Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat, Band 1. Augustinus von Hippo

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Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat, Band 1 - Augustinus von Hippo Die Schriften der Kirchenväter

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daß ein Mensch Selbstmord begehen dürfe, weil sich ein Feind an ihm versündigt hat oder damit sich ein Feind nicht an ihm versündige, da er nicht einmal wagt, den Feind, der an ihm gesündigt hat oder sündigen will, zu töten?

       25. Man darf nicht einer Sünde aus dem Wege gehen durch Begehung einer anderen Sünde.

      

      Aber freilich, es ist zu befürchten, daß der der Lust dienstbar gemachte Leib durch die verlockendste aller Lüste die Seele zur Einwilligung in die Sünde reize, und dem muß man vorbauen. Also müsse man, so lautet der Schluß, nicht so fast wegen der Sünde eines andern als vielmehr wegen der eigenen Sünde Selbstmord verüben, bevor man sie begeht. Nun wird allerdings ein Geist, der Gott und seiner Weisheit ergeben ist und nicht dem Leibe und seiner Begierde, gewiß nicht in die durch fremde Lust erregte Fleischeslust einwilligen. Indes wenn der Selbstmord ebenfalls eine verabscheuungswürdige Tat und ein verdammliches Verbrechen ist, wie es mit unzweifelhafter Gewißheit erhellt, wie kann man dann so töricht sein zu sagen: „Jetzt schon wollen wir einen Mord begehen, damit wir nicht etwa später in Unkeuschheit fallen“. Wenn die Verderbtheit so sehr vorwaltet, daß es sich nicht um die Wahl der Unschuld, sondern um die Auswahl unter verschiedenen Sünden handelt, wäre dann nicht eine ungewisse Zukunftssünde der Unzucht noch besser als eine gewisse Gegenwartssünde des Mordes? Wäre es nicht besser, eine Schandtat, die sich durch Buße wieder gut machen läßt, zu begehen, als ein Verbrechen, das jede Gelegenheit zu heilender Buße benimmt? Das wollte ich sagen im Hinblick auf solche Jünglinge und Frauen, die Hand an sich legen zu sollen glauben nicht um der Sünde eines andern, sondern um einer eigenen Sünde willen aus Besorgnis, es möchte etwa unter der Gewalt fremder Lust auch die eigene zur Einwilligung aufgestachelt werden. Übrigens wird es nicht vorkommen, daß eine wahrhaft christliche Seele, die ihrem Gott vertraut und auf ihn ihre Hoffnung setzend seine Hilfe zur Seite hat, eine solche Seele, sage ich, wird gewiß nicht irgend einer fleischlichen Lust zu schändlicher Einwilligung nachgeben. Wenn aber diese Auflehnung der Begierlichkeit, die nun einmal in unsern sterblichen Gliedern wohnt, dem Gesetz unseres Willens entgegen sozusagen nach ihrem eigenen Gesetz sich bemerklich macht, so kann bei ausdrücklicher Verwahrung dagegen umso weniger von einer Schuld die Rede sein, als ja dadurch auch im Schlafe keine Schuld herbeigeführt wird.

      

       26. Wie hat man es aufzufassen, wenn Heilige das tun, was nicht geschehen darf.

      

      Man hält uns entgegen, daß in der Zeit der Verfolgung sich manche heilige Frauen, um ihre Unschuld vor Nachstellungen zu retten, ins Wasser gestürzt und auf diese Weise den Tod gefunden haben, und doch wird ihr Martyrium in der katholischen Kirche mit feierlicher Verehrung und unter großer Teilnahme begangen. Ich möchte nicht vorschnell über sie urteilen. Ich weiß ja nicht, ob nicht die Autorität Gottes an der Hand von glaubwürdigen Bezeugungen die Kirche bestimmt hat, ihr Andenken also zu ehren; möglicherweise ist dies der Fall. Denn wie, wenn sie es nicht aus menschlichem Irrtum, sondern auf göttlichen Befehl hin getan haben, nicht in einem Wahne, sondern aus Gehorsam, wie wir es von Samson nicht anders annehmen dürfen[65] ? Wenn aber Gott befiehlt und seinen Willen klar kundgibt, wie dürfte man da die Folgeleistung zum Vorwurf machen, den aus Frömmigkeit geleisteten Gehorsam anschuldigen? Jedoch wenngleich Abraham rühmenswert gehandelt hat, indem er sich entschloß, seinen Sohn Gott zu opfern, so würde dennoch jeder andere, der das tut, ein Verbrechen auf sich laden. Denn auch der Soldat macht sich nach keinem Gesetz seines Staates eines Mordes schuldig, wenn er im Gehorsam gegen die Gewalt, der er rechtmäßig unterstellt ist, einen Menschen tötet; im Gegenteil, er macht sich, wenn er es nicht tut, der Unbotmäßigkeit und Widerspenstigkeit schuldig; würde er es aber aus eigenem Antrieb und auf eigene Faust tun, so würde er das Verbrechen der Vergießung von Menschenblut auf sich laden. Also macht er sich ebenso strafbar, wenn er es ohne Befehl tut, als wenn er es trotz des Befehls unterläßt. Wenn das schon gilt vom Befehl des Feldherrn, wieviel mehr vom Befehl Gottes! Wenn es also heißt, man dürfe sich nicht töten, so soll man es dennoch tun, wenn es der befiehlt, dessen Befehle nicht mißachtet werden dürfen; nur muß man zusehen, ob der Befehl Gottes nicht irgendwie zweifelhaft ist. Wir können in Gewissenssachen nur nach dem urteilen, was wir hören; ein Urteil über die geheimen Vorgänge massen wir uns nicht an. „Niemand weiß, was im Menschen vorgeht, außer der Geist des Menschen, der in ihm ist“[66] . Dabei aber bleiben wir mit aller Bestimmtheit stehen und die Ansicht hat unsern vollen Beifall, daß niemand freiwillig in den Tod gehen dürfe in der Absicht, zeitlichen Beschwerden zu entgehen, da er dadurch nur ewig dauernden anheimfällt; ebensowenig wegen fremder Sünden, damit er dadurch nicht die schwerste eigene auf sich lade, während ihn die fremde gar nicht berührt hat; auch nicht wegen eigener vergangener Sünden, wegen deren er das irdische Leben erst recht notwendig braucht, um sie durch Buße heilen zu können; endlich auch nicht aus Sehnsucht nach einem besseren Leben, das man nach dem Tode erhofft, weil die des Selbstmordes Schuldigen kein besseres Leben nach dem Tode erwartet.

      

       27. Soll man deshalb den Tod anstreben, weil man dadurch der Sünde aus dem Wege geht?

      

      Es bleibt noch ein Grund übrig [ich habe darüber schon einiges gesagt], der es manchen rätlich erscheinen läßt, sich selbst zu töten, nämlich um nicht in eine Sünde zu fallen, sei es im Reize der Lust oder unter dem Wüten des Schmerzes. Wollten wir diesen Grund gelten lassen, so müßte man die Leute anhalten, sich lieber gleich in dem Augenblick zu töten, da sie, durch das Bad der heiligen Wiedergeburt gereinigt, Nachlaß aller Sünden erlangen. Da ist der richtige Moment, allen künftigen Sünden vorzubeugen, wenn alle vergangenen ausgetilgt sind. Wenn zu diesem Ziele der freiwillige Tod das rechte Mittel ist, warum wendet es man nicht vorzugsweise bei dieser Gelegenheit an? Warum üben die Neugetauften Schonung gegen sich? Warum verwickeln sie sich, kaum befreit, wieder in die vielen Gefahren des irdischen Lebens, da es ihnen doch so leicht möglich ist, durch Selbstmord allen zu entgehen, und überdies geschrieben steht: „Wer die Gefahr liebt, wird in ihr umkommen“[67] ? Warum also liebt man diese vielen und großen Gefahren oder nimmt sie doch, wenn man sie auch nicht liebt, auf sich, indem man in diesem Leben ausharrt, während es gestattet ist, davon zu scheiden? Was für eine abgeschmackte Torheit hat das Herz beschlichen und es von der Erkenntnis des wahren Sachverhaltes abgewendet, daß man glaubt, wenn man sich töten müsse, um nicht unter der Gewalt eines einzelnen Feindes in eine Sünde zu fallen, so müsse man sich anderseits am Leben erhalten, um die Welt zu ertragen, die zu jeglicher Stunde Versuchungen in Fülle bereitet, und zwar solche, wie man sie in der Gewalt eines Einzelnen zu fürchten hat, und unzählige andere, ohne die man nun einmal sein Leben nicht fortführen kann? Was brauchen wir da noch die Zeit mit Ermahnungen zu vergeuden, wodurch wir die Neugetauften zu begeistern suchen für die jungfräuliche Unbeflecktheit oder für die Enthaltsamkeit des Witwenstandes oder für die eheliche Treue, wenn wir ein besseres und viel einfacheres Mittel haben, sie von aller Gefahr des Sündigens fernzuhalten, darin nämlich, daß wir alle, die wir nach der eben erlangten Sündenvergebung zu raschem Selbstmord überreden können, in gesünderer und reinerer Verfassung zum Herrn schicken? Wenn nun aber nicht etwa Unverstand, sondern geradezu Wahnsinn dazu gehört, einen solchen Weg für gangbar, diesen Rat für empfehlenswert zu halten, welche Unverfrorenheit ist es dann, einem Menschen zu sagen: „Töte dich, damit du deinen geringen Sünden nicht eine schwerere hinzufügest, wenn du unter einem Herrn lebst, der nach Art der Barbaren der Unkeuschheit fröhnt“, da man doch nur ganz frivoler Weise sagen kann: „Töte dich nach Verzeihung all deiner Sünden, damit du nicht neuerdings solche oder noch schlimmere begehst, wenn du in der Welt fortlebst, die so vielfältig mit unreiner Lust lockt, so vielfältig mit abscheulichen Grausamkeiten dräut, so vielfältig durch Irreführung und Schrecknis sich als Feindin erweist“! Weil es nun Sünde wäre, das zu sagen, so ist es folgerichtig auch Sünde, sich zu töten. Denn

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