Gesammelte historische Romane von Jakob Wassermann. Jakob Wassermann

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Gesammelte historische Romane von Jakob Wassermann - Jakob Wassermann

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rasch zu Christen machen könne. Er hat Angst um ihr Seelenheil, soviel herrenloses Gut der Kirche bedrückt sein Gemüt. Doch weiß er sich am Anfang nicht zu stellen; er und seine Sendlinge sind im Befragen der »Wilden« nicht geschickt, es ergeben sich wunderliche Mißverständnisse, aber der Admiral hört nur, was er zu hören wünscht, d. h. er hört überhaupt nicht. Nur mit seinem fertigen Traumbild beschäftigt, erwartet er alsbald, daß die Schiffe des Groß-Chans in den von ihm entdeckten Häfen erscheinen werden und daß er das asiatische Festland in zehn Tagen erreichen muß. Da er an dieser Überzeugung nicht rütteln läßt, werden alle Auskünfte der Indios falsch gedeutet, umgedeutet und in seinem Sinn übersetzt, und was die Dolmetscher wie der sprachgelehrte Jude Luis de Torres, den er an Bord hat, hierin versäumen, besorgt er selbst. Wenn sie von einer Gegend namens Cami sprechen, glaubt er, sie reden vom Grandchan, und wenn sie von der großen Insel Kuba erzählen, versteht er Zayton und Quinsay. Sie bringen ihm Gemüse und Früchte, er aber will Gold. Er bemerkt und anerkennt ihre Zutraulichkeit und Sanftmut, ihren Diensteifer und ihre Bereitschaft, ihn als Gott anzubeten, jedoch ihre vollkommene Armut übersieht er gänzlich, er konstatiert nur mit Verwunderung, daß sie sich aus Gold nichts machen, was ihn noch mehr in der Meinung befestigt, daß jedes dieser kleinen Gartenparadiese von verborgenem Golde starrt. Und eine tiefe grüblerische Unruhe bemächtigt sich seiner: wie kann man des Goldes habhaft werden? wie die Indios zwingen, daß sie es herausgeben?

      Seine Aufzeichnungen lassen keinen gültigen Schluß darüber zu, wie er sich in seinem Innern zu den Indios wirklich verhielt. Meines Wissens hat auch noch niemand diese Frage zum Gegenstand der Forschung gemacht, obwohl sie sicherlich geeignet wäre, manche Unergründlichkeiten seines Charakters aufzuhellen. Man kann ihn nicht beim Wort nehmen, es gibt auch keines, bei dem er zu fassen wäre. Der Mensch des fünfzehnten Jahrhunderts hat im Hinblick auf soziale Konvention und humane Regelungen eine Verstellungsfähigkeit, für die dem heutigen Menschen jeder Begriff fehlt, und wenn man meint, die Insulaner seien für ihn nichts weiter als die lebendige Staffage in einer fremdartig-anmutigen Landschaft gewesen, so wäre das ebenso falsch, als wenn man im sentimentalen Geist des achtzehnten Jahrhunderts annähme, er habe einfache Naturgeschöpfe in ihnen gesehen, die er aus dem Dunkel der Unwissenheit befreien wollte. Voraussetzen darf man nur die absolute Fühllosigkeit, und nicht bloß die des Menschen seiner Zeit gegen den Nichtchristen, den nackt gehenden Gottlosen und in Glaubensfinsternis vegetierenden Wilden, sondern noch viel mehr die Taubheit und Blindheit des von seiner Idee besessenen Menschen gegen alle Erscheinung auf Erden, es sei denn, er bedarf ihrer, damit sie von der Idee zeuge und sie fördere. Aus diesem Grund kann man auch nicht von der Habsucht des Columbus reden, wie es oft geschehen ist; sein unstillbares Verlangen nach Gold hat eine andere Wurzel als die gemeine Gier. Don Quichote ist nicht habsüchtig, wenn er von den Schätzen des Kaisers von Trapezunt phantasiert; er betrachtet sie als Tribut, den ihm das Schicksal schuldig ist, er braucht sie zu seiner Bestätigung.

      Seine Haltung gegen die Indios ist von Anfang an feig, verräterisch und unsicher. Einerseits kann er ihre Naturhaftigkeit und Unverdorbenheit nicht genug rühmen, andererseits zerbricht er sich fortwährend den Kopf, wie er möglichst viel Profit aus ihnen ziehen kann, denn er betrachtet sie ja als sein Eigentum, in erster Linie als seines und dann erst als das der spanischen Krone. Am liebsten möchte er durch die Folter aus ihnen herausfragen, was er zu wissen begehrt; oder vielmehr, er will von ihnen hören, was er zu wissen vermeint, so behauptet er zum Beispiel, sie hätten ihm von hundsköpfischen Menschen und von anderen mit einem Auge mitten auf der Stirn erzählt, oder von Inseln, die nur von Amazonen bewohnt seien; er bezweckt dadurch, die Fabeleien antiker Schriftsteller, die für ihn ein scholastisch-wissenschaftliches Gepräge haben, mit der Wirklichkeit in Einklang zu bringen. Andererseits ist er klug genug, sie nicht einzuschüchtern, ehe sie ihm nicht ihre Goldlager (die nur in seiner Einbildung existieren) und den Weg nach der Hauptstadt des Groß-Chans verraten haben (der ebenfalls nur in seinem Wahn besteht). »Wenn es unserm Herrn gefällt, werde ich bei meiner Abreise sechs von ihnen für Eure Hoheiten mitnehmen, damit sie sprechen lernen«, schreibt er, ganz wie ein Entomologe, der eine Sammlung merkwürdiger Käfer heimzuschicken verspricht.

      Immer wieder heißt es: »Ich war sehr aufmerksam und gab mir viele Mühe, zu erfahren, ob Gold vorhanden sei«; oder: »Ich vernahm, daß im Süden ein König sei, der große Gefäße aus Gold besitze.« Auf Haiti bringt ihm ein Kazike ein handgroßes Stück Gold; er ist hochbeglückt und wendet sich im Gebet an Gott: »Möge der Allmächtige nach seiner Barmherzigkeit mir beistehen, daß ich die Minen finde, aus denen dieses Gold gewonnen ist.« Er verkauft den Indios kupferne baskische Trommeln: für Gold; er läßt ihnen Sirup verabreichen: für Gold; das meiste Ergötzen bereiteten den verspielten Naturkindern die kleinen Schellen aus Messing, die die Spanier als Tauschartikel mit sich führten; der Admiral überschwemmte die Bahama-Inseln, Kuba, Española und später die Küste des Kontinents zu Tausenden mit Klingelschellen: und bekam Gold dafür. Er schreibt: »Meine Leute sahen einen Indio, der ein Goldstück von der Größe eines kastilianischen Talers trug, und ich machte ihnen Vorwürfe, daß sie es nicht gekauft hatten.« An anderer Stelle: »Ganz gewiß ist es Gold, was ich sah, und ich hoffe mit Hilfe unseres Heilands den Ort zu finden, wo es wächst.« Oder: »Ich werde den König dieser Insel sehen, dessen Kleider, wie ich höre, mit Gold bedeckt sind.« Oder: »Ich werde auf dem Weg nach Bohio alle Eilande besuchen und, je nachdem ich Vorräte von Gold und Spezereien finde, beschließen, was ich zu tun habe.« Am 23. Oktober: »Ich sehe davon ab, die Insel Kuba zu besuchen, die ganz gewiß Zipangu sein muß, weil ich glaube, daß es dort keine Goldminen gibt.« (Er ändert aber dann seinen Entschluß.) Am neunundzwanzigsten kommen sechzehn Kanoes auf das Schiff zu, beladen mit gesponnener Baumwolle; der Admiral schärft seinen Leuten ein, nichts davon zu nehmen, damit sie merken, er suche nichts als Gold (wörtlich). Am 6. November: »Die mich begleitenden Indios sagen, auf der Insel Baneque sei so viel Gold, daß man es unter einer dünnen Erdschicht erkennen könne.« Am 25. November: »Der Admiral ging an den Fluß und sah dort viele goldgefleckte Steine glänzen.« Die gierigen Sinne täuschen ihn, es ist gewöhnlicher Kalkspat oder Glimmerschiefer, wie sich später bei der Untersuchung in Spanien erweist.

      Er denkt und träumt nichts anderes als Gold. Es ist seine Qual, sein Stachel, seine Manie, seine Hoffnung. Ich habe von der Bestätigung gesprochen, nach welcher Don Quichote verlangt und nach der Art seines aller Wirklichkeit zutiefst entfremdeten Geistes schmerzlich verlangen muß. Ein Mittel zur Bestätigung ist auch das Gold, aber es öffnet sich da noch ein Abgrund: Ein Mann, der mit solcher Besessenheit vom Gold spricht, nach Gold lechzt, ein Mann von reifen Jahren, verrät damit, daß er sein bisheriges Leben in Dürftigkeit und Entbehrung hingebracht hat, und nicht allein das, auch die allgemeinen sozialen Bedingungen müssen die engsten, bedrückendsten, kümmerlichsten gewesen sein, die höfischen, die bürgerlichen, die des ganzen Volkes, ja des ganzen europäischen Kontinents. Und das trifft kulturgeschichtlich zu. Da ist keine Lockerheit, kein Behagen, nicht der schüchternste Lebensgenuß, und für die Kargheit und Strenge, die das private Dasein in Fesseln schlug, entschädigten nur prunkvolle Massenaufzüge, religiöse Ekstasen und blutige Orgien.

      Aber auch das genügt nicht zur Erklärung, man muß noch tiefer gehen. Zuallertiefst ist immer die Angst.

      Gewiß, den handgreiflichen Beweis muß er haben, daß er nicht der sterile Phantast gewesen, als den ihn seine Gegner verhöhnen; mit einem Schlag kann er die Zweifler zum Schweigen bringen, die ihm soviel Kummer und Zurücksetzung verursacht haben und deren Stimmen, Mienen, störrische Widerrede und boshafte Nachrede seinen Schlaf mit Unruhe erfüllen; er braucht nur ein Dutzend Säcke Gold vor ihre Füße zu schütten, und sie müssen an ihn glauben, sie müssen gestehen, daß er ein überlegener Geist ist, ein Mann, dem sie bitteres Unrecht zugefügt haben. Er genießt schon zum voraus ihr Erstaunen, ihre Beschämung, ihre demütigen Entschuldigungen, denn arme Schlucker, wie die meisten von ihnen sind, können sie nur durch den Augenschein des Goldes, dieses unwiderleglichsten aller Argumente, zur Anerkennung seiner Verdienste gezwungen werden. Seine Vergangenheit, sein Charakter und alle seine Äußerungen lassen annehmen, daß er ein Mensch der unausrottbaren kummervollsten Ressentiments war.

      Die aber, die ihm Beistand geleistet und Opfer gebracht haben, die müssen

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