Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat, Band 1. Augustinus von Hippo
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13. Die Römer hätten einsehen sollen, daß ihre Götter, die eine Verehrung durch schändliche Spiele heischten, keine göttlichen Ehren verdienten.
Aber Scipio würde mir vielleicht, wenn er noch lebte, erwidern: Wie hätten wir das unter Strafe stellen sollen, was die Götter selbst als eine Form der Verehrung bestimmten, indem sie die Bühnenspiele, bei denen derlei gefeiert, gesprochen und gemimt wird, in Rom heimisch machten und zu ihren Ehren zu weihen und aufzuführen befahlen? Warum hat man dann daraus nicht vielmehr den Schluß gezogen, daß sie keine wahren Götter seien, noch irgend würdig, daß ihnen jener Staat göttliche Ehren erweise? Denn hätte man sie gewiß nicht verehren dürfen und müssen, wenn sie Spiele zur Schmach der Römer geheischt hätten, wie konnte man doch, ich bitte euch, auf den Gedanken kommen sie zu verehren, wie konnte man verkennen, daß es sich um verabscheuungswürdige Geister handle, da sie aus Freude an Lug und Trug verlangten, daß man zu ihren Ehren auch ihre Schandtaten feiere? Zudem haben die Römer, obwohl bereits in dem heillosen Aberglauben befangen, sie müßten als Götter die verehren, die sich schändliche Theaterstücke weihen ließen, wie männiglich sah, doch wieder auf ihre Würde und Ehrbarkeit soviel gehalten, daß sie die Mimen solcher Stücke keineswegs, wie die Griechen, ehrten, sondern nach Scipios Worten bei Cicero[96] , „da sie die Schauspielkunst und das ganze Bühnenwesen für schimpflich hielten, dieser Klasse von Menschen nicht nur an der Ehre der übrigen Bürger keinen Anteil gewähren, sondern sie aus ihrer Zunft durch zensorische Rüge ausgestoßen wissen wollten“. Wirklich eine außerordentliche Klugheit und einer der schönsten Züge des Römertums; aber sie sollten konsequent und sich treu bleiben. Es war ja gewiß richtig, jedem römischen Bürger, der sich für den Beruf eines Schauspielers entschied, nicht nur die Erlangung von Ehrenstellen unmöglich zu machen, sondern ihm auch durch Rüge des Zensors die eigene Zunft zu versperren. Eine Gesinnung, eifersüchtig auf die Ehre des Staates und echt römisch! Aber man erkläre mir doch, wo da die Konsequenz bleibt, wenn man die Schauspieler aller Ehre entkleidet und auf der andern Seite die Schauspiele unter die göttlichen Ehren aufnimmt. Die Römer in ihrer guten Zeit haben lange diese Theaterkünste nicht gekannt; hätten die Menschen danach verlangt zur Befriedigung der Lust, so hätten sie sich durch den Verfall der menschlichen Sitten eingeschlichen; die Götter waren es, die deren Aufführung für sich heischten; warum also stoßt man den Schauspieler aus, durch den der Gott verehrt wird? und wie darf man es wagen, den Darsteller der Bühnenschändlichkeiten zu brandmarken, wenn man ihren Urheber anbetet? Diese Streitfrage mögen die Griechen und die Römer unter sich ausmachen. Die Griechen sind der Ansicht, daß sie mit Recht die Schauspieler in Ehren halten, weil diese die Götter verehren, die Forderer der Schauspiele; die Römer dagegen wollen durch die Schauspieler nicht einmal eine plebeische Zunft, geschweige denn die Kurie der Senatoren entehren lassen. In dieser Kontroverse löst den Kernpunkt der Frage folgender Schluß: Die Griechen stellen den Vordersatz auf: „Wenn man solche Götter verehren muß, so muß man natürlich auch solche Menschen in Ehren halten“. Dazu geben die Römer den Untersatz; „Solche Menschen aber hat man durchaus nicht in Ehren zu halten“. Und die Christen ziehen daraus die Schlußfolgerung: „Also braucht man solche Götter durchaus nicht zu verehren“.
14. Plato, der den Dichtern in seinem Musterstaat keinen Platz gewährte, war besser als diese Götter, die sich durch Schauspiele verehren ließen.
Sodann stellen wir die Frage, warum denn die Dichter, denen durch das Zwölftafelgesetz die Verunglimpfung von Bürgern verboten ist, als die Verfasser solcher Bühnenstücke, in welchen schimpfliche Lästerungen wider die Götter geschleudert werden, nicht ebenso wie die Schauspieler für unehrlich gelten. Wie läßt es sich rechtfertigen, daß die Mimen poetischer Fabeleien und schandbarer Götter in Verruf erklärt und die Dichter in Ehren gehalten werden? Oder hat man vielleicht dem Griechen Plato die Palme zu reichen, der, als er das Ideal eines Staatswesens im Geiste entwarf, die Dichter als Feinde der Wahrheit aus dem Staate vertrieben wissen wollte? Er war eben entrüstet über die Schmähung der Götter und mochte es nicht leiden, daß der Sinn der Bürger durch Fabeleien auf Abwege geführt und verdorben werde. Und nun stelle man den Menschen Plato, der die Dichter aus dem Staate vertreiben will, damit sie nicht die Bürger betrügen, neben die Götter, die zu ihren Ehren Bühnenspiele heischen! Der eine riet, wenn er auch durch seine Ausführungen nicht zu überreden vermochte, den leichtsinnigen und ausgelassenen Griechen, derlei gar nicht schreiben zu lassen; die andern zwangen durch ihren Befehl die ernsten und ehrbaren Römer, derlei sogar aufführen zu lassen. Und sie begnügten sich nicht mit der Aufführung, sie ließen sich derlei auch noch widmen, sich weihen, sich feierlich darbringen. Wem doch würde der Staat mit mehr Schicklichkeit göttliche Ehren zuerkennen, dem Plato, der solch schändliche und sündliche Dinge zu hindern suchte, oder den Dämonen, die sich über diese Berückung von Menschen freuen, welche jener von der Wahrheit nicht zu überzeugen vermochte?
Diesen Plato glaubte Labeo zu den Halbgöttern zählen zu sollen wie einen Herkules oder einen Romulus. Und die Halbgötter stellt er über die Heroen, beide jedoch zu den Gottheiten. Ich würde indes kein Bedenken tragen, diesen sogenannten Halbgott nicht nur über die Heroen, sondern auch über die Götter selbst zu stellen. Zwischen den Gesetzen der Römer aber und den Anschauungen Platos besteht insofern eine Verwandtschaft, als Plato alle dichterischen Fabeleien verwirft, während die Römer den Dichtern wenigstens die Schmähfreiheit den Menschen gegenüber benehmen; jener die Dichter vom Aufenthalt im Staate fernhält, diese wenigstens die Darsteller dichterischer Fabeleien von der bürgerlichen Gemeinschaft ausschließen und sie, wenn sie den Göttern gegenüber als den Urhebern der Schauspiele sich's getrauten, vielleicht ganz wegweisen würden. Gewiß hätten also die Römer Gesetze zur Begründung guter oder zur Besserung schlechter Sitten von ihren Göttern nicht überkommen oder erhoffen können, da sie ja durch ihre eigenen Gesetze die Götter übertreffen und des Unrechts überführen. Denn diese heischen zu ihren Ehren Bühnenspiele, und die Römer versagen alle Ehre den Bühnenspielern; die Götter befehlen, ihre Schmach in dichterischen Fabeleien zu feiern, und die Römer schrecken die Zügellosigkeit der Dichter von Schmähungen der Menschen ab. Jener Halbgott Plato aber trat nicht nur dem Begehren solcher Götter entgegen, sondern deutete auch an, was die Römer ihrer natürlichen Veranlagung gemäß hätten ausführen sollen, indem er sich dagegen aussprach, daß den Dichtern, die entweder willkürlich Lügen erfinden oder den unglücklichen Menschen verruchte Taten vorgeblicher Götter zur Nachahmung vor Augen stellen, in einem wohl eingerichteten Staate ein Platz gewährt werde. Wir halten zwar Plato weder für einen Gott noch für einen Halbgott, noch stellen wir ihn auf eine Stufe mit irgend einem Engel des höchsten Gottes oder mit einem Propheten der Wahrheit oder mit einem Apostel oder mit einem Märtyrer Christi oder mit irgend einem christlichen Menschen; den Grund dafür werden wir mit Gottes Gnade in anderem Zusammenhang darlegen. Immerhin aber sind wir, da sie selbst ihn zu einem Halbgott machen, der Ansicht, er sei, wenn nicht über Romulus und Herkules zu stellen [obwohl ihm kein Geschichtsschreiber und kein Dichter einen Brudermord noch sonst eine Untat nachgesagt oder angedichtet hat], so doch gewiß über Priapus oder einen Kynokephalus oder gar die Febris, Gottheiten, die die Römer teils von auswärts übernahmen, teils selbst dazu geweiht haben. Wie sollten sich nun also um gute Vorschriften und Gesetze zur Hintanhaltung oder Bekämpfung einer solchen Verheerung der Gesinnung und Gesittung Götter kümmern, die sich im Gegenteil die Entstehung und Ausbreitung von Lastern angelegen sein ließen