unser Vaterland so ernsten Verhältnissen fordere ich alle in Stadt und Land auf, ein völlig korrektes und würdiges Auftreten zu zeigen, da jede unüberlegte Handlung oder Äußerung die schwersten Folgen haben kann.

      „Hörst du?“ sagte Rasmus Vorsitzender.

      16

      Martin Olsen wollte sich durchaus nicht von seinen geliebten Broschüren trennen. Sie durften nicht verbrannt werden. Ausgeschlossen! Sie waren unentbehrlich. Es war gut, sie zu haben.

      Nur widerstrebend erklärte er sich damit einverstanden, das, was er das „Archiv“ nannte, zu opfern. Das Archiv der Parteigruppe war ein riesiger Stapel Papier – alte Rundschreiben, Mitteilungen und Einladungen zu Versammlungen –, der die beiden untersten Kommodenschubladen füllte. Sie leer zu bekommen war seit langem einer von Margretes großen Wünschen. Der traurige Tag brachte also auch ein wenig Gutes. Sie stapelte das Papier auf den Fußboden und begann, die Schubfächer auszuwaschen.

      Martin war, wie erwartet, gegen Mittag nach Hause gekommen. Oscar Poulsen war aus der Molkerei herübergekommen, unternehmungslustig und voll von Parolen und Fremdwörter. Ein alter Ziegeleiarbeiter, Jakob Enevoldsen, war ebenfalls gekommen. Er wohnte in seinem selbstgebauten Haus draußen am Moor und hatte den Weg von einer halben Meile auf einem alten Fahrrad mit schlechten Reifen zurückgelegt. Es waren ja keine Fahrradreifen mehr aufzutreiben, die Leute hatten gehamstert, auch solche, die gar kein Fahrrad besaßen. Jakob hatte seinen Hund mitgebracht, einen kleinen, japsenden Foxterrier, der von dem Weg so ermattet war, daß er sich auf die Seite legte und aussah, als müßte er sterben. Er konnte Kunststückchen machen und war klug und gutmütig, doch als die graue Katze des Hauses den Hund erblickte, wurde sie furchtbar erregt und fauchte wie wahnsinnig: ihr Schwanz stand aufrecht und war dick und buschig wie ein Fuchsschwanz. Die fromme Katze, die sich sonst drücken und von den Kindern umherschleppen ließ, hatte sich in ein rasendes, wildes Tier verwandelt, und als Martin sie hinausbringen wollte, biß sie ihn, so daß er blutete. Margrete entschuldigte die Katze: „Sie ist tragend. Sie ist nur jetzt so nervös, sonst ist sie so eine gute Mieze!“

      Martin mußte Jod für seine Hand haben. „Sie hat tief gebissen. Dieser Satan!“

      Noch mehr Genossen kamen. Es wurde eine richtige Versammlung. Auch der lange Anton, der sich selten bei Versammlungen sehen ließ, tauchte auf. „Was wird geschehen? Ist es wahr, daß alle Jagdgewehre beschlagnahmt werden?“

      Margrete kochte Kaffee. Der Herd wurde mit dem Archiv geheizt; alle diese uralten Einladungen und Berichte und Mitteilungen waren nun endlich zu etwas nütze. Margrete kam es vor, als träume sie das alles. Ihr war, als sei sie Zuschauer und außerhalb des eigenen Ichs, während sie in der Küche hantierte und die Männer in der Stube sprechen hörte. Wenn sie doch alle bloß bald gehen wollten, so daß sie mit Martin allein sein könnte. Alle sprachen gleichzeitig. Jakob Enevoldsens Pfeife verbreitete schrecklichen Qualm. Jakob rauchte einen Tabak, den er aus getrockneter Schafgarbe herstellte. Die Pfeife war zerbrochen und auf bemerkenswerte Art mit Gummi und Heftpflaster umwickelt; und der Schafgarberauch machte Kopfschmerzen und Ohrensausen.

      Brüderchen war hereingebracht worden und schrie wütend und ausdauernd.

      „Na aber! Ist er denn traurig, der Kleine?“ sagte Margrete. „Na, jetzt kriegst du aber auch gleich etwas zu essen, Peterle!“

      Der Kleine schrie weiter.

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