Der Irrläufer. Gudmund Vindland

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Der Irrläufer - Gudmund Vindland

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Magnus. Ich bleib hier sitzen und warte auf dich. Ich verlaß mich auf dich!»

      Magnus rudert sachte in den Sonnenaufgang hinein. Ich setze mich an den Rand der Anlegestelle. Die Luft ist kühl.

      Zwei Stunden später sitze ich noch immer da. Magnus ist zur Fjordmitte gerudert, aber ich kann ihn noch im Boot erkennen.

      Dann zucke ich zusammen, weil der Lagerchef Eirik über mir steht. «Was machst du hier, mitten in der Nacht? Weißt du, wo Magnus ist?»

      Ich schüttle den Kopf.

      «Hat Magnus das Boot genommen? So antworte doch, Junge!»

      «Hör zu. Magnus hat Schwierigkeiten. Er will allein sein und darüber nachdenken, und ich finde, das muß er dürfen. Also misch du dich da auf keinen Fall ein!»

      «Ist er mitten in der Nacht allein in dem Boot? Aber das ist ja streng verboten! Wo ist er? Wo ist er hingerudert? Antworte!»

      «Es ist nicht gefährlich! Du kannst ihn von hier aus sehen. Er sitzt da draußen im Boot, und es passiert ihm bestimmt nichts ...»

      «Bei meiner Arbeit in Gottes Weinberg hab ich schon viel Seltsames erlebt, aber das hier ist wirklich das Ärgste!» zischt der Mann. Dann verschwindet er in Richtung Haupthaus. Nach fünf Minuten kommt er mit einem anderen Leiter zurück, schließt das Bootshaus auf und holt eine Jolle mit Außenbordmotor heraus.

      «Nein! Ihr dürft nicht zu ihm fahren. Er will allein sein. Versteht ihr das denn nicht? Ihr werdet ihn nur erschrecken!» Ich versuche, ihnen das begreiflich zu machen, aber es nützt nichts. Die Verantwortlichen übersehen mich einfach, werfen den Motor an und jagen davon.

      Ich kann nicht sehen, was vor sich geht, aber ich spüre es. Fühle Magnus’ erstickende Angst, als das Boot näherkommt. Spüre, wie er in Panik ausbricht, als er sieht, wer ihm nachgefahren ist.

      Was werden die denken, wenn sie ihn nackt in einem Boot finden? Was wird er sagen?

      Ich kann hören, wie Magnus sie anschreit: «Geht weg! Nicht näherkommen!»

      Ich kann fühlen, wie das Entsetzen ihn packt. Ich spüre den Sprung. Den Fall. Und das Wasser, das sich über meinem Jungen schließt.

      Es dauerte eine Ewigkeit, bis sie endlich mit ihm kamen. Ich merkte, daß sie sich die Zeit genommen hatten, das Ruderboot in Schlepptau zu nehmen. Magnus lag auf dem Boden des Bootes, eingehüllt in eine Persenning. Er rührte sich nicht. Ich war ganz steif vor Angst und Schrecken.

      «Habt ihr ihn gerettet? Wird er’s überstehen?»

      Eirik musterte mich scharf und antwortete kurz: «Das weiß ich nicht. Lauf ins Haus, weck Aase und bitt sie, ein Krankenzimmer fertig zu machen. Und beeil dich gefälligst!»

      Ich flog. Weckte mehrere auf, eh ich Aase fand. Großer Aufstand. Und dann brachten sie Magnus. Ich konnte gerade einen Blick auf sein Gesicht werfen. Es sah blaß und verrückt aus – aber nicht tot.

      Ich ging hinter den anderen die Treppe hinauf, aber oben drehte Eirik sich um: «Du gehst raus und wartest draußen auf mich.»

      «Ja, aber ...»

      «Verstanden?!»

      Ein anderer Leiter schob mich die Treppe hinunter und zur Tür hinaus, die mit einem Knall geschlossen wurde. Ich sank in mich zusammen und ließ meinen Tränen freien Lauf. Ich hatte Angst. Versuchte, in all dem Chaos klar zu denken. Warum reagiert Magnus so? Warum hat er so entsetzliche Angst vor sich und seinen Gefühlen? Ich bin doch nicht gefährlich!

      Es war ein schöner Morgen. Die Sonne stand hoch am Himmel und wärmte schon ein bißchen. Mein Bein tat schrecklich weh – alles übrige auch. Ich saß auf der Treppe und war todunglücklich.

      Es läutete zur Morgenandacht. Aase kam heraus und schlug die Tür sofort hinter sich zu. Ich sprang auf: «Wie geht es Magnus?»

      «Ja, wir haben ihn gerettet. Jetzt ist er außer Gefahr.» Sie sah mich vorwurfsvoll an und zog den Mund noch mehr zusammen als jemals zuvor.

      «Du glaubst doch wohl nicht, daß das meine Schuld ist?»

      «Nicht?» blaffte Aase und ging.

      Gott sei Dank! Es geht ihm besser! Ich jubelte innerlich, aber dann kam die Unruhe wieder durch meinen Bauch heraufgekrochen, in die Arme, bis in die Haarwurzeln. Was hatte Aase nur gemeint? Was für eine Teufelei heckten sie denn nun wieder aus? Die Frage zitterte in mir, und zum Schluß konnte ich einfach nicht mehr dasitzen wie ein Idiot. Ich hämmerte gegen die Tür. Es dauerte eine Ewigkeit, bis sie plötzlich vom Lagerleiter höchstpersönlich aufgerissen wurde.

      «Ach, so, Yngve! Bei dir ist wohl nie Schluß mit dem Lärm!»

      «Wie geht’s Magnus?»

      «Tut mir leid, dich enttäuschen zu müssen, aber Magnus wird das alles heil überstehen, diesmal ging’s nicht nach Plan!»

      Ich begriff nicht, was er meinte.

      «Komm jetzt mit ins Büro. Laß uns das mit Gottes Hilfe hinter uns bringen!»

      «Wovon redest du eigentlich?»

      «Setz dich! Jetzt mußt du die Wahrheit erzählen. Magnus hat nämlich gebeichtet. Er hat alles zugegeben, und das waren ja wirklich keine Kleinigkeiten. Ich bin zutiefst schockiert, das muß ich wirklich sagen. Jedenfalls, Gottes Gnade kennt keine Grenzen. Magnus wird die Vergebung seiner Sünden erlangen. Dafür, daß er versuchte, sich das Leben zu nehmen ... und für die schrecklichen Taten, zu denen du ihn verleitet hast!»

      Ich war völlig baff. Er fuhr fort: «Das war wirklich im letzten Moment, Yngve. Du solltest Gott dafür danken, daß ich so schnell war. Ich war schon ziemlich nah an seinem Boot, als er gesprungen ist. Er war wie vom Teufel besessen ... oder vielleicht von dir? Was hast du mit dem Jungen gemacht? Wie hast du all dieses Elend zustande gebracht? Antworte!»

      Ich kam schnell wieder zu mir. Meine Stärke kam zurück mit der Gewißheit, daß nichts von all dem Gerede mit mir zu tun hatte. Ich hatte nichts Schlimmes getan. «Eins sag ich dir: Ich bin mir völlig darüber im klaren, was ich gemacht hab ... was Magnus und ich zusammen gemacht haben. Und ich schäme mich deswegen nicht. Weder vor dir noch vor Gott noch vor sonst irgendwem!»

      Eirik blies sich gewaltig auf, während ich sprach: «Danke, daß du dich so klar ausdrückst, junger Mann. Das macht es mir leichter, meine Pflicht zu tun. Du mußt sofort hier weg! Solche wie dich wollen wir nicht in unseren Lagern. Des weiteren werde ich die Eltern ... deine und die von Magnus ... über diese Vorfälle unterrichten. Und falls mir das nötig erscheint, werde ich auch deine Schule informieren. Das wird die Zeit zeigen ... Wir werden jedenfalls in Zukunft ein waches Auge auf dich haben!» Der Mann konnte sich nur mühsam beherrschen.

      Ich antwortete so klar und deutlich, wie ich nur konnte: «Du hast kein Recht, irgendwas zu berichten. Magnus und ich haben uns nichts zuleide getan, und er wollte nicht Selbstmord begehen. Er wollte allein sein, und du bist daran schuld, daß er gesprungen ist, weil du so blöd warst und ihn erschreckt hast. Und außerdem weigere ich mich, nach Hause zu fahren.»

      «In diesem Fall, junger Mann, werde ich dich persönlich nach Oslo zurückfahren.»

      «Nein, danke, Herr

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