Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat, Band 1. Augustinus von Hippo
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Doch bedenke, daß ich mich mit diesen Ausführungen noch gegen die Ungebildeten wende, deren Unwissenheit auch das Sprichwort aufkommen ließ: „Es ist Mangel an Regen, Schuld daran sind die Christen“. Denn wer eine höhere Bildung hat und ein Freund der Geschichte ist, weiß sehr gut, wie sich die Sache verhält; aber um die Scharen der Ungebildeten gegen uns zu erbittern, tun sie, als wüßten sie es nicht, und suchen die Menge in der Meinung zu bestärken, daß das Unheil, von dem das Menschengeschlecht in gewissen örtlichen und zeitlichen Zwischenräumen heimgesucht werden muß, um des christlichen Namens willen hereingebrochen sei, der sich zum Nachteil ihrer Götter mit ungeheurem Ruhme und hochgefeiert überallhin ausbreitet. Nun mögen sie mit uns Rückschau halten über die Unglücksfälle, die den römischen Staat so oft und vielfach mitgenommen haben, bevor noch Christus im Fleische kam, bevor sein Name mit solcher Herrlichkeit, an die sie vergeblich ihren Neid hängen, den Völkern bekannt wurde; und dann sollen sie, wenn sie es vermögen, derhalb ihre Götter verteidigen, falls diese zu dem Zweck verehrt werden, daß ihre Verehrer keine solchen Übel erleiden, wie sie, zur Zeit manchen davon unterworfen, uns auf Rechnung zu schreiben für gut finden. Denn warum haben die Götter zugelassen, daß Dinge, wie ich sie erzählen will, ihren Verehrern zustießen, bevor die Verkündigung des Namens Christi sie reizte und ihre Opfer untersagte?
4.Die Verehrer der Götter haben niemals Gebote der Rechtschaffenheit von ihren Göttern erhalten und haben bei deren Kult alle Schändlichkeiten begangen.
Was zunächst die Sitten betrifft, warum wollten die Götter nicht dafür sorgen, daß ihre Verehrer nicht in der größten Sittenlosigkeit lebten? Der wahre Gott hat sich ja mit Recht um die nicht angenommen, die ihn nicht verehrten; aber warum haben jene Götter, von deren Kult abgehalten zu werden sie voll Undank zum Gegenstand des Vorwurfs machen, ihren Verehrern zu einer guten Lebensführung nicht die Beihilfe von Gesetzen angedeihen lassen? Es wäre doch wohl billig gewesen, daß sie sich um die Werke ihrer Verehrer, wie diese um den Dienst der Götter, gekümmert hätten. Man wendet ein, daß man durch den eigenen Willen böse ist. Das stellt natürlich niemand in Abrede. Allein es wäre Sache fürsorglicher Götter gewesen, die Vorschriften eines guten Wandels den sie verehrenden Völkern nicht vorzuenthalten, sondern klar zu verkünden, auch die Sünder durch Propheten aufzusuchen und zu mahnen, öffentlich den Übeltätern mit Strafe zu drohen und für guten Wandel Lohn zu verheißen. Hörte man jemals etwas derart offen und vernehmlich in den Tempeln der Götter verkünden? Auch ich ging ehedem als junger Mann zu den gotteslästerlichen Schaustücken und Spielen, sah die Besessenen, hörte die Musikanten, ergötzte mich an den schändlichen Spielen, die zu Ehren der Götter und Göttinen veranstaltet wurden, zu Ehren der Jungfrau Cälestis[80] und der berecynthischen Göttermutter[81] , vor deren Ruhestätte am Feste ihrer Reinigung von ganz nichtswürdigen Komödianten öffentlich Lieder gesungen wurden, dergleichen zu hören, ich sage nicht: für die Mutter der Götter, sondern für die Mutter eines beliebigen Senators und überhaupt jedes ehrbaren Mannes, ja selbst für die Mutter der Komödianten unanständig wäre. Denn der Achtung der Menschen gegen ihre Eltern ist ein gewisses etwas eigen, das nicht einmal die Schlechtigkeit auszutilgen vermag. Es würden sich also die Komödianten selbst schämen, diese Schändlichkeiten an unzüchtigen Worten und Handlungen zu Hause vor ihren Müttern einzuüben, wie sie sie öffentlich vor der Göttermutter aufführten vor den Augen und Ohren einer dichtgedrängten Zuschauerschaft beiderlei Geschlechtes. Wenn diese, von Neugierde angelockt, es über sich brachte, so zahlreich zu erscheinen, so hätte sie wenigstens, von der Unzucht abgestoßen, beschämt zu verschwinden sich beeilen sollen. Was ist Gotteslästerung, wenn das Gottesdienst, was Besudelung, wenn das Reinigung ist? Und das nannte man „Gänge“, als wenn ein Gastmahl gefeiert würde, bei dem unreinen Dämonen mit ihrem Lieblingsgericht aufgewartet würde. Denn wer fühlte nicht heraus, welcher Art die Geister sind, die sich an solcher Unzucht ergötzen, außer wer etwa nicht weiß, ob es überhaupt unreine Geister gibt, die unter dem Scheine von Göttern Täuschung üben, oder wer ein Leben führt, daß er lieber die Dämonen als den wahren Gott zu gnädigen Herren wünscht und als erzürnte Gegner fürchtet?
5. Die Göttermutter ließ sich von ihren Verehrern mit Abscheulichkeiten ehren.
Keinenfalls diese Leute, die an der Gewohnheit schandbarer Laster, statt ihr entgegenzutreten, vielmehr Gefallen finden, sondern wiederum Nasica Scipio, der als der beste Mann vom Senate bezeichnet wurde, der das Bildnis eben jenes Dämons[82] in Empfang genommen und in die Stadt gebracht hat, möchte ich zum Richter in dieser Sache haben. Er würde uns sagen, ob er wünschte, seine Mutter möchte sich solche Verdienste um den Staat erworben haben, daß ihr göttliche Ehren zuerkannt würden, wie ja bekanntlich die Griechen und die Römer und andere Völker solche manchen Sterblichen zuerkannt haben, deren Verdienste um das Gemeinwesen sie besonders hoch schätzten und die sie der Unsterblichkeit teilhaftig und unter die Zahl der Götter aufgenommen glaubten. Selbstverständlich würde er seiner Mutter womöglich ein solches Glück wünschen. Wenn wir ihn aber weiter fragten, ob er einverstanden wäre, daß an göttlichen Ehren für sie auch solche Schändlichkeiten gefeiert würden, würde er nicht laut dagegen protestieren und versichern, seine Mutter liege ihm lieber ohne alle Empfindung im Grabe, als daß sie als Göttin zu dem Zweck fortlebe, um derlei mit Freuden anzuhören? Es ist undenkbar, daß ein Senator des Römervolkes, der ein solches Zeugnis seiner Gesinnung abgelegt hat, wie es die Verhinderung des Theaterbaues in der Stadt eines männlichen Volkes ist, seine Mutter in der Art verehrt wissen möchte, daß man ihr als Göttin durch Ausdrücke huldigte, die sie als ehrbare Frau verletzen müßten. Um keinen Preis würde er glauben, daß sich die Schamhaftigkeit einer tugendhaften Frau durch das Hinzutreten des göttlichen Charakters so gänzlich ins Gegenteil verkehre, daß ihre Verehrer sie anrufen dürften unter Ehrenbezeugungen, über die für sie bei ihren Lebzeiten, wenn dergleichen als Schmähungen gegen irgend jemand geschleudert worden wären, ihre Angehörigen, ihr Gemahl und ihre Kinder erröten müßten, wenn sie sich nicht die Ohren zuhielte oder davoneilte. Also eine Göttermutter, wie sie selbst der schlechteste Mann nicht zur Mutter haben möchte, verlangte nach dem besten Mann, da sie sich der Herzen der Römer bemächtigen wollte, und verlangte nach ihm, nicht um ihn durch Lehre und Beistand dazu zu machen, sondern um ihn durch Trug zu täuschen, ähnlich wie die, von der geschrieben steht: „Ein Weib fängt der Männer kostbare Seelen“[83] , damit dieser groß veranlagte Geist, durch das scheinbar göttliche Zeugnis geschmeichelt und sich wirklich für den besten haltend, nicht nach der wahren Frömmigkeit und Religion verlange, ohne die jedes, auch noch so preiswürdige Genie in Hochmut verfällt und zugrunde geht. Nur in tückischer Absicht konnte diese Göttin nach dem besten Manne verlangen, da sie ja in ihrem Dienste nach Dingen verlangt, wie sie beste Männer auch nur bei ihren Gastmählern heranzuziehen verabscheuen.
6. Niemals haben die Götter der Heiden eine Lehre über den rechten Wandel gegeben.
Diese böswillige Absicht bestimmte die Götter, sich um die Lebensführung und die Sitten der sie verehrenden Staaten und Völker nicht zu kümmern; sie ließen es vielmehr zu, ohne irgendwie ein abschreckendes Verbot einzulegen, daß ihre Verehrer — nicht etwa an Feldern und Weinbergen, nicht an Haus und Gut, nicht am Leibe, der dem Geiste untergeordnet ist, sondern — gerade am Geiste, dem Gebieter des Leibes, in schauerliche und fluchwürdige Übel versanken und ganz entsittlicht wurden. Man lege doch den Finger