Crazy Love. Eva Kah

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Crazy Love - Eva Kah Crazy Love

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anzurufen, obwohl ich dreiundzwanzigtausend Millionen und siebenhundertvierundfünfzig Mal sooo kurz davor war. Die drei Kumpels, die am Samstagabend in schon ordentlich vorgeglühtem Zustand zu seiner Überraschungs-Geburtstagsparty auftauchten, vertrieb ich ohne Worte – nur durch die Macht meines Gesichtsausdrucks. Immerhin bedeutete ihre Ankunft, dass Max unsere Trennung noch nicht in der ganzen weiten Welt herumtrompetete. Nicht dass mich das großartig aufgeheitert hätte. Ich schwelgte immer noch in Erinnerungen unserer Anfangszeit.

      Alle Mädchen wollten Max. Er hatte soeben die Schule geschmissen und als Übergangslösung ausgerechnet den Job im Pausenhofverkauf meiner Mädchenschule angenommen. Das komplette St.-Hedwig-Gymnasium war scharf auf ihn, von der Mittelstufe bis zu den Referendarinnen. Vermutlich hätte ihn auch die Konrektorin nicht von der Bettkante gestoßen, die war immerhin erst Mitte Vierzig.

      Max musste nur aus dem zerbeulten Lieferwagen aussteigen, sich zu seinen Körben mit den belegten Semmeln und Plunderstücken bücken und dabei über seiner lässig zerschlissenen Jeans mit dem Knackpo einen Streifen gebräunter Surferhaut entblößen – schon löste er hinter der Fensterfront des Schulgebäudes zwei Dutzend Eisprünge aus.

      Denn natürlich ging Max surfen, wenn er mit seinem Pausenhofverkauf fertig war. Am Eisbach, wo nur die Allercoolsten der Coolen surfen. Und natürlich konnte Max ganz hervorragend Nothing else matters von Metallica auf der Gitarre spielen und sogar einigermaßen dazu singen. Er wusste, wie man in den Isarauen ein anständiges Lagerfeuer mit nichts als einem Feuerzeug und einem alten Tempotaschentuch entzündete. Er beherrschte das Cocktailmixen und Jointdrehen aus dem Effeff und hatte auch entsprechende Quellen. Er konnte Bierflaschen mit dem Eckzahn öffnen und innerhalb von Minuten der Mittelpunkt sämtlicher Partys werden.

      Überhaupt gab es in ganz München keine größere Partykanone als ihn. Wenn er in der Warteschlange vor einem Club seine blonden Surfersträhnen nach hinten strich und so guckte, als ob ihn nichts weniger interessieren könnte als dieser Laden, wurde er innerhalb von wenigen Minuten vom Türsteher persönlich untergehakt, umsonst hinein komplimentiert und mit zwei Literflaschen Wodka Absolut „aufs Haus“ versorgt.

      Mit achtzehn hatte Max die Ausstrahlung des kommenden Weltstars. Sein unverschämt gutes Aussehen und sein gigantisches Ego öffneten ihm alle Türen. Und das Beste war: Die Einladungen galten immer auch für die schüchterne kleine Brünette an seiner Seite, die glücklicherweise niemand nach ihrem Ausweis fragte – mich. Ich schwebte durch die ersten Jahre mit ihm. Alle waren hingerissen vom Surferboy mit dem Strahlelächeln. Ich begnügte mich damit, den Fels in der Brandung zu spielen und ab und zu das Gefühl zu haben, etwas von seinem Glanz abzubekommen.

      Im dritten Anlauf erhielt Max einen Ausbildungsplatz an der begehrtesten Schauspielschule Süddeutschlands. Sobald ich mit Ach und Krach mein Abi geschafft hatte, zogen wir zusammen. Ich absolvierte ehrgeizig meine Ausbildung, fütterte Max mit meinem kargen Gehalt mit durch und hielt mich für glücklich. Bis ich irgendwann aufhörte zu zählen, wie oft ich von der Arbeit nach Hause kam und einen komplett zugedröhnten Kerl vorfand, der seinen eigenen Namen nicht mehr wusste. Längst war Max von Joints und Wodka zu ganz anderen Substanzen übergegangen, die ihm seine sogenannten neuen Freunde von der Schauspielschule besorgten.

      Langsam verstand ich, was genau Max damals auf dieser vermaledeiten Abifeier an mir entdeckt hatte. Was das Geheimnis war, das ich besaß und nach dem er verzweifelt suchte. Was ihm fehlte. Die Zauberformel, die die unscheinbare Icki so attraktiv für ihn machte, hieß innere Ruhe. Meine stabile Grundstimmung war es gewesen, die ihn angezogen hatte wie einen Vampir. Ihn, den flatterhaften Gesellen, der sich immer wieder aufs Neue die Bestätigung von Fremden holen musste, weil er trotz seines blendenden Äußeren nicht an sich selbst glauben konnte. Weil er gar nicht wusste, wie er den Hohlraum hinter der hübschen Fassade auffüllen sollte.

      Ich dagegen hatte mit meinem Inneren nie große Probleme gehabt. Vielleicht nur deshalb, weil mein Äußeres nicht von klein auf Begeisterungsstürme provoziert hatte. Meine innere Ruhe war für mich selbstverständlich (jedenfalls, solange ich in regelmäßigen Abständen auf die Unterstützung von Wolfgang zurückgreifen konnte). Selbst jetzt war sie noch in Resten vorhanden, meine stabile Grundstimmung.

      Am Montagmorgen erwachte ich auf dem hässlichen Sofa in einem Zustand, der jeder Beschreibung spottete. Seit Freitag früh drei Uhr hatte ich weder geduscht noch meine Zähne geputzt oder etwas gegessen. Meine individuelle Art von Liebeskummer-Bewältigungsstrategie hatte sich herauskristallisiert: Heulend alte Max-Fotos angucken und den Geburtstagsprosecco vernichten, mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von zwei Flaschen in vierundzwanzig Stunden. Trotzdem herrschte in mir keine ernsthafte Verzweiflung, sondern nur eine enttäuschte Traurigkeit. Ich war in ein Loch gefallen, jawohl, aber es erschien mir nicht so, als ob ich überhaupt nicht mehr herauskommen könnte. Es war eben ein Loch, tief und schwarz, aber es besaß einen Boden und eine kleine Ahnung von Lichtschein über mir. Ich wusste immer noch, wo oben und unten war in meinem Leben.

      Draußen regnete es. Der Himmel konnte sich nicht entscheiden, ob er hellgrau oder dunkelgrau sein wollte. Genauso wie ich mich nicht entscheiden konnte, ob ich noch ziellos angetrunken oder doch schon wieder einfach traurig sein sollte. Wenn ich mein Handy nicht so nahe neben meinem Ohr liegen gehabt hätte, würde ich vermutlich heute noch schlafen und dabei laut schnarchend Proseccosabber auf dem Sofa verteilen. Des is leider so mit dem Alkohol, erinnerte ich mich im Halbschlaf an den Sinnspruch des Paketboten. Doch die SMS, die praktisch direkt in meinem Trommelfell einging, weckte mich problemlos. Alarmiert setzte ich mich auf. Wollte sich Max etwa bei mir entschuldigen? Oder noch einmal mit einer netten kleinen Beleidigung so richtig nachtreten? Zweiteres entsprach eher seiner Art. Doch das Display gab Entwarnung. Die SMS war nicht von Max, sondern von Freddy.

       Hab so das Gefühl, du brauchst an diesem freudlosen Vormittag etwas Zuspruch. Hab ich Recht?

      So schnell es mein uraltes Tastenhandy erlaubte, tippte ich zurück:

       Ja bitte. Max weg, Kater da.

      Freddy ist meine beste Freundin. Seit etwas mehr als zwanzig Jahren. Ursprünglich lag das nur daran, dass wir beide so sperrige Vornamen haben. Ihre Eltern hatten sie Friederike getauft, was man trotz der stattlichen vier Silben nur ganz doof abkürzen kann. „Ricky“ kam glücklicherweise nicht in Frage – so hieß eines dieser rappenden Mädchen von Tic Tac Toe, die in unserer Grundschulzeit ganz groß waren. „Freddy“ schien die einzige andere Alternative. Hätten wir mit sechs Jahren schon von der Horrorfilmreihe Freddy Krueger gehört, wäre vielleicht alles ganz anders ausgegangen.

      So aber war die Erleichterung, sich am ersten Schultag neben jemanden setzen zu können, der nicht Stefanie oder Michael hieß, für uns beide groß genug, um uns innerhalb von Sekunden anzufreunden. Noch vor Weihnachten der ersten Klasse hatten wir herausgefunden, was uns sonst noch alles so verband. Es war und ist eine Menge. Von den kastanienbraunen Haaren und unseren beinahe identisch großen My little Pony-Sammlungen abgesehen, mochten wir beide am liebsten Pfirsich-Eistee und das Fach Deutsch. Wir hatten schon damals eine ganz besondere Art, unsere Umwelt wahrzunehmen, wenn wir zusammen waren. Wir versetzten uns in beliebige Rollen hinein und unternahmen stundenlange Reisen durch unsere verschrobenen Fantasiewelten.

      Obwohl wir uns in der Pubertät körperlich gesehen denkbar weit auseinander entwickelten (ich ging eher unten in die Breite, Freddy ausschließlich oben) machen wir immer noch gerne spannende Reisen zusammen. Mittlerweile auch durchaus zu realen Zielen wie den Kanarischen Inseln oder der nächsten Konzerthalle. Und wir haben ein Standardgetränk, wenn wir uns treffen: Pfirsich-Eistee. On the Rocks. Mit Wodka.

      An diesem Tag hatte Freddy jedoch keine Lust auf Eistee on the Rocks, vielleicht zum ersten Mal überhaupt. Stattdessen sah sie sich in meinem Wohnzimmer um, betrachtete den eingetrockneten Proseccosabber

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