Die zehnte Göttin des Gesangs. Carina Burman

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Die zehnte Göttin des Gesangs - Carina Burman

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      Morgen komme ich hoch und hocke auf deinem schreibtisch. Einen artikel über neuentdeckte Sapphogedichte wird klein Hanna dann ins reine geschrieben haben. Ohne sie were die schule unendlich fad, die elewinnen haben ansonsten nur spitzenblusen und nobelgedanken im kopf, keinesfalls jedoch die paradigmen.

      Ich streichle dir über deinen fiel inhaltsreicheren.

      Hast du plene für die ferien? Mutter und ich wollen über die weinachtstage heim nach Karlstad, doch zu neujahr sind wir zurück.

      *

      Brief von Gudrun Nordin an Elisabet Gran v. 30.11.1909

      Dienstagabend

      Liebe Lissie!

      Ich habe mit Thea über die Brenner geredet. Der Himmel weiß, was sie davon hält, sie redet drumherum, sagt weder ja noch nein. Ich glaube, sie hat Bedenken, entweder wegen Dir oder dem Weibsbild. Brummelt ständig, sie sei nicht literarisch bewandert, wäre doch, um Gottes willen, nur Lic. für die Korrespondenz von Petrus de Dacia! Sag, ist das nicht eine vorzügliche Voraussetzung für die Brenner? Spätes Latein und Briefe.

      Weiß der Kuckuck, warum ich selbst dergleichen schreibe. Weißt Du, was es mich kostet, diesen Brief zu schicken? Was machst Du eigentlich in Uppsala, wenn es in Stockholm eine Hochschule gibt? Und warum gehst Du nicht ans Telephon, wenn ich anrufe?

      Deine

      Choice

      *

      Brief von Elisabet Gran an Gudrun Nordin v. 2.12.1909

      L. Choice!

      Ich gehe nicht ans Telephon, wenn Du anrufst, weil ich 1. arbeite, 2. nachts schlafe, 3. im »Gillet« sitze mit meinen l. Kollegen Huund, Wallin und Bondeson, die dozentengemäß Punsch miteinander trinken. Ehrlich gesagt – warum rufst Du immer nachts um 12 Uhr an? Vergiß nicht, wie früh eine arme Academica am Katheder zu stehen hat, im Unterschied zu einem Schreiberling wie Dir! Um zehn Uhr lege ich ganz einfach den Hörer neben den Apparat.

      Wenn Thea weder von mir noch der Brenner etwas wissen will, habe ich keine Ahnung, was wir tun könnten. Die alte Brenner ist Voraussetzung für die Edition, weil es ihre Briefe sind, und die Idee stammt immerhin von mir. Sogar Schlippenbach segnet die Sache gütig ab und verspricht, an ein paar Fäden zu ziehen. Trotz Theas Lateinkenntnissen müssen wir wohl ohne sie auskommen, sollte sie sich nicht mit uns anderen anfreunden. Vielleicht finden wir Myriaden von Briefen in deutsch und nur zwei, drei in lateinisch. Und keine von uns ist ganz unbewandert in der Römersprache. – Wodurch ist sie übrigens so vortrefflich? Hat sie irgendwelche »Tugenden«, wie man zur Brenner-Zeit sagte?

      Nach Stockholm kann ich freilich nicht ziehen. Was hat die Stadt, das Uppsala nicht hätte? In der Carolina liegen fünf katalogisierte Brenner-Briefe, und ich habe Collijn aufgetragen, weitere zu suchen.

      Grüße,

      Lissie.

      PS. Übrigens hat Sthlm eine Sache, die U-a fehlt: die Königliche Bibliothek. Ich beabsichtige, die Sammlungen in der nächsten Woche irgendwann durchzugehen, um zu sehen, was dort für Briefe liegen. Könnten wir drei uns treffen? Ich rufe an! Du gehst ja wohl ans Telephon, zumindest in der Redaktion?

      PS 2. Wenn ihr bockt, mache ich die Arbeit eben selbst! Ewig DieSelbe.

      *

      Telegramm von Gudrun Nordin an Elisabet Gran

      v. 3.12.1909

      Gerade du musst von böcken reden beide ganze nächste woche daheim thea mittwoch nm frei bezahlst du deine telephonrechnung nie tschois

      *

      Montag, den 6.12.1909

      Heute nacht wachte ich gegen drei Uhr auf, ohne zu wissen, wo ich bin. Mein eigenes Bett schien vertauscht, der Geruch in meinem Zuhause ein anderer als sonst. Ich hatte einen Traum, an den ich mich beim Aufwachen zunächst nur verschwommen erinnerte, doch dann trat er mir klar wie eine Glasmalerei in der Kirche vor Augen. Wie er zu deuten ist, weiß ich nicht, ich könnte wohl Huund fragen, der sich um solcherlei kümmert, aber ich bringe es nicht über mich. Kurz und gut: Ich schlief, und ich war in einem Wald. Um mich herum standen dunkle Kiefern oder Tannen, und ich konnte den Geruch von Erde spüren. Das Gras im Gehölz war weich wie Daunenkissen. Ich erwachte und schaute zum Himmel empor. Er war schwarz, obgleich Sommer gewesen sein muß, und hoch oben sah ich eine Mondsichel, von merkwürdigem Gelb. Stimmen erklangen um mich herum, doch ich konnte nichts sehen. Da setzte ich mich auf, und plötzlich befand ich mich in einem behaglichen Zimmer. Frauen bewegten sich überall an den Wänden. Sie trugen Platten in den Händen, und es herrschte eine Art Weihnachtsstimmung. Die Speisen schienen die üblichen Weihnachtsgerichte zu sein, und ausnahmsweise interessierten sie mich nicht besonders. Die Frauen waren nämlich anders als Frauenspersonen sonst: Alle trugen verschiedenartige Kleider, nicht nur im Schnitt und in der Farbe, sondern auch im Modell. Lange Röcke über wattierten Unterkleidern, Krinolinen und Turnüre. Alle Arten Haaraufbauten waren vertreten – und dort eine Nonne mit Schleier, die ihren Kopf wie im Gebet senkte und sich der vollbeladenen Platten enthielt.

      Weit hinten im Raum war eine Apsis, dort erblickte ich eine Skulptur, eine Jägerin aus der Antike. Die Luft war trocken und warm, wie wenn man in einem Holzhaus Feuer macht, und ich setzte mich an einen langen Tisch, als wollte ich essen. Da sah ich, daß die Tischplatte mit Briefen bedeckt war, gefaltete Papiere mit erbrochenen Siegeln. Die Briefe lagen in Stapeln, als ich sie berührte, fielen sie wie Kartenhäuser zusammen, und die Papiere rutschten über die Kanten zu Boden. Der Tisch war mit einer Glasplatte bedeckt, wie in der Konditorei, und darunter lagen weitere Briefe, manche mit verwischter Tintenschrift, so als hätte jemand Kaffee darauf vergossen.

      Als ich den Blick hob, standen die Frauen mir direkt gegenüber, und mit einemmal erkannte ich viele der Gesichter. Ich weiß nicht mehr, wer sie waren, doch die Brenner sah ich, und sie lachte herzlich über mich, wie ich da in all den Briefen wühlte. Auch andere Schriftstellerinnen standen dort, und die letzte in der Reihe war Selma Lagerlöf, in der Hand hielt sie die Nobelpreis-Urkunde, und sie lächelte mir huldreich zu, als fände sie mich amüsant, bedauernswert und redlich zugleich.

      Ob sich die Frauen im Nichts auflösten, kann ich nicht sagen, doch plötzlich stand der Referent der Literaturgesellschaft in der Apsis, auf dem Platz der Statue, und unterstrich beredt die Vortrefflichkeit aller patriarchalischen Ordnung. Dann nahm ich einen schwachen Parfümgeruch wahr und darauf den Gestank des Garderobenschranks – und ich erhob mich, um zu widersprechen, um zu betonen, daß auch den Frauen Stimmrecht zusteht. Doch erneut ertönte Lachen, und der Referent lachte noch lauter als die Brenner, und Eiszapfen hingen vor den Fenstern.

      Da erwachte ich, zündete die Petroleumlampe an und las ein Weilchen, bis mich der Schlaf übermannte. Am Morgen sah ich am niedergebrannten Docht, daß ich vergessen hatte, das Licht zu löschen.

      *

      Brief von Sophia Elisabeth Brenner (geb. Weber) an Margerithe Catrine Spiker (geb. Brander) v. 30.6.1715

      Liebste Schwester,

      wenn Euer eigener züchtiger Sinn es zulassen sollte, so verkehrt über mich zu urteilen wie meine conduite Euch gegenüber seit Eurer Abreise von hier zu verdienen scheinet, verlöre ich gewiß in Euren Augen jedwedes gutes Ansehen. Gleichwohl bin ich nicht so frevelhaft, wie es scheinen mag, denn Gott allein

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