Schloss Frydenholm. Hans Scherfig

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Schloss Frydenholm - Hans Scherfig страница 8

Автор:
Серия:
Издательство:
Schloss Frydenholm - Hans Scherfig

Скачать книгу

über seine Frau wissen.”

      „Richtig. Er wollte wissen, was sie bei diesem Doktor Riege machte. Und das fanden Sie heraus?“

      „Ich lieferte dem Gutsbesitzer regelmäßig Berichte. Ich hatte bei Riege zu tun und war deshalb häufig dort.“

      „Sie dienten ihm als Versuchsperson für seine Experimente, nicht wahr? Jaja, die Polizei mußte sich auch ein wenig mit Dr. Riege beschäftigen, als sie diesen Mord untersuchte. Dr. Riege war schließlich in der Mordnacht bei der gnädigen Frau auf Frydenholm gewesen. Man hatte also auch ihn im Verdacht. Sie waren durchaus nicht der einzige, Olsen! Dieser Doktor ist ein sehr merkwürdiger Mann. Eine sonderbare Menagerie hat er in seiner Klinik da draußen, was?“

      „Ja, das kann man behaupten.“

      „Sie sahen da draußen wohl schreckliche Dinge vor sich gehen? Und Sie waren so etwas wie ein Privatdetektiv für den Gutsbesitzer?“

      „Ja. In gewisser Weise.“

      „Genau wie für Unterinspektor Henningsen?“

      „Das kann man sagen.“

      „Ja, Olsen, Sie besitzen recht brauchbare Fähigkeiten, das wissen wir.“ Der Kommissar warf über die Brille hinweg einen gütigen Blick auf Egon Charles Olsen. „Ausgezeichnete Fähigkeiten sogar! Nun frage ich mich nur, ob es nicht möglich wäre, diese Fähigkeiten zukünftig in den Dienst des Guten zu stellen.”

      6

      „Vati, warum schreit der Mann denn so?“

      „Weil er böse ist.“

      „Auf wen ist er böse, Vati?“

      „Er ist böse auf Polen.“

      „Vati, wer ist Polen?“

      „Das ist ein Land, mein Kleiner. Es ist weit weg.“

      „Ist er auch böse auf uns?“

      „Das kann sein. Er ist überhaupt böse.“

      „Was schreit er denn?“

      „Das kann ich nicht verstehen, wenn du sprichst, Niels. Spiel jetzt mit deiner Kuh“, sagte Martin Olsen.

      „Das ist keine Kuh, das ist ein Auto!“ stellte Niels fest. Er fuhr mit einer schwarzscheckigen Holzkuh über den Fußboden, ließ sie tuten, rückwärts fahren und schaltete die Gänge.

      „Stell doch das ekelhafte Radio ab“, rief Margrete. „Die Kinder kriegen ja Angst. Du verstehst ja sowieso nicht, was der redet.“ Sie trug einen Säugling auf dem Arm. Niels spielte auf dem Fußboden Auto, zwei größere Mädchen schnitten Anziehpuppen aus alten Illustrierten. Sie hießen Rosa und Gerda.

      „Es wird nachher übersetzt“, antwortete Martin. „Und ein bißchen verstehe ich ja auch.“

      „Aber es ist widerlich anzuhören“, sagte Margrete.

      Das Radio spielte in Martin Olsens Wohnzimmer. Es spielte in den Wohnzimmern der Menschen im ganzen Land. Ein Unbehagen war in allen Häusern. Und noch unbehaglicher als die Stimme des Führers war der brüllende Beifall seines Volkes. „Sieg Heil! Sieg Heil! Sieg Heil!“ brüllten Tausende im Chor.

      Der Abend war warm und hell. Die Jugend vergnügte sich auf der Straße. An der Ecke beim Kaufmann standen sie, über ihre Fahrräder gelehnt, die jungen Mädchen kreischten ab und zu, man klingelte mit den Fahrradglokken, man zog etwas aus dem Automaten. Ein Flugzeug brummte oben am Himmel, glänzte silbern im Sonnenlicht. Keine einzige Wolke war zu sehen. Von Niels Madsens Hof drang Eimerrasseln herüber und das Quietschen einer Pumpe. Irgendwo heulte ein Hund, hartnäckig und anhaltend. Und aus den Häusern hörte man die Lautsprecher.

      Adolf Hitler schrie in die Häuser hinein. So hatte man ihn in den letzten Jahren in kurzen Abständen schreien hören. Und jedesmal, wenn er im Radio geschrien hatte, bedeutete es Unglück. Diesmal galt es Polen, dessen Provokationen unerträglich geworden wären und zum Himmel schrien! Zuvor hatte es anderen Ländern gegolten.

      An dem milden Sommerabend hörte man den schreienden Mann. Aus jedem Haus am Wege hörte man ihn, wenn man durch das Dorf ging. Höschen-Marius hatte die Fenster weit geöffnet und das Radio ganz laut gestellt, damit seine Landsleute draußen seinen Führer hören konnten. Er selbst verstand zwar die Sprache des Führers nicht, doch er saß gehorsam mit offenem Mund vor dem Gerät, und wenn Beifall gebrüllt wurde, murmelte er anerkennend. Auch bei Niels Madsen lauschte man andächtig. Die Fürsorgejungen, die bei ihm ihr Brot verdienten, waren ins Zimmer gekommen und durften die stärkenden Worte hören. Sie saßen da und verstanden kein Wort, sie waren müde von der Arbeit des Tages und konnten sich nur mit Mühe wach halten. Der eine von ihnen, er hieß Harry, hatte eine gebrochene Nase; es hatte da einen Unfall gegeben im vorigen Jahr, als er während einer Züchtigung törichterweise den Kopf zur Seite gedreht hatte. Er war nicht schöner geworden dadurch, unheimlich sah er aus und abstoßend mit seiner schiefen Nase. Aber vielleicht würde man auch ihn einmal gebrauchen, wenn die Zeit der großen Taten kam.

      Das Land lauschte. Der Arzt, der Lehrer, der Pfarrer, der Graf, die Alten im Altersheim, die Bauern, die Ziegeleiarbeiter. Und Rasmus Larsen, Vorsitzender der Gewerkschaft und der Wählervereinigung, der politische Einsicht besaß und sich durch den in diesem Jahr unterzeichneten Vertrag gesichert fühlte, in dem sich das Königreich Dänemark und das Deutsche Reich verpflichtet hatten, auf keinen Fall gegeneinander Krieg zu führen oder irgendeine andere Art von Gewalt anzuwenden. Sie lauschten mit Wohlbehagen oder Ekel, je nach Neigung, die meisten mit Ekel. Einige fanden es lächerlich und gleichgültig, auf einigen lastete das Unbehagen wie ein Alp; vielleicht wäre es eine Erleichterung, wenn der Krieg wirklich käme.

      Nur die alte Emma weigerte sich zu lauschen. Sie hatte ihr Radio ausgeschaltet. „Ich will den widerlichen Hitler nicht in meinem Hause haben!“

      In der Villa des Doktors war das Radio auf eine erträgliche Lautstärke gedämpft. Dr. Damsø hatte den schreienden Führer schon längst als einen Kranken mit ausgeprägt paranoiden und manio-depressiven Zügen eingeschätzt. Die Karriere eines solchen Menschen konnte nicht von Dauer sein. Am besten wäre es, den Verrückten auf Rußland zu hetzen. „Sollen sich die beiden Länder doch im Krieg gegeneinander verbluten!“ sagte Dr. Damsø. „Wenn die beiden ausgestritten haben, wird sich England schon um den Nachlaß kümmern.“ Der Doktor hatte seine Pläne, und er nahm an, daß sie Englands und Frankreichs Beifall finden würden. Er unterbreitete seine Gedanken den wenigen Freunden, mit denen er zusammenkam. Es bekümmerte den liberalen Arzt, daß er in der dörflichen Abgeschiedenheit ebenbürtigen Umgang entbehren mußte. Er liebte geistreiche Gespräche. Er liebte es, auffallende und überraschende Ansichten zu äußern; aber die waren wohl kaum merkwürdiger und ungewöhnlicher als die Ansichten anderer Zeitungsleser.

      Er war geschieden und vorurteilsfrei. Er lebte, umsorgt von wechselnden Haushälterinnen, in seiner großen Villa, doch ihm fehlten Gespräche und Menschen mit Sinn für witzige Sätze. Mit dem Missionspfarrer und dem alten Lehrer verband ihn nichts. Es gab einen jüngeren Lehrer, mit dem er Schach spielte, und einige vernünftige Leute unter den Hofbesitzern, mit denen er verkehren konnte. Es gab auch ein paar radikale Kleinbauern, mit denen es sich lohnte, freimütig zu sprechen. Und es machte ihm Spaß, mit dem Kommunisten Martin Olsen zu diskutieren, wenn sie sich zufällig trafen, obwohl der ihn oft geärgert hatte, wenn er sich zur Unzeit in die Angelegenheiten anderer eingemischt hatte, wie damals bei der Sache mit dem Fürsorgejungen, dem die Nase gebrochen wurde.

Скачать книгу