Schloss Frydenholm. Hans Scherfig

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Schloss Frydenholm - Hans Scherfig

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der sich diesmal nicht die Sportergebnisse anhört und der glaubt, daß es im Leben nichts mehr gibt, was wert wäre, es anzuhören. Zwanzig Mann, vierzehn Mann, vierzig Mann – für einige Menschen sind das nicht nur Zahlen und Namen. Für irgend jemanden ist einer dieser Namen das Wichtigste auf der Welt. Und nun plötzlich ist er ein Nichts.

      In dem roten Haus gegenüber der Schule saß der alte Lehrer Tofte, der an Gott und Grundtvig glaubte und der Bevölkerung der ganzen Gegend das Einmaleins und Psalmenverse beigebracht hatte. Er erinnerte sich an einen der Namen, die im Rundfunk genannt wurden; es war der Name eines Jungen, den er das Lesen gelehrt hatte. Er erinnerte sich auch an das Gesicht: ein Junge mit Sommersprossen und struppigem weißblondem Haar, der immer lachte, lustige Augen hatte und sich immer über etwas freute. Er wollte zur See, als er konfirmiert war. Lehrer Tofte erinnerte sich sehr gut an ihn. Es war einer der vielen Namen. Sechzehn Jahre alt war der Junge geworden.

      Es wurde nicht davon gesprochen, daß die Deutschen ohne Warnung torpedierten, obwohl man auf die Flanken der Schiffe ganz groß die neutralen Nationalitätskennzeichen gemalt hatte. Der Rundfunk war ein neutraler Rundfunk. Er berichtete nicht, daß die Deutschen die Rettungsboote mit Maschinengewehren beschossen.

      Der Krieg war nicht für alle so schlimm. Wo mochten jetzt die Pferde sein, die im Sommer auf Frydenholms Koppeln geweidet hatten? An ihnen war viel Geld verdient worden. Vielleicht waren sie irgendwo in Polen. Ob sie sich wohl an Frydenholm erinnerten? Es wurde an vielen Dingen Geld verdient, die im Jahr zuvor noch völlig wertlos waren. Viereckige Stücke gefrorener Erde verkaufte man nach Gewicht. Rübenschalen verwandelten sich in Kaffee. Tonerde wurde zu Waschmittel in blauen und gelben Paketen. In den Schaufenstern des Kaufmanns konnte man merkwürdige Waren sehen, Kartons mit ganz neuen Substanzen. „Sie sollten sich lieber einige Pakete sichern, gnädige Frau! Wer weiß, wann wir wieder etwas bekommen!“ – „Aber es wird doch wohl keinen Mangel an Ersatzstoffen geben?“ – „Doch, das könnte sein“, meinte der Kaufmann. „Alles wird knapp werden. Der Krieg dauert lange. Es ist klug, zu kaufen!“ Das alles sagte der Kaufmann nur ganz im Vertrauen.

      Man legte sieh Vorräte an: Kaffee-Ersatz und Süßstoff und viele Sorten Brotaufstrich mit synthetischem Geschmack. Freundinnen telefonierten miteinander: „Hast du schon gehört? Es heißt, ab morgen wird das Salz rationiert! Da ist es sicher das beste, sich einzudecken. Es wäre wahrhaftig schlimm, das Salz entbehren zu müssen. Vielleicht stimmt es gar nicht, aber es wird erzählt.“ Und dann kauften die Damen Salz. Und der fixe Kommis des Kaufmanns mußte das Salz zu den guten Kunden fahren, die nach Ladenschluß noch anriefen. Er hieß Evald, war aufgeweckt und wohlgelitten und hatte immer kecke Antworten und Witzchen für die Damen parat. Er pfiff aus vollem Halse, während er mit den Salztüten die Straße entlangfuhr.

      In den Pökelfässern staken die halben Schweine. Am schlimmsten war es in den Städten, wo man keine Keller hatte und unkundig im Einsalzen war. Die Schweine vertrugen die Zentralheizung schlecht, und die Vorräte und Lager bereiteten den Wohlhabenden Sorgen. Die armen Leute hatten es da leichter.

      Dann wurde das Salz doch nicht rationiert. Aber die Damen mußten sich ohnedies um so vieles kümmern. Im Nähzirkel sprach man über die Probleme der Zeit. „Ja, unsere fleißigen Damen müssen jetzt mit Kaffee-Ersatz vorliebnehmen.“ Die Pfarrersfrau füllte die Tassen. „Wir haben keinen besseren.“

      „Der ist doch aber wirklich gut“, sagte Frau Andersen, die Kranzkuchen mitgebracht hatte. „Wir haben auch nichts gehamstert. Mein Mann will das nicht. Wenn andere Kaffee-Ersatz trinken können, können wir das auch, sagt er immer.“ Und wer eine Bäckerei hatte, brauchte sich ja wohl um Butter und Weizenmehl keine Sorgen zu machen.

      Nein, hamstern! Man redete und schrieb so viel über Gemeinschaftsgeist, den alle beweisen sollten. Das war ein neues Wort. An dieser Stelle konnte sich Pastor Norregaard-Olsen eine Äußerung über die Vögel und Lilien, die ja schließlich auch keine Vorräte zusammenrafften, nicht verkneifen. Über den Sack Kaffee auf dem Boden des Pfarrhauses wurde nicht gesprochen. Eine kleine Schwäche durfte man wohl haben.

      In diesem Winter strickte der Nähzirkel Socken und Schals, die für Mannerheims Soldaten in Finnland bestimmt waren. Vor kurzem hatte sich den Finnen am Ladogasee ein Engel gezeigt; in den Zeitungen war viel darüber geschrieben worden, und er soll, wie berichtet wurde, die Soldaten sehr ermuntert haben. Pastor. Nørregaard-Olsen hatte ihn auch in seiner Sonntagspredigt erwähnt. Und die Überschrift im Kirchenblatt lautete: „Der Engel von Lacloga“.

      Der Nähzirkel der Damen war mit der Zeit sehr zusammengeschmolzen. Der frische Wind, der in Pastor Nørregaard-Olsens erster Zeit in der Gemeinde geweht hatte, war abgeflaut. Als der Pfarrer damals voll Unternehmungslust sein Amt antrat, setzte er sein ganzes Vertrauen in die Frauen. Es hatte eine Zeit gegeben, da der Nähzirkel ein geistiges Kraftzentrum war, in dem allerliebste Tischdecken und Tischläufer für Wohltätigkeitsbasare gefertigt wurden, da man sich sammelte und in unbefangenem Gesang innig vereint war und da alle darin wetteiferten, prächtigen Kuchen und Bohnenkaffee mitzubringen. Jetzt brachte nur noch die Bäckersfrau Kranzkuchen mit, und viele hegten den Verdacht, es sei Kuchen vom Vortage, den man im Geschäft nicht mehr verkaufen konnte. Alter Kranzkuchen wirkt aber wahrhaftig nicht inspirierend, und so lag gleichsam kein Segen über dem Beisammensein.

      Sie waren zu wenige, als daß der Psalmengesang wie in der ersten, fruchtbaren Zeit richtig brausen und sich erheben konnte. Allzu viele waren abgefallen. Niels Madsens Frau kam zwar noch getreulich, doch sie war kein fröhlicher Christ, sie war wortkarg und griesgrämig, und ihr Anteil am Gesang war nur ein mißvergnügtes Brummen. Höschen-Marius’ Wirtschafterin kam, obwohl Marius es nicht wünschte; sie war übrigens nicht mehr Wirtschafterin, sondern Ehefrau, wenn bei den beiden darin überhaupt ein Unterschied bestand. Marius war kein junger Mann mehr und für die Liebe mit lebenden Menschen kaum tauglich; aber er hatte ja Geld, das Vermögen der Eltern, und das würde er natürlich als Erbe hinterlassen. Das war es wohl, womit sie rechnete. Dieser Ehe würden bestimmt keine Kinder entspringen, alles würde also ihr zufallen. Sie weckte eifrig ein, das mußte man ihr lassen. Es gab Marmelade, Saft und Gelee für mehrere Jahre im Hause, obwohl Marius die süßen Sachen sehr liebte und eine Menge davon aß.

      Wenn sie ihn nun obendrein bewegen könnte, sich die Nase zu putzen, dann hatte sie etwas fürs Geld geleistet; denn der Rotz hing ihm immer im Schnurrbart, wenngleich er diesen jetzt – wie eine gewisse Person – ganz kurz geschnitten trug; es sah schrecklich aus, wenn er bei dieser Kälte mit Eiszapfen unter der Nase herumlief. Da ging der lange Kerl jeden Tag zum Kaufmann und kaufte gemischte Bonbons, und er ließ sich viel Zeit dabei, denn er wollte gern mit den Leuten über das System und über den jüdischen Sozialismus diskutieren, die ja das Land verheerten. Viele amüsierten sich über seine Darlegungen. „Wie du das alles so im Kopfe hast, Marius! Wo hast du das nur her?“

      Ja, wo hatte Marius das her? Er war nie ein strahlendes Talent gewesen. Er besaß ein paar Hühner und Gänse, und selbst die konnte er kaum bändigen. Sein Brot vermochte er damit nicht zu verdienen. Als er fünfzig Jahre alt war, hatte noch seine Mutter ihm die Nase putzen müssen, und er hatte nur des Sonnabends Bonbons bekommen. Seine Mutter war eine kleine, fleißige Frau gewesen, die es verstanden hatte, den großen Sohn zu einer Art Arbeit anzuhalten. Als sie starb, hörte er damit auf. Und seine sonderbare Leidenschaft für Damenhöschen hatte ihn mehreremal in Ungelegenheiten gebracht, seit sie nicht mehr auf ihn aufpassen konnte.

      Nicht Weisheit und geistige Gaben waren es, die Marius jetzt so merkwürdig auftreten ließen. Aber er war Arier, und das konnte ihm niemand nehmen. Er gehörte der nordischen Edelrasse an, der es bestimmt war, die Welt zu beherrschen. Auf irgendeiner Versammlung hatte er von diesen Dingen gehört, und es mußte ihn wohl tief ergriffen haben, ein Wesen von Wert zu sein und der Herrenrasse anzugehören. Seit kurzer Zeit hielt er sich eine nationalsozialistische Wochenzeitschrift, und aus dieser schöpfte er seine Philosophie. Er las nicht leicht und flüssig, er folgte den Zeilen mit dem breiten schwarzen Zeigefinger und buchstabierte halblaut, während er von jüdischen

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