Gesammelte historische Romane von Jakob Wassermann. Jakob Wassermann

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Gesammelte historische Romane von Jakob Wassermann - Jakob Wassermann

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Schriftsteller es auf sich nähme, die wahrhaftige, vom verfälschenden Dunst der Abenteuerlichkeit gesäuberte Geschichte der Nachfolger des Columbus zu schreiben, die Menschheit würde sich schaudernd von dem Spiegelbild abwenden, das ihr da entgegengrinste.

      Um die indischen Angelegenheiten zu regeln, wurde eine eigene Behörde errichtet, an deren Spitze Colón als Admiral, Vizekönig und Gouverneur stand; dem Namen nach; das wirkliche Haupt war der Archidiakon von Sevilla, Juan de Fonseca, geheimer Rat des Königs, ein äußerst weltgewandter Herr, der sich auf Schiffe, Kanonen und Munition besser verstand als auf Evangelium und Brevier; entschieden handelnder Charakter, brachte er in den schleichenden Geschäftsgang der spanischen Kanzleien ein ungewöhnliches Tempo. Er war dem Columbus nicht geneigt; er beneidete ihn, er haßte ihn, er suchte ihn zu lähmen, seine Tätigkeit zu durchkreuzen, seine Verdienste herabzusetzen, wo er irgend konnte. Zunächst in der Stille und im Verborgenen. Einem Mann, der so blendend beleuchtet in der Sonne des Ruhms stand, mußten die Wege mit demonstrativer Willfährigkeit geebnet werden. So ergingen vorerst strenge Verfügungen über Lieferung, Kauf und Abmietung von Fahrzeugen, Waffen und Proviant, deren sich zu einem angemessenen (d. h. also willkürlich zu bestimmenden) Preis zu versichern die Beauftragten bevollmächtigt waren, auch hatten sie Befugnis und Gewalt, Pfändungen, Verhaftungen, Subhastationen, Verkäufe von Gütern und Waren vorzunehmen »nebst allen Inzidenzien, Dependenzien, Annexidaten und Connexidaten«. Den Kornhändlern in Sevilla und Cadix wurde befohlen, vierhundert Scheffel Getreide dem Alcalden von Malaga, fünfzig Harnische, fünfzig Hakenbüchsen, fünfzig Armbruste für den Bedarf der Armada zu liefern. Von ergötzlicher Borniertheit war das Verbot, daß irgendein Schiff, irgendeine Person, wes Standes und Namens immer, ohne die Genehmigung der Herrscher, des Admirals oder des Archidiakons nach den neuentdeckten Ländern reise, und Personen von anderem als katholischem Glauben konnten die Erlaubnis auf gar keinen Fall erlangen. Die geistliche Sorge stand voran. Deshalb fand der Antrag des Admirals bei den Majestäten ein gnädiges Gehör, daß sie ihm bei der Bekehrung und Belehrung der Indios tätige Hilfe leisteten. Zwölf auserwählte Mönche, die sich bei der Vertreibung der Juden und Mohammedaner hohe Verdienste erworben und schon manche Ketzer zum Scheiterhaufen gebracht hatten, wurden für würdig befunden, die Ungläubigen in den Schoß der Kirche zu führen, ihr Oberhaupt war Bernardo Buyl, Mönch vom Benediktinerorden des Klosters Monserrat, den der Papst zum apostolischen Vikar des neuen Indiens ernannte.

      Es gingen mit: Bergleute, Zimmerleute, Ackerbauer, Maurer, Schlosser, Schneider, Schuster, Weber, im ganzen über tausend besoldete Handwerker. Um die friedlichen Ansiedler zu schützen, bedurfte es einer geschulten Truppe; zwanzig Lanzenreiter aus Granada verdienen genannt zu werden, denn sie wurden binnen kurzem der blutige Schrecken der Indios. Eine große Zahl von Edelleuten hatte sich zu der verheißungsvollen Fahrt gedrängt, unter ihnen der hochherzige junge Alonso Ojeda, ein echter Ritter von bedeutenden Gaben und kühnem Geist, der durch seine Taten der Abgott schwärmerischer Jugend wurde. Von der Familie Pinzon nahm keiner mehr an dieser Fahrt teil. Martin Alonso war wenige Tage nach der Heimkehr gestorben, empfindsame Historiker behaupten, der Kummer habe sein Leben verkürzt, Columbus habe, sagen sie, über seinen Ungehorsam bei der Königin Beschwerde geführt, und als Pinzon den Wunsch geäußert, selbständig seinen Bericht zu erstatten, sich persönlich verantworten zu dürfen, sei ihm vom Hof bedeutet worden, er habe im Gefolge des Admirals zu erscheinen, da er dessen Untergebener sei, nichts weiter. Dies habe ihn so schwer gekränkt, daß er bald darauf starb. Es mag sich wohl so abgespielt haben; die Rache zu verschieben, um ihrer im rechten Moment sicher zu sein, das entsprach durchaus dem finstern und vergeltungssüchtigen Gemüt des Columbus.

      Am 23. September verließ die Flotte, eine höchst mangelhaft disziplinierte Ansammlung von Schiffen und Menschen, den Hafen von Cadix, am 3. November, nach vierzigtägiger Reise, wurden die Inseln Dominica und Guadelupe gesichtet, aber erst zwei Wochen später erreichte sie Española und jenen Hafen von La Navidad, wo die Siedlung für die zurückgelassenen Spanier gegründet worden war.

      Der Admiral ließ Salut schießen. Keine Antwort von der Küste. Der Gruß blieb unerwidert, tiefes Schweigen, auch kein Feuersignal war zu sehen. Dem Columbus ahnte nichts Gutes. Am andern Morgen erschienen Abgesandte des Kaziken und brachten als Bewillkommungsgeschenk zwei goldene Masken, die sie zu Füßen des Admirals niederlegten, worauf sie sich entfernten. Am Abend kamen abermals Leute des Guacamari, blieben jedoch am Strand und erklärten bedrückt, sie wollten erst an Bord gehen, wenn sie mit dem Admiral gesprochen hätten. Ganz recht, antwortet man ihnen, dort ist der Admiral, auf der Kommandobrücke steht er. Ja, sagten die Indios naiv, das mag wohl sein, aber ihr müßt uns ein Licht geben, damit wir ihn erkennen können. Dies geschieht, sie erkennen Columbus, zögernd steigen sie die Reling herauf, bleiben stumm und ängstlich im Halbdunkel. Wo ist euer Häuptling? fragt man sie, warum kommt er nicht, er ist doch unser Freund? Er ist krank, erwidern jene. Wie denn, krank? Nun, nicht eigentlich krank, aber er kann nicht gehen, er hat ein verletztes Bein. Sie sagten es aber in einem Ton und in einer Art, als fürchteten sie sich und hätten ein schlechtes Gewissen, denn einer sah immer den andern an, und keiner wollte zuerst reden. Wo sind denn unsere Landsleute? forschten die Spanier streng, warum ist es so still am Lande? wo sind sie denn hingegangen? haben sie euch keine Botschaft aufgetragen? hat uns der Kazik nichts von ihnen zu berichten? So mit Fragen in die Enge getrieben, erzählten sie endlich eine Geschichte, die sie offenbar sorgsam eingelernt hatten und deren Unwahrheit sie schon durch ihr geläufiges Plappern verrieten: Ein Stamm aus dem Süden sei auf der Insel gelandet, habe ihr Dorf überfallen und die spanischen Siedler angegriffen, wobei einige getötet worden seien, die andern befänden sich jedoch wohl, aber Guacamari habe bei der Verteidigung eine Wunde am Schenkel erhalten, die ihn zu seinem Leidwesen verhindere, dem Admiral die schuldige Ehre zu erweisen.

      Das alles war sehr verdächtig und beunruhigend. Wenn ein Teil der Spanier noch lebte, warum zeigten die sich nicht? Es war doch anzunehmen, daß sie die Rückkehr der Ihren kaum hatten erwarten können. Am nächsten Tag gingen zehn oder zwölf Matrosen und einige Edelleute an Land, und einer, der schon die erste Reise mitgemacht und das Terrain kannte, war der Führer. Sie fanden die ehemalige Wohnung Guacamaris in Asche liegen, auch die Hütten ringsum waren zerstört; unweit davon stießen sie auf das völlig zertrümmerte Blockhaus, das den Ansiedlern als Wohnung gedient hatte, und daneben auf das sogenannte Fort, dessen Palisaden ausgerissen waren, und um dessen verkohlte Reste menschliche Leichname lagen. Man suchte weiter und entdeckte unter Busch und Gras versteckt und nachher auch in den Hütten der Indios verschiedene Habseligkeiten der Erschlagenen, denn daran ließ sich nun nicht länger zweifeln, daß von den unglücklichen Kolonisten keiner mehr am Leben war, daß alle achtunddreißig umgebracht worden waren. Aufklärung über das Geschehene war aber nicht zu erlangen, die Indios beharrten steif und fest bei ihrem Märchen von dem Überfall des fremden Stammes. Endlich beschloß der Admiral, den angeblich verwundeten Guacamari aufzusuchen und zur Rede zu stellen. Unbegreiflich, daß er damit so lange wartete, warum eigentlich? Aber wir wissen es ja: was ihm unangenehm ist und ihn zu Entscheidungen zwingt, schiebt er stets auf die lange Bank; vor Unwiderruflichkeiten fürchtet er sich maßlos. Er nimmt den Wundarzt mit und außerdem den Doktor Chanca, der als Arzt auf dem Admiralschiff diente und dem wir einen ziemlich genauen Bericht über die zweite Reise verdanken, einen gewissenhaften und trockenen Bericht, der einen einigermaßen gebildeten Mann verrät. Sie gehen also hin, große Begrüßungszeremonie, der Kazik liegt bewegungslos da und verzieht nur manchmal das Gesicht ein wenig, als unterdrücke er heftige Schmerzen. Doktor Chanca nimmt ihm die Binde vom Schenkel, wie es der Admiral verlangt: nicht die Spur einer Verletzung. Es ist ja keine Wunde da, sagt der Arzt, du bist so gesund wie wir. Der Häuptling schüttelt mit enigmatischem Lächeln den Kopf, als ob ein Fremder das nicht verstehen könne, und die Medizinmänner stimmen ein klagendes Geheul an. Sonderbare Sache; Columbus weiß nicht, was er tun soll; daß da eine durchtriebene Komödie gespielt wird, liegt auf der Hand, aber die Konsequenzen wagt er nicht zu ziehen, es könnten noch andere Stämme im Einverständnis sein, und das ganze Land voller Feinde gegen sich zu haben will er vermeiden, vorläufig will er auch die geschehene Untat nicht wahrhaben; gäbe er sie zu, was würden alle diese Edelleute von ihm denken, denen er seit Wochen und Monaten von der Sanftmut und Unschuld der Wilden vorgeschwärmt hat? Sie würden ihn für einen Schwindler erklären oder sich über

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