Manipuliert. Teri Terry

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Manipuliert - Teri Terry

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kurzer Zeit entdecke ich sie.

      Drei rothaarige Kinder. Eine Frau mit langem rotem Haar liegt daneben. Ihre Augen offen, starr. Noch mehr Rot, rot vom Blut. Die sind schon eine Weile tot.

      Aber da ist noch jemand neben ihnen. Ein Mann. Am Leben. Ausgestreckt wäre er ziemlich groß, doch jetzt kauert er zusammengefaltet an Deck. Hat die Arme um die Knie geschlungen, wiegt sich summend mit geschlossenen Augen vor und zurück.

      Hörst du mich? Keine Reaktion, entweder ignoriert er mich oder er stirbt gar nicht.

      Kai erklimmt die Leiter und schaut über die Reling. Sein bleiches Gesicht wird noch fahler.

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      Ich kämpfe den Klumpen im Hals zurück und räuspere mich. »Hallo. Darf ich an Bord kommen?«

      Keine Antwort. Einzig das sanfte Schlagen der Wellen und die gedämpften Schreie der Möwen sind zu hören. Und das unmelodiöse Summen des Mannes, der keinerlei Notiz von mir nimmt. Mit geschlossenen Augen wiegt er sich neben Menschen, die wohl seine Familie waren. Unwillkürlich muss ich immer wieder hinschauen.

      Natürlich habe ich schon etliche Tote gesehen. Ich habe Leichen jeden Alters, jeder Größe und Statur zum Scheiterhaufen geschleppt, erst in Newcastle, dann in Killin. In den Augenblicken konnte ich es immer ausblenden, aber die Toten verfolgen mich. Wenn ich zur Ruhe komme, lauern sie schon in meinem Kopf, kriechen aus den hintersten Ecken hervor und erscheinen in meinen Träumen.

      Trotzdem habe ich so etwas noch nie erlebt. Der Mann hat die Leichen vor sich auf dem Deck drapiert und dort liegen sie offenbar schon eine ganze Weile. Verwesung hängt in der Luft, dieser grauenhafte Gestank von verrottetem Fleisch. Er brennt sich in die Nase und in mein Gehirn, und ich weiß, dass auch diese Toten mich heimsuchen werden, und ich kann nichts dagegen tun.

      Das Boot ist ein Mausoleum und ich möchte am liebsten Reißaus nehmen.

      Doch ich kann den Mann nicht allein lassen. Keine Ahnung, wie lange er schon hier ist, aber er hat sich nicht angesteckt, also muss er gegen die Krankheit immun sein. Wenn ich ihn hier allein mit den Geistern der Toten zurücklasse, verhungert er.

      Ich steige an Bord, mache einen Bogen um die Toten und trete zu dem Mann mit den schmalen Schultern und dem dunklen Haar. Er lässt den Kopf hängen.

      »Wie heißen Sie?«, frage ich.

      Er schaut nicht auf, antwortet auch nicht, aber sein Summen gerät kurz ins Stocken.

      »Ich bin Kai.«

      Diesmal bewegt er den Kopf ein wenig. Er sieht mich einen Moment lang an.

      Ich setze mich neben ihn, lehne mich an die Reling. »Ist das Ihre Familie? Das tut mir leid.«

      Keine Reaktion. Er summt ein wenig lauter, als wollte er mich ausblenden.

      »Brauchen Sie etwas zu trinken?« Ich ziehe die Wasserflasche aus meinem Rucksack, halte sie ihm hin, stupse ihn an. Er zuckt zusammen, sieht auf.

      »Bitte.« Ich halte ihm die Flasche an den Mund, benetze seine Lippen. Er leckt sich darüber, legt den Kopf in den Nacken, und ich halte die Flasche so, dass er trinken kann. Er schluckt, hustet, dreht den Kopf weg.

      »Das hat doch alles keinen Sinn«, raunt er. »Ich warte auf den Tod. Das hilft doch nicht.«

      »Fühlen Sie sich denn krank?« Er schüttelt den Kopf. »Sie müssen immun sein wie ich.«

      Keine Antwort. Er schlingt die Arme wieder um die Knie, wiegt sich. Auch ich lehne mich wieder zurück. Es gibt nichts, womit ich ihm helfen könnte. Ich kann mir nicht mal ausmalen, welche Schmerzen er gerade empfindet. Ich bin so hilflos und plötzlich ist da wieder diese Wut. Das Blut schießt mir durch den Körper und ich balle die Fäuste. All dieses Leid! Was dieser Familie widerfahren ist und Callie und so vielen anderen auch – all die Toten, die ich zum Scheiterhaufen getragen habe. In England und dem übrigen Teil von Schottland sieht es wahrscheinlich inzwischen noch schlimmer aus.

      Und jemand ist dafür verantwortlich. Das ist keine Laune der Natur, kein mutierter Grippevirus oder ein neuer Erreger von einer Mücke oder einem Affen aus dem Urwald. Jemand hat ihn erschaffen.

      Ich schlage mit der Faust auf den Boden und schreie meine Wut heraus.

      Der Mann dreht sich erstaunt um, hört auf zu summen.

      Ich kann nicht aufhören, schlage noch mal zu. »Das ist so ungerecht! Was mit Ihrer Familie passiert ist, mit Ihnen. Mit mir. Mit der Welt. Das ist nicht fair!«

      »Alles meine Schuld«, wispert der Mann. »Sally wollte schon vor Ewigkeiten fort.« Seine Stimme ist heiser, und ich fange mich wieder ein wenig, halte ihm die Wasserflasche hin. Diesmal nimmt er sie selbst in die Hand, trinkt einen großen Schluck und reicht sie mir zurück. »Ich wollte bleiben, dachte, das klärt sich schon, die finden ein Gegenmittel. Uns geschieht schon nichts. Als mich meine Frau endlich überredet hatte, war es zu spät. Die Kinder wurden bereits unterwegs krank.«

      »Und was wollen Sie dagegen machen?«

      »Wogegen? Was meinst du?«

      »Hören Sie zu.«

      Er schüttelt den Kopf, schlingt die Arme um die Knie, schaukelt. Summt wieder.

      Aber ich erzähle ihm trotzdem alles. Von Shay, dass sie eine Überlebende ist und was wir auf den Shetlandinseln wollten. Wo die Krankheit ihren Anfang nahm, nämlich hier in einem unterirdischen Labor. Dass jemand diese Krankheit mit Absicht erschaffen hat, dass die Armee irgendwie mit drinsteckt. Dass die Schuld haben und nicht er. Dass Shay sich der Royal Airforce ausgeliefert hat, sobald ihr klar wurde, dass sie Trägerin ist. Dass wir jetzt zurück aufs Festland nach Schottland müssen, damit endlich die, die dafür verantwortlich sind, bezahlen.

      Er schaut mich die ganze Zeit nicht an. Tut so, als gäbe es mich nicht, als gäbe es ihn nicht, als gäbe es gar nichts.

      Als ich fertig bin, herrscht Schweigen. Langes Schweigen.

      Doch dann hält er inne.

      Er schaut nicht auf. Sagt irgendwas, was ich nicht verstehe, weil er mit den Knien vorm Gesicht nuschelt.

      »Was haben Sie gesagt?«

      Er blickt mich an. Noch immer ist er blass, aber in die trüben Augen ist Leben gekommen, ein Funken Wut, Feuer.

      »Bobby. Ich heiße Bobby.« Er hält mir die Hand hin und ich packe sie, halte sie fest.

      Bobby lehnt sich an mich und weint.

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      Es gibt noch ein kleines Rettungsboot und darein legen sie Bobbys Familie. Kai versucht, Bobby zu helfen, doch der will es allein machen, nimmt sich lange Zeit, damit alle richtig liegen – die beiden Mädchen an der Seite der Mutter und der kleine Junge auf ihrem Bauch. Die Kinder bekommen ihr Lieblingsspielzeug dazu. Als er sie dann mit zitternden Händen in eine weiche Decke einschlägt, steht ihm die Liebe und Fürsorge ins Gesicht geschrieben, auch noch, als er sie mit Benzin übergießt. Bobbys Tränen

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