Die zehnte Göttin des Gesangs. Carina Burman

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Die zehnte Göttin des Gesangs - Carina Burman

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wir uns nicht.

      »Es wäre ein allzu großer Schritt, wenn man plötzlich eine so große Gruppe zu den Wahlurnen ließe«, sagte der Kandidat. »Dem weiblichen Geschlecht fehlt doch jeglicher politischer Verstand.«

      »Mit anderen Worten, genau wie dem männlichen!« erwiderte ich und strich Butter auf eine zweite Scheibe. »Man denke nur an all die kindlichen jungen Männer, die kraft ihres Vermögens zu den Wahlurnen dürfen!«

      Vielleicht war der Kandidat ein wenig verlegen, doch ließ er sich nicht abschrecken, sondern blieb keine Antwort schuldig. So kabbelten wir uns, als fände die Diskussion in der Tischgemeinschaft statt, bis Thea und der Baron ihr Gespräch über den Geist der Römerzeit beendeten. Da wurde die Tafel aufgehoben, und wir zogen uns sämtlich zurück, um (wie der Baron es ausdrückte) die Hände nach dem Frühstück zu waschen.

      Eine halbe Stunde später geleitete uns der alte Baron in die Bibliothek des Hauses. Ein massiver Eichenschreibtisch war so im Raum plaziert, daß man den Vorplatz, die Nebengebäude und die Wohnhäuser der Instleute im Blick hatte. Ein Freiherr, der sich eine Vorliebe für Bücher erlaubte, hatte also dennoch Gelegenheit, den Betrieb zu lenken. Jetzt zeigte eine aufgeschlagene Sammlung von Runeninschriften, daß Kandidat Månson seine Studien hierher verlegt hatte. Neben dem Buch lag ein Briefbündel, mit Pappe umwickelt und verschnürt. Ein Siegel hielt den Knoten zusammen.

      Der alte Baron Fabian wies jedem von uns einen Sessel zu und nahm das Briefbündel zur Hand. Die Runen legte er in einen drehbaren Ständer und murmelte von einer Prüfung, die der junge Gabriel im Herbst vor sich hätte. Genau das hatte ich mir gedacht. Nordische Sprachen pflegen zu den ersten Prüfungsfächern zu gehören.

      »Ich will nur das Siegel erbrechen, dann haben Sie freie Hand mit den Briefen.«

      Er nahm einen orientalischen Brieföffner vom Schreibtisch und brach den Lack los. Choice erhielt das ganze Bündel und bosselte die Schleife auf. In meinem ganzen Körper kribbelte es, und die Finger sehnten sich nach den Briefen. Choice teilte das Bündel in drei kleinere Häufchen und gab jedem von uns eins davon. Das Papier war gelb und trocken, und es duftete vage nach einem Kraut, das wohl einst bei den Briefen gelegen hatte. Ich schnupperte. Es war nicht Lavendel, es war etwas anderes. Choice faltete den ersten Brief auf und rümpfte die Nase. »Du meine Güte! Es riecht wie Lammbraten!« Und dann zog sie ein trockenes Zweiglein aus dem Kuvert.

      »Das bekam Beata Hochhauer von Frau Brenner, pflegte mein Vater zu sagen.«

      »Dies hier ist Rosmarin, das ist für die Erinnerung. Ich bitte Euch, liebes Herz, gedenket meiner!« zitierte ich. »Kennt ihr euren Hamlet nicht? Rosmarin war immer ein Symbol der Erinnerung. Es war auch die Blume der Jungfrau Maria.«

      »Also die Brenner hat der Hochhauer einen Zweig Rosmarin geschickt, damit sie ihrer gedenke? Komische Leute, diese barocken!« Choice legte das Rosmarinzweiglein vorsichtig zurück. Der Freiherr erhob sich und ließ uns mit der Brenner allein.

      Ich schaute den Brief an, der zuoberst auf meinem Häufchen lag. Er war im Oktavformat, beschrieben mit der winzigen, rundlichen Handschrift der Brenner, und auf der Rückseite stand die Adresse:

      A Ma Dame

      Ma Dame Baronesse Beata Gyllensporre

      Le Château de Ekesta

      a Norrköping et Finspong

      Er unterschied sich nicht viel von anderen Briefen, die ich gesehen hatte, möglicherweise konnte es verwundern, daß die Brenner Ekesta ›château‹ nannte. Vielleicht hatte sie das Haus nie gesehen, oder vielleicht war auch das nur ein Zeichen karolinischer courtoisie. Der Brief war in deutsch verfaßt. Später fertigte ich eine Übersetzung an, die für die Kommentare von Nutzen sein könnte:

      Meine liebste Schwester Beata!

      In diesem Dezemberdämmer, in dem wir alle die Ankunft des Herrn erwarten, schreibe ich Dir einen Brief in Freude wie in Trauer. Zuvor wünsche ich, daß es Dir in diesen Zeiten wohlergehe, die Kinder sich beständiger Gesundheit erfreuen und Dein Herr Sohn vielleicht von Uppsala heimkomme, um unter der Weihnachtszeit bei Mutter und Vater zu weilen. Schwer ist es ja, für einen adligen Jüngling in diesen Zeiten. Steht er sich gut mit der Gelehrsamkeit, so wie mir der gelehrte Herr Eric Benzelius erst kürzlich in einem Brief versicherte? Da unsere junge Majestät ins Feld gezogen und die ganze Welt von den Tönen seines Ruhms widerhallt, scheint es mir schwer für einen jungen Herrn gleichen Alters, bei den Büchern auszuharren, zumal er einem alten Rittergeschlecht entstammt. Doch vielleicht ist Dein Carl aus anderem Stoff als unsere Majestät, und vielleicht hast Du recht, daß er einen hervorragenden Erzbischof abgäbe (das Wort war kursiv geschrieben und in schwedisch).

      Desgleichen hoffe ich, daß die Verrichtungen auf Ekesta Deine Kräfte nicht über die Maßen beanspruchen – beide sind wir keine jungen Mädchen mehr, und ich verspüre selbst, daß auch unser kleiner Haushalt eine rechte Belastung sein kann. Nicht daß die großen Mädchen mir nicht zur Hand gingen – Du weißt, welche Stütze mir Sofia, Susanna und Regina waren.

      Doch jetzt vernimm meine große Trauer, die einer Freudenstunde entsprang. Denn, obgleich mich die Zeit der Ankunft des Herrn erfreut, die jedes christliche Herz und nicht zuletzt unseren schwarzen Winter erleuchtet, so betrauere ich zugleich den Tod einer Tochter, der unter den denkbar betrüblichsten Umständen statthatte.

      Meine teure Beata! Du bist Mutter, so wie ich. Seit unseren jungen Jahren haben wir beide mit unseren Gatten gelebt, Du mit dem Herrn Baron und ich mit meinem Elias – und ich versichere Dir, wie ich es immer getan: Wenn ich in meinen Gedichten Elias als Marite optime anrief, so war dies nicht dichterische Freiheit. Einen besseren Gatten gibt es sicher nicht, zumindest nicht für Deine Sophia.

      Mit Elias kamen, wie Du weißt, zwei Töchter in die Ehe, Susanna und Regina, welche beide noch sehr klein waren, als wir in die Brautbank traten. Ihnen fehlte die Erinnerung an ihre leibliche Mutter, und ich empfand für sie wie für meine eigenen Kinder und war ihnen – so glaube ich selbst – eine gute Stiefmutter. Als meine Älteste, meine weißhäutige Sofia geboren ward, wurde sie ihnen Spielgefährtin, und später betreuten und beschützten sie ihre kleinen Geschwister.

      Es nahte der freudige Tag, da Susanna Diana kennenlernen sollte. Ich glaube, ich berichtete Dir von der beabsichtigten Vermählung mit dem guten Hüttenpatron Anders Gyllenhöök. Es war eine Heirat, welche ich lebhaft beförderte – ein kluges Mädchen und ein junger Mann, drei Jahre nur älter, von angesehenem Stand und nicht üblem Äußeren. Elias und ich rüsteten für die Hochzeit, und dieselbige fand mit großem Gepränge statt. Zu dieser Gelegenheit verfaßte ich das hier eingeschlossene kleine Gedicht.

      Du selbst hast Töchter. Ich gab Susanna eine lange Schilderung aller Pflichten und Rechte einer verheirateten Frau, der Geheimnisse des Ehelebens und von all dem anderen. Vielleicht berührte ich auch Diana. Und die Hochzeit fand ganz standesgemäß statt. Runius machte ein lustiges Rätsel, das die Braut und ihre Schwestern erröten ließ, es wurde eifrig getanzt, und mein Louis stolzierte in seiner neuen Uniform einher wie ein ganzer Kerl. Mit üblicher Munterkeit und mit Scherzen folgte unsere Jugend Susanna und ihrem Gyllenhöök zur Brautkammer, tanzte ihr die Brautkrone ab und rief all das, was man bei einer Hochzeit tut. Gewiß ängstigte ich mich ein wenig, wie meine Tochter die Ehe wohl nehmen würde – denn ein junger Bursche kann von recht wenig Verstand sein, und nie weiß man, welch Rücksicht er auf eines Mädchens Unerfahrenheit zu nehmen gewillt ist. Es verwunderte uns daher wenig, als Susanna am nächsten Tag weiß wie ein Bettuch erschien, sondern wir kamen mit Glückwünschen, wie gewöhnlich ist, da es ihr dreiundzwanzigster Geburtstag war. Sie erhielt ein wenig Süßigkeiten und Schmalzgebackenes, und ihr junger Gatte schenkte ihr ein Kleid aus feinstem

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