Panik-Pastor. Martin Dreyer

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Panik-Pastor - Martin Dreyer

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meine Angst vollkommen unbegründet war, ist nichts Neues. Aber ich muss lernen, nicht zu sehr auf die Reaktionen der Zuschauer achtzugeben, sondern mehr in meinem eigenen Gedankenfluss bleiben. Dass ich mit Lampenfieber in der Kirche zu kämpfen habe, wusste ich bereits. Aber dass es auch ein Problem in der Schule werden kann, musste ich bei meinem nächsten Einsatz in Schneeberg ganz hart erleben.

      Nachtrag: Einen Tag nach meinem Einsatz in Essen erzählt mir der Veranstalter, dass die Jugendlichen, die den Gottesdienst vorzeitig verlassen hatten, aus einer stationären Jugendeinrichtung kamen. Diese liegt fünfzig Kilometer entfernt, sodass sie den letzten Bus erwischen mussten, um einigermaßen rechtzeitig nach Hause zu kommen. Es war ein Wunder, dass sie überhaupt so lange geblieben sind.

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      3

      SCHNEEBERG

      Juni 2012

      Angst auf einem Schuleinsatz in Schneeberg, ein Tagesseminar mit der Jugend und wie ich dem Satan übergeben wurde

      Die Zugfahrt nach Schneeberg ist mal wieder ein Genuss. Grüne Landschaften, wunderschöne Waldstücke, bis man endlich die ersten Gipfel vom Erzgebirge erkennen kann. Ich freue mich schon sehr auf die Zeit bei den alten Freunden. Die freie evangelische Gemeinde Schneeberg lädt mich nun schon über einige Jahre immer Ende Januar für ein ganzes Wochenende ein. Ich weiß gar nicht mehr, wie der erste Kontakt zustande kam. Aber mittlerweile habe ich das Gefühl, es ist so, als käme ich nach Hause. In all den Jahren sind richtiggehend tiefe Freundschaften entstanden. Ein wenig hat mich die Gemeinde adoptiert und umgekehrt auch ich die Gemeinde. Die drei Tage in Sachsen sind jedes Mal sehr intensiv. Meist fangen wir bereits am Freitag mit einer Veranstaltung in der Schule an, abends gibt es ein Treffen mit den Leitern der Jugend. Samstag wird ein Tagesseminar angesetzt mit einem überregionalen großen Abschlussgottesdienst in der Kirche. Und Sonntagmorgen darf ich zum Abschluss noch einmal im Gottesdienst der Erwachsenen der Gemeinde predigen. Meine Veranstaltungen in Schulen haben immer mit meiner Volxbibel zu tun, die ich Anfang des neuen Jahrtausends schreiben durfte. Damals arbeitete ich in einem städtischen Jugendzentrum, und mir fiel auf, dass viele biblische Begriffe für junge Menschen eine vollkommen andere Bedeutung bekommen hatten. Sünde war etwas Positives geworden, der Heilige Geist ein anderes Wort für Schnaps und bei den Zehn Geboten gab es Assoziationen zur Straßenverkehrsordnung. Darum habe ich versucht, die ganze Bibel in einer Art Straßensprache zu übertragen, mit Worten und Bildern aus der heutigen Zeit. Mein Bibelbuch wurde von konservativen Kreisen damals stark kritisiert, war aber auf der anderen Seite ein richtig großer Verkaufshit. Es landete sogar in der säkularen Bestsellerliste unter den Top 20.

      Der Pastor hat die Kirche in Schneeberg nicht selbst gegründet, er kam erst später dazu. Dennoch steckt er mit seinem ganzen Herzen mitten in der Arbeit.

      Endlich kommt mein Zug am Bahnhof an und der Pastor begrüßt mich wie immer sehr herzlich. Seine Kinder hatten zufällig schon in jungen Jahren Kontakt mit den »Jesus Freaks«, daher gibt es schnell ein gutes Einstiegsthema. Für ihn ist es eine positive Entwicklung, dass seine Kinder mit meinem geistlichen Werk zu tun haben. Schon bei einem unserem ersten Zusammentreffen vor vielen Jahren erzählte er mir, dass nach seiner Einschätzung die Töchter wohl nichts mehr mit dem Glauben an Gott zu tun haben würden, wenn es nicht die »Jesus Freaks« gegeben hätte. Das finde ich schön.

      Nach einer längeren Fahrt kommen wir in der Mittelschule in Schneeberg an. Die Lehrerin wartet schon vor dem Eingang auf uns. »Guten Tag, Herr Dreyer, schön, dass Sie da sind!« Ich grüße zurück.

      Um ehrlich zu sein, fallen mir solche Schuleinsätze immer sehr schwer. Ich habe damit einmal eine sehr schlechte Erfahrung gemacht. Schüler sind ab einem gewissen Alter unberechenbar. Eine Schulstunde über die Volxbibel kann eine wunderbare Sache sein. Sie kann sich aber auch zu einer absoluten Horrorveranstaltung entwickeln, zumindest für den Pädagogen, also für mich.

      Vor Jahren sollte ich einmal in einer Kölner Gesamtschule die Volxbibel als Projekt vorstellen. Vor den drei elften Klassen lief es noch hervorragend. Die Schüler stellten die richtigen Fragen, ich war locker und entspannt, die Sitzung war ein voller Erfolg. Dann kamen drei zehnte Klassen und hier lief es sogar noch etwas besser. Am Ende der Unterrichtsstunde hob ein junges Mädchen die Hand und fragte: »Sagen Sie, so wie Sie über diesen Jesus reden, hat man das Gefühl, Sie glauben wirklich, dass es den gibt, oder?« Was für eine Steilvorlage. »Ja, natürlich glaube ich das!«, antwortete ich freudestrahlend. »Ich habe vorhin noch mit ihm gesprochen!« Anschließend konnte ich ausführlich das Evangelium erklären und die staunenden Schüler hörten mir dabei aufmerksam zu.

      Aber dann kamen die neunten Klassen. Und das war der reine Horror. Bereits nach fünf Minuten spürte ich eine große Unruhe im hinteren Teil des Raumes. Dort saßen vier Jugendliche, die sich aus meiner Lesung einen Spaß machen wollten. Ich war pädagogisch vollkommen überfordert. Mit allem hatte ich gerechnet, auf alles war ich vorbereitet, aber nicht darauf, verlacht zu werden. Die vier hoben nacheinander immer zu einem falschen Zeitpunkt die Hände und stellten nicht ernst gemeinte Fragen, die mich vollkommen aus der Fassung brachten. »Würde Jesus auch Fußball spielen?« Oder: »Was für Kleidung trug Jesus?« Das waren noch die leichter zu beantwortenden Fragen.

      Dann wurde es aber immer obskurer. Ob Jesus sich die Schuhe zubinden konnte, ohne hinzuschauen, oder ob er vielleicht schwul war. Die Schüler grölten, weil ich rot anlief und krampfhaft versuchte, eine gute Antwort zu finden, die es gar nicht gab. Die Situation überforderte mich damals komplett. Und sie löste in mir natürlich eine Angstattacke aus, die ich nicht mehr beherrschen konnte. Knallrot angelaufen, im Körper eine Überdosis Adrenalin und schweißgebadet brach ich die Schulstunde nach der Hälfte der Zeit ab. Der zuständige Lehrer schritt leider nicht ein, vielleicht hatte er sogar mehr Angst als ich. Ich war mit der Situation komplett überfordert. Danach hatte ich mir eins ganz fest vorgenommen: nie wieder Schuleinsätze!

      Der Leitungskreis der Schneeberger Gemeinde weiß natürlich nichts von meinem Schwur und absagen kann ich jetzt auch nicht mehr. Ich tröste mich mit dem Gedanken, dass Köln nicht Schneeberg ist und die Jugendlichen mich vielleicht freundlicher aufnehmen werden als die aus der viertgrößten Stadt Deutschlands.

      In der Klasse angekommen, verspüre ich sofort wieder den Adrenalinanstieg im Blut. Das Lampenfieber kommt. Meine hektischen Flecken am Hals sind nun für jeden sichtbar, und das ist mir extrem peinlich. Meine Ängste sind, wie ich finde, in dieser Situation vollkommen berechtigt. Niemand mag es, wenn eine Gruppe von jungen Menschen die eigene Unsicherheit spürt. Das fühlt sich mies an. Ich versuche, das Lampenfieber zu übertünchen, mache ein paar trockene Sprüche, die aber meine starke Nervosität nur noch mehr aufzeigen. Schließlich stelle ich den Schülern mit einer PowerPoint-Präsentation kurz das Projekt Volxbibel vor. Alle hören mir mehr oder minder aufmerksam zu und nach einer Weile wird meine Angst etwas weniger. In diesen Lampenfiebersituationen hilft eine Präsentation mit Folien sehr, weil sie einem Skript gleichkommt, dem man stur folgen kann, egal, wie man sich fühlt.

      »Im nächsten Teil möchte ich mit euch ein kleines Experiment wagen. Ich gebe euch hier in Kopie einen ganz berühmten Text aus der Bergpredigt. Jesus sagt dort einige extreme Worte zum Thema Gewalt. Ich habe von eurer Klassenlehrerin gehört, dass ihr an der Schule gerade ein Problem mit Gewalt auf dem Schulhof habt, ist das richtig?« Einige Schüler nicken, besonders die Mädchen. »Teilt euch bitte in fünf Gruppen auf und versucht diesen Text einmal zu vervolxbibeln. Das heißt, dass ihr ihn in eure eigenen Worte umformulieren sollt, mit Bildern,

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