Bekenntnisse. Augustinus von Hippo
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9. Böse Gesellschaft führt zum Verderben.
Welches Verlangen beherrschte hierbei meine Seele? Sicherlich war es durchaus schimpflich, und wehe mir, daß es mich erfüllte. Indes, worin bestand es? „Wer erkennt der Menschen Sünden?“50 Es kitzelte uns und erregte unser Gelächter, daß wir die täuschten, die solches von uns gar nicht vermuteten, ja es uns sogar ausdrücklich verboten. Warum freute mich also der Umstand, daß ich den Diebstahl nicht allein beging? Vielleicht etwa, weil niemand gern allein lacht? Das kommt allerdings selten vor; und doch brechen auch zuweilen einzelne Menschen allein, ohne daß irgend jemand zugegen ist, in plötzliches Lachen aus, wenn ihren Sinnen oder ihrer Seele etwas zu Lächerliches begegnet. Ich aber hätte jenen Diebstahl durchaus nicht allein begangen, wirklich nicht allein. Sieh, o mein Gott, wie lebendig vor deinem Angesichte sich meine Seele erinnert. Allein hätte ich jenen Diebstahl nicht begangen, bei dem mich nicht freute, was ich stahl, sondern daß ich stahl wäre ich allein gewesen, hätte es mich nicht gefreut, und ich hätte es auch nicht getan. O Freundschaft, ärger als die größte Feindschaft, o unerforschliche Seelenverführung, o Gier, durch Scherz und Spiel zu schaden, o Verlangen, anderen Verlust zu bereiten, ohne selbst zu gewinnen, ohne von Rachsucht getrieben zu sein! Dem bloßen Worte”auf, tun wir dies" folgt man, und man schämt sich, schamhaft zu sein.
10. In Gott ist alles Gute.
Wer kann mir jenen durchaus verworrenen und verwickelten Knäuel entwirren? Schmachvoll ist er; ich mag nicht länger mein Augenmerk auf ihn richten, nicht länger ihn sehen. Nach dir verlange ich, Gerechtigkeit und Unschuld, schön und herrlich in reinem Glanze und unersättlicher Fülle. Bei dir wahrlich ist Ruhe und ungetrübtes Leben. Wer zu dir eingeht, tritt ein „in die Freude seines Herrn“51; keine Furcht wird ihn beherrschen, und bei dem höchsten Gute wird er aufs beste aufgehoben sein. Abgewichen bin ich von dir, mein Gott, und allzuweit abgeirrt von der Feste in meiner Jugend, so daß ich mir zu einem Lande bitterer Not geworden bin.
Drittes Buch
1. Augustinus wird eine Beute der Liebe und jagt ihr nach.
Inhaltsübersicht.
*Augustinus schwelgt zu Karthago in unreiner Liebe und schöpft im neunzehnten Lebensjahre aus Ciceros Hortensius die Liebe zur Philosophie. Später verfällt er in die Irrlehren der Mani, deren Ungereimtheiten er nachweist. Schließlich erzählt er einen Traum
seiner Mutter und die Antwort eines Bischofs in betreff seiner Bekehrung.*
Ich kam nach Karthago52, und mich umbrandete von allen Seiten ein Höllenpfuhl schändlicher Leidenschaften. Noch liebte ich nicht; aber ich verlangte nach Liebe und zürnte mir, daß ich aus einem inneren Bedürfnisse heraus nicht liebebedürftig genügend sei. Ich suchte nach einem Gegenstand meiner Liebe; denn ich sehnte mich nach Liebe und haßte die zufriedene Sicherheit und einen Weg ohne Fallstricke. Zwar hast du selbst, o mein Gott, du Seelenspeise, mir Hunger nach dir eingeflößt, aber diesen Hunger spürte ich nicht, sondern ich begehrte gar nicht nach unvergänglicher Speise; nicht als ob sie mich bereits gesättigt hätte, im Gegenteil: je leerer ich war, desto mehr Widerwillen empfand ich vor ihr, Und darum war meine Seele krank und stürzte sich, mit Eiterbeulen bedeckt, auf die Außenwelt, begierig nach jämmerlichen Anreizen durch die Berührung mit dem Sinnlichen. Und doch - hätte dieses keine Seele, man würde es fürwahr nicht lieben. Liebe zu spenden und zu empfangen, war mir süß, süßer jedoch, wenn ich auch den Körper der Geliebten besitzen konnte. So besudelte ich den reinen Born der Freundschaft durch den Schlamm der sinnlichen Begier und verdunkelte ihren strahlenden Glanz durch höllische Wollust; trotzdem trachtete ich, abscheulich und unsittlich wie ich war, aus maßloser Selbstgefälligkeit darnach, für fein und gebildet zu gelten. So stürzte ich in ein Liebesverhältnis hinein, in dessen Fesseln ich verstrickt zu werden wünschte. Mein Gott, meine Barmherzigkeit, wieviel Galle hast du mir in deiner Güte auf jene Süßigkeit geträufelt. Ich wurde geliebt, gelangte zu sündhaftem Genusse, und mit Freuden ließ ich mich in jene unheilvollen Bande schlagen, so daß ich gegeißelt wurde mit den glühenden eisernen Rufen der Eifersucht, des Argwohns, der Furcht, des Zornes und des Haders.
2. Seine Leidenschaft für das Theater.
Mich rissen hin die Schauspiele, in denen ich meine Leiden und den Zündstoff für meine Leidenschaft wiederfand. Warum will doch der Mensch dort Szenen voll Trauer und Jammer anschauen, die er in Wirklichkeit nicht durchmachen möchte? Und doch will der Zuschauer schmerzlich gerührt werden, ja der Schmerz selbst ist seine Lust. Ist das nicht ein bedauernswerter Wahnsinn? Denn je mehr jemand unter solchen Affekten zu leiden hat, desto mehr wird er auch durch jene Darstellungen erschüttert; leidet man selbst, so nennt man es Leid, empfindet man mit andern, so nennt man es Mitleid. Wie aber kann bei Dichtungen und szenischen Darstellungen von Mitleid die Rede sein? Der Zuschauer wird ja nicht um Hilfe angegangen, sondern zum Schmerze eingeladen, und je mehr er Schmerz empfindet, desto höher schätzt er den Darsteller solcher Bilder. Und wenn jene tragischen Ereignisse aus dem Mythus des Altertums oder aus dem Kreise der Dichtung so aufgeführt würden, daß der Zuschauer keinen Schmerz empfände, so ginge er gelangweilt und unter Ausdrücken des Tadels von dannen; wird er aber schmerzlich ergriffen, so harrt er in gespannter Aufmerksamkeit aus und weint in seiner Freude.
Werden also auch Tränen und Schmerzen geliebt? Jeder Mensch strebt doch nach Freude. Oder werden etwa aus dem Grunde Schmerzen geliebt, weil, wenn man das Leid vermeidet, man doch gern Mitleid empfindet, dieses aber ohne Schmerz undenkbar ist? Auch dies entstammt wohl jener Quelle der Freundschaft? Aber wohin strömt sie? wo mündet sie? Warum strömt sie in jenen reißenden Strom siedenden Peches, in jene gewaltigen Brandungen schändlicher Lüste? Warum verwandelt und verkehrt sie sich in jene Brandungen, abgelenkt und hinabgestürzt durch eigene Willkür von himmlischer Wahrheit? Soll man also das Mitleid von sich zurückweisen? Keineswegs. Also muß man sich mitunter damit abfinden, die Schmerzen zu lieben. Doch hüte dich, meine Seele, vor der Unreinigkeit unter dem Schutze meines Gottes, des Gottes unserer Väter, der hoch gelobt und gepriesen in alle Ewigkeit – hüte dich vor der Unreinigkeit! Denn auch jetzt empfinde ich noch Mitleid; damals aber im Theater freute ich mich mit den Liebenden, wenn sie in Schande miteinander buhlten, wenn es auch nur zur Täuschung der Zuschauer auf der Bühne geschah, betrübte mich aber herzlich, wenn sie einander verloren; und doch erfreuten mich beide Situationen! Jetzt aber bemitleide ich mehr den, der in Wollüsten aufgeht, als den, der Schweres zu erdulden vermeint, wenn ihm verderbliche Lust entgeht und er ein jämmerliches Glück verliert. Da ist sicher das wahre Mitleid, aber dieser Schmerz kennt keine Freude. Denn wenn auch, wer einen Verirrten beklagt, das lohnende Bewußtsein erfüllter Liebespflicht hat, so möchte doch echtes Mitleid von vornherein auf solchen Schmerz verzichten. Wenn es nämlich übelwollendes Wohlwollen gäbe - was unmöglich ist! -, dann wäre der Fall denkbar, daß einer aus wahrhaftem und aufrichtigem Mitleidsgefühl heraus sich leidende Elende wünschte, nur um sie bemitleiden zu können. Und so kann man wohl einige Schmerzen billigen, keinen aber lieben. Weil du also, o Herr mein Gott, der du die Seelen liebst weit reiner und inniger als wir, von keinem Schmerze verwundet wirst, ist auch deine Erbarmung lauterer und dauernder. „Welcher Mensch aber ist dazu imstande?“53
Aber ich Elender liebte damals den Schmerz und suchte nach einer Ursache für meinen Schmerz, und umso mehr gefiel mir bei fremdem, unechtem Leide des Mimen Spiel, umso mehr lockte es mich an, je mehr Tränen es mir auspreßte. Was Wunder, wenn