Der Irrläufer. Gudmund Vindland

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Der Irrläufer - Gudmund Vindland

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Außerdem sind sie neugierig auf den Teufel – und der haust in der Unterhose.

      Magnus eröffnet den Abend mit einer kurzen Andacht – denn alles Festliche muß einen ernsten Rahmen bekommen. Dann singen wir in hunderttausend Sprachen Michael, row the boat ashore. Hallelujah!, begleitet von Gitarre und Akkordeon auf der Bretterbühne.

      Mitten in der letzten Strophe passiert oben auf dem Weg etwas, und alle müssen sich danach umdrehen. Da oben stehe ich in einem bodenlangen glänzenden lila Kleid und einem Hut mit unglaublich breiter Krempe und einer grünen Feder. Ich bin geschminkt wie Kleopatra – schwarz, lila und grün, passend zur Kleidung – und trage eine Menge Perlenketten und Ringe. Rosa Pumps. Vor mir habe ich einen Kinderwagen, Modell fünfziger Jahre, und darin sitzt Frode mit nacktem, haarigem Oberkörper, aufgemaltem Veilchen und Baskenmütze.

      Der Gesang ebbt ab, und beim letzten «Hallelujah» setzt sich unser Umzug den breiten Weg hinunter in Bewegung. Ich scheine die Kontrolle über den Kinderwagen zu verlieren und heule und kreische, während wir zur Bühne hinunterschlittern.

      Frode brüllt entsetzlich, und alle schreien. Ich fuchtle mit den Armen und sage mit Fistelstimme: «Guten Abend, meine Damen und Herren, dies ist eine Überraschung. Eigentlich sollte mein Mann hier heute abend auf der Strandpromenade einen Vortrag halten, aber leider ist mein Mann anderweitig beschäftigt, und ich muß einspringen! Und weil mein Mann leider ganz anderweitig beschäftigt ist, muß ich meinen kleinen Sohn mit herbringen.»

      Frode brüllt wie ein Tier und zerrt und reißt an seiner Puppe.

      «Er heißt Frank, nach meinem Mann, Herrn Frankenstein, und ist so ein liebes Kind! Wenn er nur genug zu essen bekommt. Bei uns zu Hause essen wir hauptsächlich Blutwurst. Hoppla! Nein, nein, Frank, nicht jetzt!»

      Frode hat ein großes Jagdmesser aus dem Kinderwagen genommen und sticht nach mir, und dabei sabbert und grunzt er.

      «Hast du Hunger, mein Goldkind? Ja, ja, wart nur einen Moment, gleich gibt die Mama dir die Flasche, ja, jaaaa ...» Ich ziehe eine Babyflasche mit dunkelrotem Inhalt hervor und gebe sie dem Kind, das sich gierig darüber hermacht. «Gibt es vielleicht einen Gentleman in dieser Versammlung, der mir und meinem kleinen Sohn auf das Podium helfen kann, damit ihr alle uns besser sehen könnt, wie seinerzeit die Großmutter zu Rotkäppchen sagte, aber wie ihr alle wißt, war das ja in Wirklichkeit der Wolf, und nachher hatte er richtig Blut geleckt, kann ich euch sagen ... hohohohoho.» Ich lache hysterisch und zeige herausfordernd auf Magnus, der blaß geworden ist und Skandal wittert.

      Er springt auf und eilt herbei: «Das darfst du nicht, Yngve! Dieser Sketch ist einfach zu schlimm ...»

      Ich lasse ein paar kranke Schreie hören und wende mich direkt ans Publikum: «Dieser edle Jüngling hier will nicht, daß ich euch heute abend diesen phantastischen Vortrag halte! Werdet ihr das zulassen?»

      Das Publikum brüllt «Neiiiin!» und pfeift. Frode bricht in Gorillagebrüll aus und beißt Magnus in den Schenkel. Magnus flüchtet.

      «Gibt es vielleicht noch andere Gentlemen, die mir mit meinem kleinen Sohn behilflich sein wollen? Er wiegt nur fünfundsiebzig Kilo und ist wirklich nicht gefährlich. Er mag nämlich nur Christenblut.» Zehn bis zwölf Jungen stürmen herbei und heben den Kinderwagen auf die Bühne. Alle klatschen. Ich schreite würdevoll die drei Stufen hinauf und werfe Handküsse: «Ihr sseid ein ssöness Publikum!»

      Sie klatschen und pfeifen. Ich nehme mein Manuskript hervor, räuspere mich affektiert und fuchtle mit den Armen: «Bellluuuut ist im Herzen und im Daumen!» Totenstille im Publikum. Keiner wagt zu atmen. «Das sehen wir, wenn wir uns schneiden!» Gelächter bricht los. «Es gibt auch Leute mit Belluut im Urin, und wenn das Belluut durch das Herz fließt, klopft das. Manche haben dünneres Belluut als andere, andere haben dickeres Belluut, aber Nonnen haben das dickste Belluut. Wißt ihr, was das ist? Es ist schwarz und weiß und rot und fliegt durch die Luft? Nicht? Das ist eine Nonne, die auf eine Mine getreten ist! Aus dem Herzen fließt das Belluut in die Zehen ... und dann wandert es wieder nach oben. Viele haben zuviel Belluut in der Nase, und das kommt raus, wenn man auf die Nase fällt. Wenn uns das Belluut zu Kopf steigt, ja, dann werden wir rot! Sch-sch-sch, Frank, jetzt sei still!» Frode hat sein Jagdmesser zwischen den Zähnen und manövriert den Kinderwagen auf der Bühne herum wie einen Rollstuhl. Er versucht dauernd, mich umzufahren, grunzt und brüllt gierig.

      «Aber das Beste am Belluut ist zweifellos sein ungeheuer hoher Nährwert! Deswegen machen wir daraus eine Menge leckere kleine Gerichte, wie zum Beispiel Belluutwurst, Belluutpudding, als Vorspeise und als Nachtisch, Belluutkuchen und natürlich auch Belluutklöße, gute Leute!

      Mein Mann und ich sind Mitglieder in einer Reihe von exklusiven Belluutclubs und haben sechsundfünfzig Belluutumläufe gewonnen. Auf Steinbahnen, Nierensteine! Des weiteren gibt es viele schöne Spiele, bei denen Belluut eine ganz zentrale Rolle spielt. Wir können da zum Beispiel das «Egelspiel» nennen, oder «Finde die Aorta». Mein kleiner Sohn hier spielt allerdings am liebsten Blütchen-Blütchenwechsledich. Das hat er bis vorige Woche immer mit seinem kleinen belluutarmen Spielkameraden gespielt.»

      Frode hüpft rasend in seinem Kinderwagen auf und nieder.

      «Ja, ja, mein Lämmchen. Wir werden dir schon einen neuen Spielkameraden besorgen, wart’s nur ab. Einen, der ein bißchen länger hält!» In dem Moment erblicke ich Eirik und sehe, daß alles Belluut aus seinem Gesicht verschwunden ist. Mir wird klar, daß ich die Stelle mit dem Sakrament und mit dem, daß wir alle im Belluut des Lammes gebadet sind, überspringen muß. Statt dessen gehe ich gleich zum letzten Akt über. «Drakula ist ein schrecklich belluutdürstiger Fürst und hat bellaues Belluut in den Adern und den Eckzähnen. In seiner berühmten Belluutbank in Transfusionanien befindet sich die garantiert größte Sammlung von Jungfrauenbelluut!»

      Jetzt springt Eirik hoch und rennt auf die Bühne zu.

      «Und jetzt, meine Damen und Herren, scheint es auch hier endlich ein wenig belluutig zu werden. Darf ich Ihnen unseren lieben heiligen König Eirik Belluutaxt vorstellen, der jetzt die Ehre haben wird, eine alte und festliche Tradition mit Namen Belluutbad vorzuführen. Sie hat viel gemeinsam mit Belluutsturz, denn das Belluut hat es sehr eilig und stürzt hinaus!»

      Schon ist Eirik auf der Bühne und sieht wirklich aus, als wollte er mich umbringen. Drei Sekunden lang ist alles still, dann reißt Frode eine Startpistole hervor und feuert in rascher Reihenfolge sechs Schuß ab. Ich schreie total wahnsinnig, greife mir an meine schwellende Brust und zerdrücke eine große Plastiktüte voll Ketchup, das nun hervorspritzt. Dann falle ich sacht und theatralisch um und verschmiere das Hemd von Eirik, Der will mich auffangen und hat nichts kapiert. Frode versucht, mich mit dem Kinderwagen zu überfahren, und Magnus zupft Eirik am Ärmel und erklärt, daß das alles nur Spiel ist. Das Publikum schart sich heulend um die Bühne. Chaos! Ich wälze mich im Ketchup. Eirik und Magnus ziehen mich auf die Beine und werden noch verschmierter. Ich schwanke einen Augenblick, und dann verzieht sich mein Gesicht. Ich entblöße angsteinjagende Vampirzähne, die ich mir heimlich aufgesteckt habe, und überschreie den Tumult: «Und wenn die Familie sich gegenseitig umbringt ... dann heißt das Belluutrache!»

      Damit gehe ich auf Frode im Kinderwagen los – der hat eine Ketchuptüte in der Baskenmütze – und schlage und trete und kratze und beiße. Eirik und Magnus geraten in Panik und versuchen dazwischenzufahren. Das Ketchup spritzt in alle Richtungen. Die Zuschauer sind außer sich vor Vergnügen und Schock. Ich halte den Moment für gekommen, den Kinderwagen von der Bühne und die Treppe hinunterzustoßen. Der kippt um, und Frode wirft sich blutig in die Menge – nur mit der Pistole und einer kleinen Windel bekleidet. Der Jubel will kein Ende nehmen.

      Er endet erst, als Eirik sich soweit wieder im Griff hat, daß er mehrmals «Still!» schreit. «Ihr

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