Bekenntnisse. Augustinus von Hippo

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Bekenntnisse - Augustinus von Hippo Die Schriften der Kirchenväter

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auch nicht satt, sondern immer hungriger. Eine Speise im Traum gleicht aufs Haar einer Speise der Wachenden; und doch werden die Schlafenden nicht satt; sie schlafen eben. Aber jene Phantasiegebilde hatten gar keine Ähnlichkeit mit dir, wie du jetzt zu mir gesprochen hast, weil es Gebilde von Körpern waren, noch dazu von falschen Körpern, deren Wirklichkeit weit nachsteht der jener Körper, die wir mit leiblichen Augen sehen, mögen es nun himmlische oder irdische sein; denn ebenso wie wir sehen sie auch die Tiere und Vögel, und deshalb sind sie wirklicher, als wenn sie nur in unserer Einbildung beständen. Und wiederum haben diese Vorstellungen eine sicherere Grundlage, als wenn wir darauf Hypothesen noch größerer und unbegrenzter Dinge bauen, die tatsächlich gar nicht existieren. Solche Truggebilde sollten mich damals sättigen, aber ich wurde nicht satt. Aber du meine Liebe, an die ich mich lehne, um stark zu sein, bist weder die Dinge, die wir am Himmel sehen, noch die, die wir dort nicht sehen, weil sie dein Werk und nicht einmal dein höchstes sind. Wie weit entfernt also bist du doch von jenen meinen Phantasiegebilden, Gebilden von Körpern, die gar nicht sind! Wahrhafter als diese sind die Vorstellungen wirklicher Körper, und wahrhafter als diese die Körper selbst; aber auch diese sind nicht du. Ebensowenig bist du die Seele, die den Körpern Leben gibt - daher ist das Leben der Körper gegründeter und sicherer als die Körper selbst -, sondern du bist das Leben der Seelen, das Leben alles Lebens, lebend aus dir selbst und ohne Wandlung, das Leben meiner Seele.

      Wo also warest du nur damals und in welcher Ferne? Weit von dir zog ich in der Fremde umher, ausgeschlossen selbst von den Träbern der Schweine, die ich mit Träbern fütterte. Wie viel besser waren doch die Märchen der Dichter und Grammatiker als jene Fallgruben! Denn Vers und Gedicht und die fliegende Medea sind sicher nützlichere Dinge als die fünf Elemente58 mit ihren verschiedenen Farben wegen der fünf Höhlen der Finsternis, was alles gar nicht ist, aber den, der daran glaubt, tötet. Denn Vers und Gedicht können noch einen tatsächlichen Nutzen gewähren; und wenn ich selbst die fliegende Medea besang, so gab ich es doch noch nicht für Wahrheit aus; hörte ich aber sie besingen, so glaubte ich es nicht. Jene Dinge aber habe ich geglaubt, wehe, wehe mir! Auf welchen Stufen ließ ich mich in den Abgrund der Hölle hinabziehen! Wie mühte ich mich ab, wie glühte ich bei dem Verlangen nach Wahrheit, als ich dich, mein Gott, dir bekenne ich es, der du dich meiner erbarmt, als ich dich noch nicht bekannte - nicht mit der Einsicht meines Verstandes, durch welchen du mich vor den Tieren auszeichnen wolltest, sondern nach den Sinnen meines Fleisches suchte! Du aber warst innerlicher als mein Innerstes und höher als mein Höchstes59. Ich bin auf jenes freche Weib ohne Klugheit, das Rätsel Salomons, gestoßen, das auf dem Stuhle an der Türe sitzt und also spricht: „Esset fröhlich hier verborgenes Brot und trinket verstohlen süßes Wasser“60. Es hat mich verführt, denn es fand mich, wie ich draußen im Auge meines Fleisches wohnte und in meinem Inneren nur wiederkäute, was ich durch dieses aufgenommen hatte.

      7. Er huldigt der Abgeschmacktheit des Manichäismus. Das lautere Gesetz des Allmächtigen.

      Ich kannte ja kein anderes wahrhaftes Sein und ließ mich durch Spitzfindigkeiten bewegen, törichten Betrügern beizupflichten, wenn ich gefragt wurde, woher das Übel stamme, ob Gott in körperliche Gestalt eingeschlossen sei und Haare und Nägel habe und ob jene noch als Gerechte gelten können, die mehrere Frauen zugleich hätten, Menschen töteten und Tiere als Opfer darbrächten. Bei meiner Unwissenheit in diesen Dingen ließ ich mich durch solche Fragen verblüffen, und von der Wahrheit mich entfernend, glaubte ich mich auf dem Wege zu ihr zu befinden, da ich damals nicht wußte, daß das Böse die absolute und vollständige Negation des Guten ist. Wie hätte ich es auch einsehen sollen, wenn der Blick meiner Augen nur auf Körper, die Schärfe meines Geistes nur auf Trugbilder eingestellt war? Ich wußte nicht, daß Gott ein Geist ist, der weder im Raume meßbare Glieder noch Masse besitzt; denn jede Masse ist im Teile kleiner als im Ganzen, und wenn sie unendlich sein sollte, so ist sie doch in einem bestimmten Ausschnitte kleiner als in ihrer Unendlichkeit; sie ist nicht überall ganz wie der Geist, wie Gott. Auch wußte ich gar nicht, was das in uns sei, wonach wir geschaffen sind, das „Ebenbild Gottes“61, wie es die Schrift nennt.

      Ebenso kannte ich nicht die wahre, innere Gerechtigkeit, die nicht nach der Gewohnheit richtet, sondern nach dem gerechtesten Gesetze des allmächtigen Gottes, nach welchem sich die Sitten der Länder und Zeiten bilden sollen; es selbst aber bleibt überall und immer, ohne sich im Wechsel von Ort und Zeit zu ändern, das Gesetz, nach welchem Abraham und Isaak und Jakob und Moses und David gerecht waren und alle jene durch Gottes Mund gepriesenen Männer, mögen sie auch von gewissen Leuten in ihrer Unwissenheit als ungerecht bezeichnet werden, die „nach Weise eines menschlichen Gerichtstages“62 richten und alle Sitten des Menschengeschlechtes nach dem Maßstabe ihrer eigenen Sitten bemessen. Solche Leute gleichen Menschen, die ohne Kenntnis der Waffenrüstung nicht wissen, welches Stück den einzelnen Gliedmaßen angepaßt ist, infolgedessen das Haupt mit der Beinschiene bedecken und den Helm als Fußbedeckung gebrauchen wollen und sich dann beschweren, daß es nicht passe; sie gleichen auch Leuten, die sich aufregen, daß sie nachmittags, wenn Gerichts- und Handelsferien angesetzt sind, nichts mehr zum Verkaufe ausbieten können, obwohl es doch am Vormittag erlaubt gewesen ist, oder anderen, die da bemerken, daß in einem Hause ein Diener eine bestimmte Arbeit mit den Händen verrichtet, von der man den Mundschenk fernhält, oder daß etwas im Stalle geschieht, was bei Tisch verboten ist, und nun unwillig werden, daß in einem und demselben Hause und in einer Familie nicht allen immer dasselbe zugewiesen ist. So handeln diejenigen, die sich aufregen, wenn sie hören, daß den Gerechten in jenen früheren Zeiten etwas erlaubt gewesen sei, was jetzt ihnen nicht mehr erlaubt ist, und daß Gott je nach den Zeitumständen den einen dieses, den anderen jenes Gebot gegeben hat, obwohl beide der nämlichen Gerechtigkeit dienen; und doch sehen sie, daß bei demselben Menschen an demselben Tage in demselben Hause den verschiedenen Gliedern verschiedenes zusteht, daß manches, was seit sehr langer Zeit erlaubt, nun plötzlich nicht mehr erlaubt wird, daß etwas in jenem Winkel gestattet, ja sogar geboten ist, was in diesem daneben verboten und straffällig ist. Deshalb ist noch lange nicht die Gerechtigkeit wechselnd und im Fluß begriffen; nur die Zeiten, denen sie Gesetze vorschreibt, gehen nicht gleichmäßig, eben weil es Zeiten sind. Weil aber die Menschen, deren Leben auf Erden kurz ist, die Verhältnisse der vergangenen Jahrhunderte und anderer Nationen, die sie nicht kennen, mit dem, was sie selbst erfahren haben, nicht in Einklang bringen können, wohl aber am nämlichen Körper, am nämlichen Tag oder Hause sehen können, wie so manches nur für ein gewisses Glied, eine gewisse Zeit, für gewisse Teile oder Personen angemessen ist, nehmen sie dort Anstoß, während sie sich hier fügen.

      Das wußte ich damals nicht und beachtete es nicht, und doch boten sich überall solche Dinge meinen Augen, ohne daß ich sie bemerkte. Machte ich Gedichte, so durfte ich nicht jeden Versfuß an beliebiger Stelle gebrauchen, sondern jedes Metrum verlangte eine ganz bestimmte Ordnung der einzelnen Versfüße, und auch in einem und demselben Verse durfte ich den gleichen Fuß nicht an jeder Stelle anwenden. Trotzdem war die Verskunst, nach der ich dichtete, nicht nach Orten verschieden, sondern überall einheitlich. Dabei aber entging es mir, daß die Gerechtigkeit, welcher die guten und seligen Männer dienten, in weit vorzüglicherer und höherer Weise alle ihre Satzungen zugleich umfaßt und, obgleich ohne. Wechsel nach irgendeiner Seite, dennoch den verschiedenen Zeiten nicht alles zugleich, sondern nur das jedesmal Passende zuweist und vorschreibt. In meiner Blindheit tadelte ich die frommen Väter, die nicht nur nach Gottes Befehl und Eingebung der Gegenwart lebten, sondern auch nach Gottes Offenbarung die Zukunft vorhersagten.

      8. Von der Sünde.

      Ist es etwa irgendwann oder irgendwo unrecht, “Gott zu lieben aus seinem ganzen Herzen, aus seiner ganzen Seele, aus seinem ganzen Gemüte” und “den Nächsten wie sich selbst”?63 Und deshalb sind auch Verbrechen gegen die Natur wie die der Sodomiten immer und überall verabscheuungswürdig und strafbar. Wenn auch alle Völker solche Sünden begingen, alle würden doch gleicher Sündenschuld anheimfallen infolge des göttlichen Gesetzes, das die Menschen nicht zu solchem Verkehre geschaffen hat. Es wird ja auch die Gemeinschaft, die uns mit Gott verknüpfen soll, verletzt, wenn eben die Natur, die er geschaffen, durch

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