Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat, Band 1. Augustinus von Hippo

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Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat, Band 1 - Augustinus von Hippo Die Schriften der Kirchenväter

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Grausameres von ihren Mitbürgern zu erdulden hatten. Gerade die Herrschsucht, die sich unter den Gebrechen der Menschennatur beim gesamten römischen Volke besonders ausgeprägt vorfand, hat, in einigen wenigen Machthabern zum Durchbruch gelangt, die Übrigen in den Staub getreten, abgehetzt und unter das Joch der Knechtschaft gezwungen.

      

       31. Die Stufenfolge der Laster, in der sich die Herrschsucht der Römer entwickelte.

      

      Denn wann sollte die Herrschsucht in solch stolzen Gemütern zur Ruhe kommen, solang sie nicht durch stetige Verlängerung der Staatsämter zu königlicher Gewalt gelangte? Zur steten Verlängerung der Staatsämter böte sich aber die Möglichkeit nicht, wenn nicht Gunstbuhlerei übermächtig geworden wäre. Diese aber kann nur in einem durch Habsucht und Schwelgerei verdorbenen Volke übermächtig werden. Und hab- und genußsüchtig wurde das Volk durch das Wohlergehen, das jener Nasica mit Scharfblick vermieden wissen wollte, da er für den Fortbestand der größten, tapfersten und reichsten feindlichen Stadt eintrat, damit die Begier durch Furcht niedergehalten werde und, also niedergehalten, nicht in Schwelgerei ausarte und damit, wenn der Schwelgerei vorgebeugt wäre, auch die Habsucht nicht um sich greife und, wenn diesen Lastern ein Riegel vorgeschoben wäre, zum Wohle des Staates die Tugend blühe und wachse und eine Freiheit, wie sie solcher Tugend entspricht, Bestand habe. Aus der gleichen Erwägung und vorsorglichen Liebe zum Vaterland hat ferner eben dieser euer Oberpriester, der von dem damaligen Senate [ich kann das nicht oft genug sagen] ohne jede Meinungsverschiedenheit als der beste Mann bezeichnet wurde, den Senat von dem Vorhaben und der Absicht, einen Zuschauerraum für ein Theater zu bauen, abgebracht und ihn in einer sehr ernsten Rede dazu vermocht, nicht zu dulden, daß sich griechische Schwelgerei in die männlichen Sitten des Vaterlandes einschleiche, und nicht zuzustimmen ausländischer Schlechtigkeit zur Erschütterung und Entmannung römischer Tüchtigkeit; und soviel bewirkte sein Ansehen, daß der Senat auf seine Worte hin fürsorglich selbst die beweglichen Sitze in Zukunft bereit zu stellen verbot, die das Publikum für die Zeit des Schauspiels bereits in Benützung zu nehmen begonnen hatte. Mit welchem Eifer hätte er die Bühnenspiele selbst aus der Stadt Rom verbannt, wenn er dem Willen derer sich zu widersetzen gewagt hätte, die er für Götter hielt und nicht als feindselige Dämonen erkannte oder, wenn er sie richtig erkannte, doch auch seinerseits lieber günstig stimmen als verachten zu sollen glaubte. Denn noch war den Völkern nicht die Lehre von oben verkündet, die durch den Glauben das Herz reinigt und dem Streben des Menschen in demütiger Frömmigkeit die Richtung auf das Ergreifen der himmlischen oder überhimmlischen Güter gegeben und es von der Herrschaft hochfahrender Dämonen befreit hätte.

      

       32. Die Einführung der Bühnenspiele.

      

      Indes ihr, die ihr murret gegen den Befreier von solcher Herrschaft, wisset, wenn ihr es nicht wißt, und schauet den Tatsachen ins Gesicht, wenn ihr sie kennt und nicht gestehen wollt: die Bühnenspiele, diese Schaustellungen von Schändlichkeiten und diese Freistätten der Nichtswürdigkeit, sind nicht durch die Lasterhaftigkeit der Menschen, sondern auf Befehl eurer Götter in Rom eingeführt worden. Erträglicher wäre es, wenn ihr jenem Scipio göttliche Ehren erwieset, als daß ihr solche Götter verehrtet. Denn sie waren nicht besser als ihre Oberpriester. Sehet doch einmal zu, falls die durch lang eingeschlürfte Irrtümer herbeigeführte geistige Be-nebelung euch nicht hindert am vernünftigen Denken! Zur Bannung einer leiblichen Pest[76] befahlen die Götter die Aufführung von Bühnenspielen; der Oberpriester aber verbot zur Fernhaltung einer geistigen Pest die Erbauung einer Bühne. Seid ihr hell genug, um den Geist über den Leib zu stellen, so wählet, wen ihr verehren sollt. Übrigens erlosch die Pest dadurch nicht, daß sich bei einem kriegerischen und vorher nur an gymnastische Spiele gewohnten Volke der wollüstige Aberwitz der szenischen Spiele einschlich; vielmehr haben die verruchten Geister in ihrer Verschmitztheit, wohl wissend, daß die Pest ohnehin von selbst bald aufhören werde, bei diesem Anlaß eine andere, weit schlimmere Pest, an der sie ihre größte Freude haben, nicht den Leibern, sondern den Sitten einzuimpfen verstanden, eine Pest, die den Geist dieser Unglücklichen mit solcher Finsternis schlug, so gräulich verwüstete, daß selbst jetzt — die Nachwelt wird es vielleicht kaum glauben können — nach Zerstörung der Stadt Rom die, welche von dieser Pest befallen sind und von Rom nach Karthago entkamen, in den Theatern Tag für Tag um die Wette für die Schauspieler rasten.

      

       33. Der Untergang der Vaterstadt vermochte die Römer nicht zu bessern.

      

      Welche Verwüstung des Geistes! Tollwut ist es, nicht mehr bloß Irrwahn, daß ihr, während die Völker des Orients laut der Berichte euern Untergang bejammern und die größten Städte in den entlegensten Ländern öffentlich trauern und klagen, nach Theatern Gelüste hattet, sie besuchtet, sie bis auf den letzten Platz anfülltet und euch unsinniger gebärdetet als zuvor. Das ist jene Fäulnis und Pest der Seelen, jene Vernichtung aller Rechtschaffenheit und Ehrbarkeit, um die Scipio für euch bangte, als er die Erbauung von Theatern verhinderte, da er vorhersah, ihr würdet durch Wohlergehen leicht verdorben werden und umkommen, da er euch vor feindlichen Schrecken nicht sicher gestellt wissen wollte. Denn er war nicht der Meinung, daß der Staat glücklich sei, wenn nur die Mauern feststehen, während es mit den Sitten abwärts geht. Aber bei euch haben gottlose Dämonen mit ihren Verführungskünsten mehr vermocht, als weitblickende Männer mit ihren Vorsichtsmaßregeln. Daher kommt es, daß ihr für das Schlimme, was ihr tut, nicht verantwortlich sein wollt, dagegen für das Schlimme, das ihr erduldet, die christlichen Zeiten verantwortlich macht. Denn nicht ist euch um Sicherheit zu tun, damit das Staatswesen in Ordnung sei, sondern damit ihr ungestraft schwelgen könnet, ihr, die ihr, durch Glück verdorben, nicht einmal durch Unglück gebessert werden konntet. Scipio wollte euch durch einen Feind in Atem halten, damit ihr nicht in Üppigkeit versänket; aber ihr habt nicht einmal, als euch der Feind den Fuß auf den Nacken setzte, der Üppigkeit Einhalt getan; ihr habt keinen Nutzen aus dem Unheil gezogen; ihr seid ins tiefste Elend geraten und dadurch um kein Haar besser geworden.

       34. Gottes Güte ist es, die den Untergang der Stadt gemildert hat.

      

      Und doch ist euer Überleben Gnade von Gott, der euch durch die Schonung mahnt, euch durch Buße zu bessern, der euch trotz eurer Undankbarkeit den Händen der Feinde entrinnen ließ, und zwar unter dem Namen seiner Diener, an den Stätten seiner Märtyrer. Romulus und Remus sollen eine Freistatt bestimmt haben, wo jeder, der dorthin flüchtete, von aller Strafe frei sein sollte, in der Absicht, die Bevölkerung der entstehenden Stadt zu mehren. Ein Vorbild, das wunderbar zur Ehre Christi sich gestaltete. Die Zerstörer der Stadt bestimmten das gleiche, was einst die Gründer bestimmt hatten. Allein was ist daran großartiges, wenn die Gründer das taten, um die Zahl ihrer Bürger zu ergänzen, während die Zerstörer es taten, um eine große Zahl ihrer Feinde zu erretten!

       35. Kinder der Kirche in den Reihen der Gottlosen und falsche Christen innerhalb der Kirche.

      

      Diese und ähnliche, nach Gelegenheit ausführlichere Erwiderungen mag die erlöste Gefolgschaft Christi des Herrn und der pilgernde Staat Christi des Königs den Feinden entgegenhalten. Sie sollen indes dabei stets vor Augen haben, daß unter diesen Feinden auch künftige Mitbürger verborgen sind, damit sie es wenigstens bei diesen nicht für vergebliche Geduld halten, ihre Anfeindungen zu ertragen, bis aus ihnen Anfänger werden; wie ja auch hinwieder der Gottesstaat,

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