Schloss Frydenholm. Hans Scherfig

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Schloss Frydenholm - Hans Scherfig

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stand auf dem Boden, eine Truhe und ein altes Spinnrad. Es war viele Jahre her, daß jemand darauf gesponnen hatte. Emma würde kein elegantes Mobiliar hinterlassen, wenn sie ins Altersheim zog, wo es gute, geschmackvolle Sofas und Ledersessel gab und wo es hygienisch duftete.

      Der Doktor sah sich in Emmas Stube um. Es roch nach Erde und Schimmel, nach Katze und alter Frau. Über der Kommode hing ein verblichener Öldruck, der den russischen Zaren Alexander und seine dänische Gemahlin darstellte. Er war so verblichen, daß nur noch die gelben und blauen Farben übriggeblieben waren. Weshalb mochte der hier hängen? Die Wand gegenüber schmückte ein eingerahmtes Blatt zum Gedenken an Frederik den Sechsten. „In seiner Güte löste er die Fessel des Bauern, und die Klage der Neger rührte ihn“, war darauf zu lesen. Rundherum waren vergoldete Weihnachtskarten angeheftet, die vor Fliegendreck starrten. Die Bibel lag aufgeschlagen auf der Tischdecke.

      In den beiden Fenstern standen Blumentöpfe mit englischen Pelargonien, zwischen ihnen eine Porzellankatze. Die richtige Katze lag breit und riesengroß auf einem Kissen auf dem besten Stuhl und sah den Doktor aus schmalen Augen mißtrauisch an. „Ja, das ist meine einzige, kleine Kreatur“, sagte Emma. „Ich will meinen Manse behalten. Er ist genauso klug wie ein Mensch.“

      „So, er heißt Manse? Wie groß er ist!“

      „Ich will ihn nicht verlieren!“ sagte Emma. „Nein, ich will nicht.“

      „Ist ja gut“, beruhigte sie der Doktor. „Uberlegen Sie es sich! Wie steht es mit den Pillen? Haben Sie noch welche? Na, ich verschreibe Ihnen neue. Sie sollen natürlich nicht heute oder morgen umziehen, ich rate Ihnen nur, es sich zu überlegen. Es wäre doch das beste für Sie.“

      „Ich werde nirgendswo hinziehen!“ Emma war voller Starrsinn und Trotz und sah den Doktor, der doch nur ihr Bestes wollte, feindselig an. O dieses Mißtrauen der kleinen Leute! Diese eigensinnige Ablehnung von Fortschritt und Verbesserung! Man will diesen Menschen helfen, aber sie sträuben sich dagegen!

      „Ja, ja. Das bestimmen nur Sie selbst“, sagte der Doktor geduldig. „Wir sind freie Menschen hierzulande.“

      Dann setzte der Doktor seine Mütze auf, zog die Fausthandschuhe an und fuhr weiter zu einem Hof, wo eine Witwe wohnte, die an einem Ekzem litt.

      Es war ein großer, schöner Hof. Die Witwe lebte mit ihrem vierzigjährigen Sohn zusammen. Er wollte sich schon seit langem verheiraten, aber die Mutter erlaubte es nicht. Sie wollte ihn nicht missen. Er mußte ihr Ekzem pflegen. Er schlief neben ihr im Doppelbett, und im Laufe der Nacht mußte er ihr einigemal den Rücken mit einer grauenhaften schwarzen Salbe einreiben. Sie konnte das nicht allein. Deshalb durfte der Sohn nicht heiraten.

      Der Hof war gepflegt, die beiden waren wohlhabende Leute, die ihr Geld nicht verbrauchten, sondern sparten. Aber niemand würde sie beerben und kein Nachkomme Nutzen von ihrer Sparsamkeit haben.

      „Sehen Sie“, sagte die Witwe. „Sehen Sie nur, wie ich mich schäle! Jeden Morgen kann ich eine ganze Müllschaufel voll Hautschuppen aus dem Bett heraustragen.“

      Das Ekzem war wie eine Riesenschlange, die sich jede Nacht häutete. Und das war Verschwendung bei dieser geizigen Frau. Sie düngte ihre Topfpflanzen mit den Hautschuppen, damit Gottes Gaben nicht verlorengingen, und die Pflanzen gediehen davon. Der Doktor verschrieb ihr wieder schwarze Salbe, spritzte ihr B-Vitamin in den Schenkel und ließ sie weiße Tabletten mit Arsen essen, die sie fett machten. Und er dachte daran, daß es eine Tat der Barmherzigkeit wäre gegenüber dem vierzigjährigen Sohn, der so gern heiraten wollte, wenn er dieser Mutter eine größere Portion Arsen verschriebe. Doktor Damsø war ein hilfsbereiter und vorurteilsfreier Mann, aber er wollte kein Mörder sein. Er seufzte und schrieb das Rezept. Und der Sohn der Witwe konnte nicht heiraten.

      Der Doktor fuhr weiter durch das Winterwetter. Die ältere von Jens Olsens dicken Töchtern hatte einen Bandwurm. Sie liebte Fleisch über alle Maßen, und wenn sie ein Schwein geschlachtet hatten, konnte sie sich nicht beherrschen und warten, bis es zubereitet auf den Tisch kam: Sie biß in das warme, rohe Fleisch des eben geschlachteten Tieres. Und nun fanden sich weiße Bandwurmglieder im Stuhl, die dem Doktor präsentiert wurden; der Wurm fraß ihr das Essen weg, so daß sie ständig unter Hunger litt.

      Ja, da mußte streng gefastet werden, bis der Bandwurm ausgehungert war. Und dann sollte sie Salz und Pfeffer und Essig und scharfe Sachen zu sich nehmen, damit das Tier beleidigt wurde und Fräulein Olsens Darmwand losließ. Und dann sollte sie Rizinusöl trinken, damit das Ungeheuer ausgetrieben würde. Aber der Doktor war nicht sicher, ob das dicke, hungrige Mädchen charakterfest genug war, diese harte Kur zu Hause durchzuführen. „Es wird wohl besser sein, wenn ich eine Einweisung für das Krankenhaus schreibe. Sie können ruhig mit dem Bus dorthin fahren. Wegen dieses Bandwurms brauchen wir keinen Krankenwagen zu bemühen, wir sollen ja jetzt Benzin sparen. Wie ist bitte Ihre Krankenkassennummer?“

      Auf der anderen Seite des Löschteiches war Martin Olsens Tochter Rosa an den Masern erkrankt; sie hatte hohes Fieber und phantasierte. Rosa war die Älteste und ging schon zur Schule; nun würden die anderen drei wohl auch die Masern bekommen. Das mußte eben überstanden werden.

      „Aber seien Sie bloß vorsichtig! Danach kommt es sehr oft zur Lungen- oder Mittelohrentzündung. Sie muß mindestens noch fünf Tage im Bett bleiben, nachdem das Fieber vorüber ist. Und passen Sie auf die Augen auf! Das Fenster muß zugezogen sein, und um die Lampe muß rotes Papier gewickelt werden?“

      Doktor Damsø setzte sich an den blanken, ovalen Tisch und machte Eintragungen ins Krankenbuch. In der Mitte des Tisches lag eine zierliche gestickte Decke, auf der eine versilberte Schale mit Weihnachtskarten und Neujahrsrechnungen stand. Die Stube war so niedrig, daß man an die Decke fassen konnte. Eine große, neue Wanduhr – mit Mahagonigehäuse – tickte laut. Sie wirkte sehr fremd in der niedrigen Bauernstube. Die Leute haben keinen Geschmack, dachte der Arzt.

      „Wie alt ist Rosa denn schon? Sie ist ja schon ein großes Schulmädchen.“ War es wirklich so lange her, seit der Arzt geholfen hatte, sie zur Welt zu bringen? „Ja, wir werden alle älter. Und der Jüngste gedeiht gut? Er sieht ja prächtig aus.“ Er hatte so dicke Bäckchen, daß der Doktor mit dem Zeigefinger killekille machen mußte. Das amüsierte den Kleinen, das war ein guter Spaß, über den er lachen mußte. „Vielleicht ist er noch zu klein, und er bekommt die Masern gar nicht. Die Kleinen sind ja zumindest in den ersten vier Monaten immun, das heißt, wenn die Mutter die Masern gehabt hat. Und das hatte Margrete wohl?“

      Das war das Gute an diesem Doktor, daß er sich die Zeit nahm, mit den Leuten zu reden. Er war nicht einsilbig und erhaben, sondern erzählte, wie es sich mit einer Krankheit verhielt. Er fand es auch nicht anstößig, wenn ein Patient zu wissen wünschte, worum es sich bei seiner Krankheit handelte. Der Doktor erklärte ohne Latein und Hochmut. Er war ein demokratischer Doktor. Und als er über die Masern alles ausreichend erklärt hatte, fand er es passend, seine Meinung über den Krieg in Finnland und über Martin Olsens Mitverantwortung auszusprechen.

      Martin Olsen aber fühlte sich nicht schuldig. Er war mehr mit lokalen Angelegenheiten als mit der großen Politik beschäftigt. Er wußte viel über die Verhältnisse an den Arbeitsplätzen und über den Zustand der örtlichen Gewerkschaft. In der Gemeinde gab es viele Arbeitslose, es gab Probleme mit der Krankenkasse, dem Steuer- und dem Wohlfahrtsamt. Die Leute kamen zu ihm und fragten um Rat, er kannte die Gesetze, Vorschriften und Satzungen, doch über die deutschen Befestigungsanlagen an der finnischen Grenze wußte er nicht viel zu sagen. Er hatte nicht an der Sonnenwendfeier in der kleinen Anlage bei Skjern-Svendsens Monument teilgenommen, wo Rasmus Larsen und Pastor Nørregaard-Olsen Reden für Finnland gehalten hatten und wo Lehrer Agerlund unter großem Beifall Bücher von Martin Andersen Nexö ins Feuer geworfen hatte.

      Martin Olsen fühlte sich nicht mit der finnischen Oberklasse

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