Manipuliert. Teri Terry

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Manipuliert - Teri Terry

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Anbruch der Dämmerung manövriert Bobby das Segelboot mit dem Motor aus der Höhle und aufs offene Meer hinaus, das Rettungsboot im Schlepptau. Die Wellen schlagen höher, der Wind hat aufgefrischt. Sobald sie weit genug von der Küste entfernt sind, zieht Bobby das Rettungsboot heran.

      Nun braucht er doch Kais Hilfe. Er bringt es nicht übers Herz.

      Mit einem Streichholz entzündet Kai die selbst gebastelte Fackel. Er hält sie kurz hoch, bevor er sie ins Rettungsboot wirft. Als sie sicher sind, dass es Feuer gefangen hat, stoßen sie es mit einem Ruder fort. Die Flammen tanzen in den Himmel.

      Später gibt Bobby Kai Kommandos, und gemeinsam – mit Bobbys Wissen und Kais Kraft – schaffen sie es schließlich, die Segel zu setzen. In der sternenklaren Nacht und an dem folgenden Tag trägt uns ein gleichmäßiger Wind nach Schottland.

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      Der Jachthafen von St. Andrews liegt verlassen da, als Bobby sanft am Pier anlegt. Ich klettere über Bord, löse die Taue und schlinge sie um die Poller.

      Wir haben überlegt, was wir sagen wollen, wenn wir von der Küstenwache oder jemandem im Hafen aufgehalten werden, aber offenbar interessiert es die Zuständigen nur, wenn man aus dem Land rauswill. Freiwillig kommt keiner her.

      Nachdem wir angelegt haben, scheint Bobby das Boot gar nicht verlassen zu wollen. Er verschwindet unter Deck, nach einer Weile gehe ich hinterher. Bobby ist in der Kabine, berührt alles, nimmt jedes Ding in die Hand und stellt es wieder weg.

      Als er mich bemerkt, dreht er sich um. »Wünschte, ich hätte das alles hier verbrannt«, murmelt er.

      »Dann wären wir jetzt nicht hier.«

      Schaudernd atmet er ein. »Nein. Und deshalb muss ich weitermachen.« Er öffnet eine Schublade, nimmt ein Schlüsselbund heraus und deutet zur Leiter. »Dann mal los.«

      Bobby klettert von Bord und wir laufen über den Pier zum Hafen. Er schaut nicht zurück. Außer den Wellen und ein paar Möwen ist alles ruhig. Nirgends Leute zu sehen.

      Hinter dem Anleger steuern wir einen Parkplatz an. »Der da.« Bobby zeigt auf einen Geländewagen und drückt auf seinen Schlüssel. Die Scheinwerfer leuchten auf und es piept. Als Bobby den Motor anwirft, sagt er kopfschüttelnd: »Kommt mir so seltsam vor, dass der Wagen noch da ist. Dass ich mich einfach reinsetzen und losfahren kann.«

      »Wann hast du ihn denn hier abgestellt?«

      »Ich habe den Überblick verloren. Vor ein paar Tagen vielleicht. Vor einem ganzen Leben, vor vier Leben. Innerhalb einer Minute vorbei.«

      Ich sage nichts. Darauf kann man nichts sagen.

      Wir fahren über eine verlassene Straße, außer uns ist hier niemand. Hin und wieder steht ein herrenloser Wagen auf der Straße und Bobby muss ausweichen. Die Ampeln sind tot. Ist der Strom ausgefallen? Wohin wir auch schauen, alles dunkel, still.

      Als wir an eine Kreuzung kommen, will Bobby links abbiegen, doch dann hält er auf einmal an, überlegt, setzt schließlich ein Stück zurück und fährt rechts herum. »Ich habe es mir anders überlegt«, meint er. »Wir fahren in den Pub.«

      »In den Pub?«

      »Heute ist Totenwache. Morgen kommt früh genug.«

      Er parkt vor einem alten Landgasthof. Draußen ist es kalt und finster. Die Sonne ist fast untergegangen. Wir steigen aus dem Wagen und gehen zur Eingangstür. Sie ist verschlossen. Ich linse durchs Fenster, doch in dem Schummerlicht sehe ich nichts.

      Bobby hebt einen Stein vom Boden auf, der wohl an schönen Tagen dazu diente, die Tür aufzuhalten. Achselzuckend klopft er an die Tür. »Gehört sich so, vorher anzuklopfen«, sagt er und schmeißt dann das Fenster ein.

      Ich helfe ihm, die Scheibe einzutreten, dann steigen wir ein. Drinnen ist es noch dunkler als draußen, wir warten, bis sich unsere Augen an die Dunkelheit gewöhnt haben.

      »Hier gibt es Teelichter. Die haben sie immer zum Abendessen angezündet.« Bobby tastet sich zu den Tischen durch, wir sammeln ein paar Kerzen zusammen und finden Streichhölzer in einer Schublade hinter dem Tresen. Bobby zündet ein Streichholz an. Ich sehe, dass die zarte Flamme flackert, weil er so zittert. Schließlich führe ich seine Hand zur Kerze und der Docht fängt Feuer.

      »Setz dich.« Ich drücke Bobby auf einen Barhocker und gehe hinter die Bar. »Was darf es denn sein?«

      Bei ein paar Bieren erzählt Bobby mir ihre Geschichte. Seine Stimme und auch seine Hände zittern kaum noch, als er insgesamt vier Kerzen entzündet. Eine für Sally, die er hier im Pub vor zwölf Jahren kennengelernt hat und die sein Leben für immer verändert hat. Eine für die älteste Tochter Erin, die wie ihre Mutter eine Tagträumerin war. Eine für Maddy, deren Mund nie stillstand und die für ihr Leben gern herumgerannt ist. Und eine für Jackson, der noch so klein war, dass sie ihn erst gerade kennenlernten.

      Und mir ist es ein Rätsel, wie er das schafft. Wie kann er nur so ruhig dasitzen? Warum brüllt er nicht vor Zorn? Am liebsten würde ich ihn schütteln, damit er die Wut in sich entdeckt, die ihm die Kraft gibt weiterzumachen.

      So wie mir.

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      Kai schläft schlecht. Muss ein Traum sein, aber kein guter. Er wälzt sich herum und zuckt. Warum kann ich ihn bloß nicht wecken!

      Wenn ich schlafen könnte, was würde ich wohl träumen? Hhmm. Schlimmer als das Hier und Jetzt können Albträume auch nicht sein.

      Ich verlasse Kai, verlasse Bobbys Haus. Noch sehe ich die Sonne nicht, doch der Himmel wird schon heller.

      Laut den Schildern sind wir hier in St. Andrews. Bobbys Haus ist gewaltig und ein zweites Auto, ein roter Sportwagen, gehört auch noch dazu und nicht zu vergessen das Segelboot. Bobby hatte lauter schöne Dinge und eine passende Familie und Ferien. Glückliche Gesichter lachen einem von den gerahmten Fotos an der Wand entgegen – in Badezeug am Sandstrand, in Skianzügen im Schnee.

      Der Krankheit ist es egal, wer du bist. Reich, arm, jung, alt, geliebt, verhasst, woher du kommst, welche Hautfarbe du hast, kümmert sie nicht.

      Die komplette Stadt ist dunkel und leer. Kein Strom, kein Laut – keine Menschenlaute. Man hört Vögel, die Brandung und hin und wieder das Gebell streunender Hunde, mehr nicht.

      Die einzigen Menschen, die noch hier sind, sind still, tot.

      Meistens sind sie zu Hause, im Bett oder auf dem Sofa, zusammen oder allein. Manche sind schon länger tot als andere. Niemand kommt sie abholen und bringt sie zum Scheiterhaufen. Sie verrotten einfach dort, wo sie gestorben sind.

      Bloß für die vielen Häuser hier sind es eigentlich recht wenig Leute. Konnten manche fliehen?

      Und wo sind die Immunen wie Kai und Bobby? Neugierig wage ich mich näher an die Menschen heran, aber keiner rührt sich. In einer so großen Ortschaft sollte es doch ein paar Menschen geben, die immun sind, fünf Prozent, war es nicht so, haben sie das nicht in Newcastle gesagt?

      Wo sind die alle nur hin?

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