Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat, Band 1. Augustinus von Hippo
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36. Gegenstand der folgenden Erörterungen.
Ich habe jedoch zunächst noch einiges vorzubringen wider die, welche die Niederlage des römischen Staates auf unsere Religion zurückführen, sofern sie durch diese gehindert werden, ihren Göttern zu opfern. Es muß nämlich hingewiesen werden — wie es sich gibt oder soweit es nötig erscheint — auf die schweren Übel, die der römische Staat und die seiner Herrschaft unterstellten Provinzen erlitten, bevor ihre Opfer verboten wurden; all das würden sie ja ohne Zweifel uns auf Rechnung schreiben, wenn damals schon unsere Religion in ihrem Glänze erstrahlt wäre oder so wie jetzt ihrem gotteslästerlichen Kulte gewehrt hätte. Sodann soll gezeigt werden[77] , um welcher Eigenschaften willen und warum zur Ausbreitung des Reiches ihnen beigestanden ist der wahre Gott, in dessen Gewalt alle Reiche sind, und wie so gar nicht ihnen die beistanden, die sie für Götter halten, ja wie sehr sie ihnen durch Täuschung und Trug schadeten. Zuletzt werden sich die Ausführungen gegen die richten, die trotz der offenkundigsten Gegenbeweise behaupten wollen, man müsse zwar nicht wegen eines Nutzens in diesem Leben, wohl aber wegen des Lebens nach dem Tode die Götter verehren. Diese Untersuchung wird, wenn ich recht sehe, mühsamer sein und eine eindringendere Erörterung verdienen in der Weise, daß dabei auch gegen die Philosophen zu disputieren sein wird — nicht gegen alle und jeden, sondern gegen die, welche bei ihnen im höchsten Ansehen stehen und in vielen Dingen mit uns der gleichen Meinung sind —, sowohl hinsichtlich der Unsterblichkeit der Seele, wie hinsichtlich Erschaffung der Welt durch den wahren Gott und hinsichtlich der Vorsehung, womit er das Weltall leitet. Weil jedoch auch diese Philosophen in den Punkten, worin sie eine gegenteilige Meinung vertreten, widerlegt werden müssen, so dürfen wir uns dieser Pflicht nicht entziehen, um nach Zurückweisung ihrer gottlosen Einwürfe den Gottesstaat, die wahre Frömmigkeit und die Gottesverehrung, die allein und wahrhaft die Verheißung ewiger Seligkeit hat, mit allem Nachdruck, soweit Gott die Kraft verleiht, in positiven Ausführungen darzulegen. Darum sei hier der Schluß des Buches gemacht, um den weiteren Plan mit einem neuen Anfang aufzugreifen.
2. Buch
1. Die Pflicht des Disputierens hat auch ihre Grenze.
Wenn die Menschen ihre in langer Gewöhnung matt und krank gewordene Gesinnung, statt sie unverfroren der Vernunftmäßigkeit der offenkundigen Wahrheit widerstreben zu lassen, heilender Lehre wie einem Arzneimittel anvertrauen wollten, bis sie mit Gottes Hilfe und durch die Kraft eines frommen Glaubens geheilt würde, dann brauchten die, die das Richtige haben und ihre Meinungen hinreichend klar zum Ausdruck bringen, zur Widerlegung jeglichen Irrtums haltloser Meinung nicht viel Worte zu machen. So aber, weil diese Unverständigen schwerer und bösartiger kranken und ihre unvernünftigen Regungen auch nach erschöpfender Beweisführung, wie sie nur immer ein Mensch seinem Mitmenschen schuldet, als ausbündige Vernunft und Wahrheit verteidigen, sei es in übergroßer Blindheit, die selbst das offen daliegende nicht sieht, oder in verstockter Hartnäckigkeit, die sich auch gegen das sperrt, was sie sieht, so ergibt sich in der Regel die Notwendigkeit, klare Dinge in aller Ausführlichkeit zu sagen, als wollten wir sie nicht etwa Sehenden zum Anschauen, sondern gleichsam Tastenden, die die Augen zudrücken, zum Berühren darbieten. Und dennoch, wenn wir immer wieder auf Gegenrede antworten wollten, wann kämen wir da mit dem Streiten zu Ende und fänden für unsere Ausführungen ein Ziel? Denn die, welche das Vorgebrachte nicht verstehen oder in der Widerspenstigkeit ihres Sinnes so hartnäckig sind, daß sie sich gegen ihre bessere Einsicht verschließen, die erwidern, wie geschrieben steht[78] , und „sprechen ungerechte Rede“ und sind unermüdlich in haltlosen Meinungen. Es ist leicht einzusehen, eine wie endlose, mühevolle und unfruchtbare Aufgabe es wäre, wollten wir ihre Einwendungen jedesmal widerlegen, so oft sie mit trotziger Stirn, nur um unsern Ausführungen zu widersprechen, irgendetwas vorbringen, unbekümmert darum, was sie sprechen. Daher sollst du, mein Sohn Marcellin, und sollen die andern, denen diese unsere Arbeit zu ersprießlichem und reichlichem Gebrauche dienen will, meine Schriften nicht danach beurteilen, ob sie jedesmal eine Erwiderung haben auf das, was ihr etwa dagegen einwenden hört, damit ihr nicht jenen „Weiblein“ gleichet, „die immer lernen und nie zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen können“[79] .
2. Rückblick auf den Inhalt des ersten Buches.
Als ich mich im vorhergehenden Buche anschickte, über den Gottesstaat zu handeln, wovon mit Gottes Beistand dieses ganze Werk vorgenommen worden ist, sah ich mich zunächst veranlaßt, denen entgegenzutreten, die die gegenwärtigen Kriege, welche die Welt erschüttern, und vorab die jüngste Zerstörung der Stadt Rom durch die Barbaren der christlichen Religion zuschreiben, durch die sie verhindert werden, mit frevelhaften Opfern den Dämonen zu dienen, während sie vielmehr es Christo zuschreiben sollten, daß ihnen um seines Namens willen gegen Kriegsbrauch und Kriegssitte Barbaren religiöse Stätten von größtem Fassungsvermögen als Freistätten einräumten und an vielen die Gefolgschaft Christi und nicht bloß die wahre, sondern selbst die aus Furcht erheuchelte in der Weise in Ehren hielten, daß sie für unstatthaft erachteten, was ihnen wider Feinde nach dem Kriegsrecht gestattet gewesen wäre. Von da ging die Untersuchung zu der Frage über, warum solcher Wohltaten Gottes auch Gottlose und Undankbare teilhaft wurden und warum auf der andern Seite die Härten feindlichen Auftretens die Frommen gerade so wie die Gottlosen heimgesucht haben. Um diese weit greifende Frage — sie pflegt ja bei sämtlichen Tag für Tag sich erneuernden Gaben Gottes und Heimsuchungen durch Menschen, wie sie sich häufig ganz ohne Unterschied über Gute und Böse ergießen, die Gemüter vielfach zu beschäftigen — zu lösen, soweit es innerhalb des Rahmens dieses Werkes liegt, habe ich mich bei ihr länger aufgehalten, hauptsächlich zum Troste jener heiligen und fromm-keuschen Frauen, an denen vom Feinde Frevel begangen wurden, die ihrer Ehrbarkeit schmerzlich fielen, jedoch die Festigkeit ihrer Keuschheit nicht erschütterten, damit sie nicht des Lebens überdrüssig würden, da sie doch keinen Anlaß haben, eine Schlechtigkeit zu bereuen. Hierauf habe ich einige Worte gegen die gerichtet, welche die schwer heimgesuchten Christen und besonders die Ehre jener entehrten und doch völlig reinen und heiligen Frauen mit der schamlosesten Frechheit verlästern, sie, die längst alle Tugend und Scham abgelegt haben, ganz entartete Epigonen jener Römer, von denen viel Vortreffliches gerühmt und in der Geschichte gefeiert wird, ja das gerade Widerspiel ihres Ruhmes. Denn Rom, gegründet und zur Macht gediehen durch die Mühen der Alten, ist durch sie in seinem Glanze häßlicher gewesen als in seinem Fall; sanken bei seinem Fall die Mauern und Balken dahin, so war aus ihrer Lebensführung aller Halt und Schmuck der Sitten dahingeschwunden, und unheilvoller wütete in ihren Herzen Leidenschaft aller Art als in den Wohnstätten Roms das Feuer. Damit habe ich das erste Buch beschlossen. Im folgenden will ich ausführen, welche Übel diese Stadt seit ihrer Gründung erlitten hat, sowohl sie selbst als auch die ihr unterworfenen Provinzen, was man natürlich alles der christlichen Religion zuschreiben würde, wenn damals schon die Lehre des Evangeliums in voller Freiheit ihr Zeugnis hätte