So geht's mir gut nach der Geburt. Maria Borelius
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Vermutlich werden Sie sich in den ersten Tagen zu einem richtigen Einzelgänger entwickeln, besser gesagt: Zweigänger, denn Sie wollen am liebsten allein mit ihrem Baby sein. Die Welt drumherum verliert an Bedeutung. Das Kind wird zum Zentrum Ihres Daseins. Menschen, die Sie besuchen wollen, empfinden Sie eher als störend, auch solche, die Ihnen sonst sehr nahestehen.
»Als wir dann zu Hause waren, wollten alle auf einen Kaffee vorbeikommen. Sie wollten das Kind sehen und blieben stundenlang. Es war schrecklich, und ich bekam richtige Angstattacken. Ich wollte sie nicht da haben, hatte aber das Gefühl, nicht nein sagen zu können.«
Marianne, 29, ein Kind
Dieses Verhalten ist aus biologischer Sicht ausgesprochen funktionell. Ein neugeborenes Kind hat eigentlich nur die Immunabwehr, die es aus der Gebärmutter mitbringt. Und da andere Menschen die schlimmste Ansteckungsquelle sind, die man sich denken kann, ist es durchaus vernünftig, die Besuche einzuschränken. In manchen Krankenhäusern herrscht deshalb auch Besuchsverbot, außer für Väter und vielleicht noch Geschwister. Aber das wichtigste ist, daß Mutter und Kind für sich sein dürfen. Sie müssen jetzt ihre Sprache entwicklen. Beide brauchen das Zusammensein, wo die Mutter sich ungehemmt auf ihr Kind konzentrieren kann.
Wie sieht mein Kind aus, wenn es Hunger hat? Müde ist? Und wie läßt sich Unlust am schnellsten beseitigen? Nur in der Stille und Abgeschiedenheit hat man genug Ruhe, um all das Neue zu lernen. Je mehr Mutter und Kind in Frieden gelassen werden, desto schneller lernen sie einander kennen.
Und dann gibt es ja auch noch die Prägung. Je mehr Zeit eine Mutter mit ihrem Kind zubringt, desto schneller hinterläßt sie Spuren. Die Prägung gibt der Beziehung Stabilität und dem Kind Geborgenheit.
Die ersten Tage nach der Geburt sind ganz einfach eine Zeit, in der die Natur Mutter und Kind vom übrigen Leben fernhalten will.
Weiße Nächte
Im Krankenhaus und in Ratgeberbüchern wird der jungen Mutter empfohlen, nach der Geburt gründlich auszuschlafen. Viele Frauen haben in den letzten Wochen der Schwangerschaft schlecht geschlafen, und die Vernunft sagt einem natürlich, daß man sich nun ausruhen muß.
In vielen Studien ist festgestellt worden, daß frischgebackene Mütter nicht schlafen wollen oder können.
An der City University of New York hat man herausgefunden, daß der Schlafmangel gegen Ende der Schwangerschaft die Mütter am Tag nach der Geburt überhaupt nicht beeinflußt hat. Die Frauen, die vor der Geburt schlecht geschlafen hatten, waren nicht erschöpfter als diejenigen, die vor der Entbindung besser geschlafen hatten. Die Wissenschaftler maßen auch den Grad an Unruhe, Gereiztheit und Depression, alles normale Anzeichen für Schlafmangel. Ergebnis: Die Frauen mit schlechtem Schlaf hatten die gleichen Werte wie die Frauen der Konrollgruppe.
An der University of Washington in Seattle lief eine Studie mit Frauen, die gerade geboren hatten. Ihr Schlaf wurde alle 15 Minuten während acht Nachtstunden kontrolliert. Durchschnittlich waren die Mütter bei 15 (!) der 32 Messungen wach. Die Gründe für das Aufwachen waren, daß das Kind trinken wollte, daß die Frauen aufs Klo mußten oder von anderen geweckt wurden, die redeten, das Radio anhatten, ein Kind fütterten, nach der Schwester riefen usw.
Die Wissenschaftler untersuchten auch die Möglichkeiten für tieferen Schlaf, in dem man sich körperlich und mental richtig erholen kann. Um in die tieferen Schlafregionen zu gelangen, benötigt man 90 Minuten zusammenhängenden Schlaf. Im Durchschnitt bekamen die Frauen zwei bis drei solcher zusammenhängender Schlafportionen. Eine Frau schlief während der ganzen Nacht überhaupt nicht zusammenhängend.
Am Tag danach sollten die Frauen berichten, wie sie sich fühlten. Die meisten fühlten sich ausgeruht! Als sie die Qualität ihres Schlafs beurteilen sollten, hatten die meisten den Schlaf als gut oder ausgezeichnet erlebt. Und dies, obwohl der Schlaf für die außenstehenden Wissenschaftler alles andere als ausreichend gewirkt hatte.
Die amerikanische Studie schließt mit besorgten Überlegungen über den fehlenden Schlaf der Mütter. Sie rät, daß die Krankenhäuser alles tun müßten, um die Störungen der Mütter zu vermeiden usw. Aber die Frage ist doch, ob die Natur gewollt hat, daß die jungen Mütter so viel schlafen. Mußte eine frischgebackene Mutter nicht ständig auf der Hut sein, damit das Kind überlebt? Warum würde die Natur uns sonst mit Hormonen ausstatten, die genau die Aufgabe haben, die Müdigkeit fernzuhalten?
Vielleicht gehört der Schlafmangel der ersten Tage ganz einfach zum Mutterwerden dazu. Mütter sind dafür geschaffen, das auszuhalten. Und das Kind lebt sicherer, wenn die Mutter wach ist oder sehr leicht schläft. Aber natürlich darf der Schlafmangel nicht andauern, das hält niemand aus. (Mehr über den Schlafmangel im Kapitel »Die große Müdigkeit«.)
»Ich habe in den vier Tagen im Krankenhaus kaum geschlafen. Früher wäre ich daran eingegangen, ich bin schrecklich abhängig von genug Schlaf. Jetzt lief ich herum und fühlte mich richtig speedy. Alles in meinem Kopf drehte sich.«
Elisabeth, 34, zwei Kinder
Ein guter Rat ist, den Schlafmangel der ersten Tage als etwas Natürliches zu akzeptieren. Sie werden nicht wie üblich schlafen, aber die Situation ist ja auch nicht üblich. Der Körper befindet sich in einem Ausnahmezustand. Neues Leben wurde geschaffen, das Reservesystem ist eingeschaltet. Man kann nur zuschauen und staunen!
Geschehen lassen
Die Tage nach der Geburt haben ihren eigenen Rhythmus. Wie vernünftig, wissensdurstig oder tatkräftig Sie auch im bisherigen Leben waren, Sie werden sich in einen neuen Menschen verwandeln. Man bewältigt diese merkwürdigen Gefühlsstürme, die jetzt kommen, vielleicht am besten, wenn man sie akzeptiert.
Versuchen Sie zu denken, ich lasse es geschehen ...
wenn Sie sich hoffnungslos in Ihr Kind verlieben und sich um nichts anderes kümmern können. Das Kind braucht genau das. So überlebt das Kind am besten. Glückwunsch, daß es bei Ihnen so gut klappt!
wenn Sie das Gefühl haben, daß das Kind ein Fremdling ist, den Sie nie verstehen werden. Es ist kein Wunder, daß Sie so denken, denn schließlich hat sich gerade ein neuer Mensch zu Ihnen gesellt. Aber Sie beide haben jede Menge Zeit, sich aneinander zu gewöhnen.
wenn Sie den ganzen Weg vom Krankenhaus nach Hause heulen und glauben, daß Ihr Kind niemals diese Fahrt lebend überstehen wird. Manchmal findet die Heimfahrt genau während eines Hormonsturms statt. Sie werden auch das überleben. Und natürlich können Sie Ihren Mann bitten, langsam und vorsichtig zu fahren.
wenn Sie sich nach dem Nachhausekommen zurückziehen wollen und sich weigern, ans Telefon zu gehen. Gut. Das Kind hat Anspruch auf Ihre Zeit. Es ist die Sache des Mannes, sich um Freunde und Verwandte zu kümmern. Und wenn er es nicht schafft, dann sterben Sie auch nicht daran, daß es Ihnen zuviel ist. Oder legen Sie sich einen Anrufbeantworter zu, und sprechen Sie alle wichtigen Angaben auf Band: »Ja, wir haben einen kleinen Johan bekommen, er wiegt 3,7 Kilo, und es geht uns allen gut.«
wenn Sie sich fragen, in was für einen Menschen Sie sich verwandelt haben. Sicher haben Sie sich verändert. Aber das neue Ich ist völlig zweckentsprechend. Die Natur hat sich reichlich Zeit gelassen, die »Mütterlichkeit« zu dem Ich zu veredeln, das Sie nun sind.
wenn Sie nicht schlafen können, sondern immer wachliegen und auf den kleinsten Schnaufer des Babys lauschen. Lauschen Sie ruhig. Es tut kleinen Menschen sehr gut, wenn