Bekenntnisse. Augustinus von Hippo

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Bekenntnisse - Augustinus von Hippo Die Schriften der Kirchenväter

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Leben hat seinen Reiz wegen einer ganz eigenartigen Schönheit und wegen seiner Harmonie mit all dem Schönen hier auf Erden. Auch die Freundschaft der Menschen mit ihrem Liebesband ist süß wegen der Einheit der Herzen. Dies alles und Ähnliches gibt aber Veranlassung zur Sünde, wenn man in ungeordneter Zuneigung zu ihnen, die doch nur niedere Güter sind, die besseren und höheren, dich, o Herr, mein Gott, deine Wahrheit und dein Gesetz preisgibt. Zwar gewähren auch jene niederen Güter Freude, doch nicht so große wie du, mein Gott, der alles geschaffen: bist du doch selbst die Freude des Gerechten, du die Wonne derer, die rechten Herzens sind.

      Wird also die Frage nach dem Beweggrunde einer Sünde gestellt, so schenkt man in der Regel der Antwort erst dann Glauben, wenn das Verlangen klar zutage tritt, eines jener erwähnten niederen Güter zu gewinnen, oder aber die Furcht, es zu verlieren. Denn sie sind schön und reizend, wenn auch im Vergleiche mit den höheren und eigentlich beseligenden verächtlich und niedrig. Jemand hat einen Mord begangen. Warum? Er liebte die Gattin oder das Gut des Ermordeten oder wollte sich durch Raub Lebensunterhalt erwerben oder er fürchtete, daß der andere ein ähnliches Verbrechen an ihm begehen würde, oder er glühte vor Rache wegen irgendeiner Beleidigung. Hätte er wohl aus bloßer Lust am Morde selbst die Sünde begangen? Wer würde das glauben? Wenn auch der Geschichtschreiber von einem sinnlos grausamen Manne berichtet, daß er um nichts schlecht und grausam gewesen sei, so hat er doch vorher den Grund angegeben; er fürchtete nämlich, „daß Hände oder Geist in der Ruhe erschlafften“48. Und warum dies? Was bestimmte ihn dann zu seinen Freveltaten? Durch die stete Übung in Verbrechen geschult, wollte er sich der Stadt bemächtigen, dann Ehren, Herrschaft, Reichtum erwerben und so, befreit von der peinlichen Lage der Vermögenslosigkeit und vom Bewußtsein seiner Verbrechen, der Gesetze hohnlachen dürfen. Selbst ein Catilina also liebte nicht seine Verbrechen, sondern nur die Zwecke, die er durch sie erreichen wollte.

      6. Alles, was uns unter dem Scheine des Guten zum Bösen verlockt, ist trügerisch; bei Gott aber ist es wahrhaft und vollkommen gut.

      Was habe also ich Elender an dir, Diebstahl, geliebt, du nächtlicher Frevel meines sechzehnten Lebensjahres? Schön warst du ja nicht, da du Diebstahl warst. Oder bist du überhaupt etwas, daß ich meine Worte an dich richte? Schön war wohl das Obst, das wir stahlen: denn du hattest es geschaffen, Schönster von allem, Schöpfer von allem, guter Gott, Gott mein höchstes und mein einziges Gut; schön war jenes Obst, aber meine elende Seele hat danach nicht begehrt, da ich besseres besaß; jenes habe ich nur abgepflückt, um zu stehlen. Denn was ich gepflückt hatte, warf ich weg; nur die Bosheit, an deren Genusse ich mich erfreute, aß ich in mich hinein. Wenn auch mein Mund etwas von jenen Früchten kostete, so war die Schandtat doch der Speise Würze. Und nun, Herr mein Gott, frage ich, was denn eigentlich an dem Diebstahle mich ergötzte. Siehe, Schönheit besaß er nicht; ich meine nicht die Schönheit, wie sie etwa Gerechtigkeit und Klugheit besitzen, nein, auch nicht die, die der Geist des Menschen, das Gedächtnis, die Sinne und das physische Leben aufweisen, noch auch die, die im Glanze der Gestirne sich zeigt und an Land und Meer, die erfüllt sind mit Lebewesen, die unaufhörlich einander folgen, ja nicht einmal jenen trügerischen, dunklen Reiz, mit dem die Sünden uns berücken.

      Denn der Stolz äfft die Erhabenheit nach, während du, o Gott, allein über alle erhaben bist. Der Ehrgeiz trachtet nur nach Ehren und Ruhm, während dir allein vor allen Ehre und Ruhm in Ewigkeit gebührt. Gestrenge Machthaber wollen gefürchtet sein: wer aber ist zu fürchten außer Gott allein? Denn was oder wann oder wodurch oder von wem veranlaßt, könnte etwas sich seiner Macht entreißen oder entziehen? Wollüstige Menschen schmeicheln, um Liebe zu gewinnen: nichts aber ist einschmeichelnder als deine Liebe, keine Liebe ist beseligender als deine Wahrheit, die an Schönheit und Lichtfülle alles überstrahlt. Neugier sucht sich als Wissensdurst zu geben, während du alles am besten weißt, Sogar Unwissenheit und Beschränktheit birgt sich unter dem Namen der Einfachheit und Unschuld, weil nichts Einfacheres zu finden ist als du; was aber ist unschuldiger als du, da den Bösen nur ihre eigenen Werke zum Schaden gereichen? Trägheit strebt nach dem Scheine der Ruhe: wo aber ist sichere Ruhe außer im Herrn? Schwelgerei will nur Sättigung und Überfluß heißen: doch nur du bist die Fülle und unerschöpfliche Schatzkammer unvergänglicher Süßigkeit. Verschwendung will als Freigebigkeit erscheinen: aber du bist der reichste Spender aller Güter. Habsucht will viel besitzen: und du besitzt alles, Neid streitet um der Vorrang: wer hätte den Vorrang vor dir? Zorn trachtet nach Rache: wer vergibt gerechter als du? Furcht, um die Sicherheit des Geliebten ängstlich besorgt, bebt zurück vor dem Ungewohnten und Plötzlichen, das ihm Gefahr bringt; was aber ist dir ungewohnt? was plötzlich? Oder wer scheidet von dir, was du liebst? Oder wer gewährt außer dir ruhige Sicherheit? Traurigkeit härmt sich ab über den Verlust von Gütern, woran die Begierde sich ergötzte; auch sie möchte keinen Verlust erdulden, aber nur dir kann nichts genommen werden.

      So buhlt die Seele, wenn sie sich von dir abwendet und außer dir sucht, was sie rein und lauter nicht findet, sie kehrte denn zu dir zurück. Verkehrt ahmen dich die nach, die sich von dir entfernen und sich gegen dich erheben. Aber selbst dadurch, daß sie dich nachahmen, geben sie zu erkennen, daß du der Schöpfer der ganzen Natur bist und man sich deshalb nicht völlig von dir lossagen kann. Was also habe ich in jenem Diebstahl geliebt, und inwiefern habe ich selbst in lasterhafter und sündhafter Weise meinen Herrn nachgeahmt? Gelüstete es mich etwa, deinem Gesetze durch Trug zuwiderzuhandeln, weil ich es mit offener Gewalt nicht konnte, damit ich, ein finsteres Afterbild der Allmacht, ungestraft täte, was unerlaubt, und so, obwohl selbst ein Sklave, mich einer falschen Freiheit rühmte? Sieh den Knecht, der vor seinem Herrn flieht und einen Schatten erhascht! O Fäulnis, o abscheuliches Leben, o abgrundtiefer Tod! Was nicht erlaubt war, gefiel mir allein deshalb, weil es nicht erlaubt war.

      7. Augustinus dankt Gott, daß er ihm die begangenen Sünden verziehen und vor vielen anderen ihn bewahrt habe.

      „Wie soll ich dem Herrn vergelten“49, daß mein Gedächtnis diese Dinge sich in die Erinnerung zurückruft, ohne daß meine Seele daran Schaden leidet? Ich will dich lieben, o Herr, dir Dank sagen und deinen Namen preisen, da du mir meine Sünden und Missetaten sonder Zahl nachgelassen hast. Deiner Gnade rechne ich es zu und deiner Erbarmung, daß du meine Sünden wie Eis gelöst hast; deiner Gnade rechne ich es ebenso zu, wenn ich nicht noch mehr Böses tat. Denn was konnte ich nicht alles tun, da ich die Sünde liebte, auch wenn sie mir nichts gewährte? Doch alles, ich bekenne es, hast du mir nachgelassen, sowohl die Sünden, die ich aus eigenem Triebe begangen, als auch die, die ich dank deiner Führung unterließ. Welcher Mensch, der seiner Schwachheit eingedenk ist, dürfte es wagen, seine Keuschheit und Unschuld der eigenen Kraft zuzuschreiben, um dich so weniger zu lieben, gleich als ob er weniger deiner Erbarmung bedürfte, in der du denen, die den Weg zu dir zurückfinden, ihre Sünden nachläßt? Wer, von dir gerufen und deiner Stimme folgend, gemieden hat, was ich in diesem Buche von mir selbst erzähle und bekenne, der möge nicht meiner spotten, daß ich in meiner Krankheit bei dem Heilung fand, dem er es danken muß, wenn er überhaupt nicht oder wenigstens nicht so schwer krank wurde. Und deshalb möge er dich ebensosehr, ja noch mehr lieben; sieht er doch, daß eben der, der mich von dem schweren Siechtum meiner Sünden gerettet, ihn bewahrt hat, in so schwere Sündenschuld zu fallen.

      8. Augustinus liebte in seinem Diebstahle die gemeinschaftliche Beteiligung mit den Genossen seiner Sünde.

      Welche Frucht brachten mir Elendem damals diese Dinge, deren bloße Erinnerung mich schamrot macht, besonders aber jener Diebstahl, an dem ich nichts als nur den Diebstahl liebte, da er doch nichts war und ich durch ihn nur elender wurde? Und doch würde ich ihn allein nicht begangen haben; soweit entsinne ich mich meines damaligen Zustandes, allein hätte ich es sicherlich nicht getan. Also habe ich die Gesellschaft meiner Mitschuldigen geliebt? So hätte ich demnach doch etwas anderes als den Diebstahl geliebt? Nein, nichts anderes, da ja auch jenes andere nichts ist. Wie also verhält es sich in Wahrheit? Und wer anders kann mich da belehren als der, der mein Herz erleuchtet und seine Schatten verscheucht? Was veranlaßt mich zu den jetzigen Fragen, Erörterungen und Betrachtungen?

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