Erlösung und Utopie. Michael Löwy

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Erlösung und Utopie - Michael Löwy

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nun angesichts des ungeheuren Gewirrs gegenseitiger Beeinflussungen zwischen den materiellen Unterlagen, den sozialen und politischen Organisationsformen und dem geistigen Gehalte der reformatorischen Kulturepochen nur so verfahren werden, daß zunächst untersucht wird, ob und in welchen Punkten bestimmte ›Wahlverwandtschaften‹ zwischen gewissen Formen des religiösen Glaubens und der Berufsethik erkennbar sind. Damit wird zugleich die Art und allgemeine Richtung, in welcher infolge solcher Wahlverwandtschaften die religiöse Bewegung auf die Entwicklung der materiellen Kultur einwirkte, nach Möglichkeit verdeutlicht.«7

      Wir stellen fest, daß der Begriff das erste Mal in Anführungszeichen erscheint, als ob Weber sich entschuldigen wollte für die Verwendung einer romantischen und literarischen Metapher im Rahmen einer wissenschaftlichen Analyse. Aber im folgenden fallen die Anführungsstriche weg: das Wort ist zum Konzept geworden …

      Während Webers Begriff auf eine innere Beziehung zwischen den beiden Figuren verweist, die reich ist an Sinngehalt und Bedeutungen, verrät sie Parsons mit seiner Übersetzung, macht sie zu einer banalen Beziehung oder Wechselbeziehung, die äußerlich bleibt und sinnentleert. Man könnte nicht besser illustrieren, daß dieses Konzept unauflöslich verbunden ist mit einem ganz bestimmten kulturellen Hintergrund, einer Tradition, die ihm seine expressive und analytische Kraft verleiht.

      In diesen drei von Weber verwendeten Definitionen besteht Wahlverwandtschaft zwischen soziokulturellen Strukturen (wirtschaftlicher oder religiöser Natur), ohne daß es zur Bildung einer neuen Substanz oder einer wesentlichen Veränderung der ursprünglichen Komponenten käme – selbst dann nicht, wenn ihre Interaktion wirksame Konsequenzen hat, indem sie zum Beispiel die innere Logik jeder Figur verstärkt.

      Zu Beginn des 20. Jahrhunderts finden wir die kantische Moral in Verbindung mit der positivistischen Erkenntnistheorie der Sozialwissenschaften; und im 20. Jahrhundert nimmt die Psychoanalyse Beziehungen zum Marxismus auf, der Surrealismus zum Anarchismus usw.

      Allerdings erfordert ein systematischer Gebrauch unseres Begriffs eine bestimmte Anzahl von Definitionen, ohne die er als Konzept nicht wirksam wäre. Zu Beginn müssen wir bedenken, daß es mehrere Ebenen oder Stufen von Wahlverwandtschaft gibt:

      1. Die erste ist einfach Verwandtschaft, geistige Nähe, strukturelle Homologie (ein Begriff, der in der Literatursoziologie von Lucien Goldmann Verwendung findet), Korrespondenz im Sinne von Baudelaire.

      2. Die Wahl, gegenseitige Anziehung, aktive Entscheidung von zwei sozio-kulturellen Konfigurationen füreinander. Sie führt zu bestimmten Formen der Interaktion, der gegenseitigen Stimulierung und der Konvergenz. An diesem Punkt beginnen die Analogien und Konvergenzen dynamisch zu werden, aber die beiden Strukturen bleiben getrennt.

      Auf dieser Ebene oder am Übergang zur folgenden ist die Wahlverwandtschaft zwischen protestantischer Ethik und dem Geist des Kapitalismus angesiedelt, von der Max Weber spricht.

      3. Die Paarung, Verbindung oder »Mischung« zweier Partner. Sie kann entstehen aus unterschiedlichen Formen der Gemeinschaft:

      a)Sie könnte als »kulturelle Symbiose« bezeichnet werden. Beide Figuren bleiben unterscheidbar, sind aber organisch miteinander verbunden.

      b)Eine Verschmelzung findet nur teilweise statt.

      c)Die völlige Verschmelzung (die chemische Hochzeit von Boerhaave).

      4. Die Bildung einer neuen Figur. Sie entsteht aus der Verschmelzung wesentlicher Elemente. In diesem Sinne verwendet Goethe den Begriff, doch in den Untersuchungen Max Webers fehlt diese Dimension. Sicher ist es schwierig, zwischen der dritten und der vierten Stufe zu unterscheiden: ist beispielsweise die Psychoanalyse marxistischer Prägung nur eine Verbindung von zwei unterschiedlichen Denkrichtungen, oder haben wir es hier mit einer ganz neuen Form des Denkens zu tun, ebenso verschieden von der Psychoanalyse wie vom historischen Materialismus?

      Es könnte nützlich sein, unser Konzept mit anderen Begriffen oder Kategorien zu vergleichen,

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