Grundlagenforschung. Anke Stelling

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Grundlagenforschung - Anke Stelling

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mich«, hat Gunda heute Morgen gesagt, als Christian in den Schuppen gelaufen kam, um zu sehen, was passiert war. Entweder sie weiß, wie viel Überwindung es ihn kostet, sie zu pflegen, oder sie hat irgendeine dumme Vermutung, was vergangene Nacht im linken Schlafzimmer vor sich gegangen sein könnte. Christian stochert in dem matt kokelnden Zeitschriftenpapier. Schwarze Flocken steigen hoch; natürlich ist nichts passiert, darum geht es auch nicht beim allabendlichen Auswürfeln der Schlafzimmer. Worum es geht, weiß Christian auch nicht. Es war Wolfgangs Idee, gleich nachdem sie angekommen waren.

      »Du brauchst nicht glauben, dass Renate und ich wieder freiwillig ins Kuhstallzimmer ziehen«, hat Wolfgang gesagt und sein Gepäck im Flur stehen lassen.

      Das Kuhstallzimmer ist das Schlafzimmer von Christians älterer Schwester und besonders unbeliebt bei seinen Freunden. Niemand will in den Zimmern der Geschwister wohnen, mit denen Christian sich das Ferienhaus im Elsass teilt, alle wollen am liebsten Christians und Gundas Schlafzimmer haben, das mit den Nesselvorhängen und Nussbaumbetten. Im Kuhstallzimmer gibt es Melkschemel als Nachttischchen, und im Zimmer von Christians Bruder Metallbetten vom Baumarkt und geblümte Stoffschränke.

      »Ich kann nichts dafür«, sagt Christian jedes Mal, wenn er mit Wolfgang und Renate, Hans und Katrin herkommt, und sie kommen oft her, mindestens einmal im Jahr. Bisher hat es immer gereicht zu betonen, dass er selbst am meisten leide unter dem schlechten Geschmack seiner Geschwister, aber diesmal hat Wolfgang das nicht gelten lassen und ein Rotationssystem vorgeschlagen. Dass man dann nicht mal mehr als Paare, sondern jeder für sich allein würfeln sollte, klang nur logisch und modern, jedenfalls aus Wolfgangs Mund. Hans sah versonnen auf die Tischplatte und Katrin ungeduldig aufs Gepäck. Gunda war die einzige, die sich sichtbar gegen den Vorschlag sträubte: »Da können wir ja gleich Flaschendrehen spielen.«

      »Mach schon«, hat Christian zu ihr gesagt, und dann haben sie beide für die erste Nacht ihr eigenes Schlafzimmer erwürfelt.

      »Bist du jetzt enttäuscht?«, hat Gunda gefragt, als sie nebeneinander in den Nussbaumbetten lagen, und Christian war sicher, dass sie selbst enttäuscht war. »Ja«, sagte er. Aber da schlief sie schon.

      Wenn die andern vom Spaziergang kommen, muss das Feuer brennen. Ohne das Feuer wäre der ganze Urlaub nichts wert. Christian versucht es mit den Resten des Osterstraußes, den seine Schwester zum Vertrocknen auf dem Küchentisch hat stehen lassen.

      »All die Gräser und Zweige, die man hier finden kann.« – Was für ihn das Feuermachen ist, ist für seine Schwester sorgfältige Landhausdekoration. Sie plündert die Antiquitätenläden an der Route Nationale und holzt ganze Sträucher ab, um das Ferienhaus damit vollzustopfen. Schon lange kommen sie nicht mehr gemeinsam her, auch sein Bruder nimmt lieber Freunde mit, anstatt mit Christian oder der Schwester Urlaub zu machen.

      »Wilder Thymian, hier Christian, riech mal!« – Sie ist acht Jahre älter als er und war noch nie im Krankenhaus. All die Gräser und Zweige, dazu Blutreinigungstee und Bernsteinketten, keine Zigarette, nicht mal ein Feuer in der Küche des Ferienhauses.

      »Was heizt ihr denn die ganze Zeit bis in den Hochsommer?« – Der Bruder hat den französischen Nachbarn dazu abgestellt, das Holzlager regelmäßig aufzufüllen, »Dreißig Francs billiger der Kubikmeter, Christian, also hör mal …«

      Als die Neffen noch klein waren, ist Christian gern mit seinem Bruder hier gewesen. Da ließ sich alles als Kinderprogramm behaupten: Feuermachen und Nutella-Baguette, Nachtwanderung und Spinnenjagd. Jetzt muss er aufpassen, nicht entlarvt zu werden: In Wahrheit hat er das immer schon zu seinem eigenen Vergnügen gemacht.

      Christian schiebt Stücke von Eierkarton zwischen die Weidenkätzchen.

      So ein Feuer ist besser als Fernsehen. Man guckt rein und kann an alles Mögliche denken, hier und da legt man nach und bläst und schließt mit sich selbst kleine Wetten ab, welches Ende des dicken Astes zuerst Feuer fängt. Es brennt jetzt. Er hat es zum Brennen gebracht. Es geht erst wieder aus, wenn er es nicht mehr beachtet.

      »Hier waren doch irgendwo Schnapsgläser?« Gunda hat Schlüsselblumen vom Spaziergang mitgebracht.

      Christian schneidet Salami, während Hans und Katrin den Tisch fürs Abendessen decken.

      »Schönes Feuer«, sagt Wolfgang und wirft seine Jacke auf die Bank am Kamin. »Hunger hab ich.«

      Gunda legt das Schlüsselblumensträußchen vor Christian auf den Tisch.

      »Keine Gräser und Zweige auf meinem Abendbrottisch!«, sagt Christian und hält Gunda die Salami hin. »Hier, riech mal.«

      Gunda verzieht das Gesicht. »Riecht nach Sperma. Wo sind die Schnapsgläser?«

      Christian zuckt die Achseln. »Hat jemand von den anderen weggeworfen. Außer uns trinkt hier keiner Schnaps.«

      »Ich trink keinen Schnaps, ich brauch eine Vase.« Gunda rückt einen Stuhl vors Buffet, um hinter die nicht benutzten Teekannen sehen zu können.

      Christian grinst. Die Vasen hat er selbst weggeworfen, ein halbes Dutzend winziger Zinnvasen, die das Fenstersims in der Küche zierten. An Schlüsselblumensträußchen hat er nicht mal gedacht dabei, sondern an seine Urlaubskrimisammlung, die letztes Mal, als er hier war, nicht mehr im Wohnzimmerregal, sondern in einem Karton in der Scheune gestanden hatte.

      »Guck in der Scheune nach«, sagt er zu Gunda, »und nimm diese hässlichen Kannen mit.«

      Wolfgang macht die erste Flasche Wein auf.

      »Wir haben Wildschweinspuren gesehen«, erzählt Katrin mit Salami im Mund.

      »Die sind vom letzten Jahr«, sagt Christian.

      »Woher willst du das wissen? Du warst doch gar nicht dabei.« Wahrscheinlich hat Wolfgang sich auf dem Spaziergang wieder als Wildkenner aufgespielt.

      »Das sagt man so zur Beruhigung«, sagt Christian und fixiert ihn. »Und weil hier noch nie jemand ein lebendes Wildschwein getroffen hat.«

      Katrin zuckt die Schultern. »Ich steh morgen ganz früh auf und geh noch mal hin. Wenn man Tiere sieht, dann morgens.«

      Das Baguette ist zäh. Katrin sollte morgens lieber Brot holen gehen, statt auf Wildschweine zu warten, die nicht kommen werden. Christian sieht Hans auf die Zahnhälse, die die Parodontose freigelegt hat. Vorgestern ist er mit ihm im Kuhstallzimmer gelandet und weiß deshalb jetzt auch, was für Pyjamas Hans trägt. Solche aus dehnbarem Stoff, mit V-Ausschnitt und kleinen stilisierten Kronen auf dem Oberteil. Christian musste die Augen schließen und sich auf alles konzentrieren, was er an Hans mag, wofür er ihn schätzt oder gar bewundert: seine Großzügigkeit und Ruhe, sein lückenloses Wissen über die k.u.k.-Monarchie, seinen Eifer beim Holzhacken. Er hat versucht, sich Katrin vorzustellen, wie sie ihre Nase in die grauen Haare wühlt, die aus dem V-Ausschnitt vorschauen, dann tief einatmet und erregt die Decke wegstrampelt. Es half; als Christian die Augen wieder aufmachte, mochte er Hans auch im Pyjama und konnte beruhigt einschlafen. Die Zähne allerdings sind nicht zum Aushalten. Hans’ Zähne, Gundas Handrücken – die Versehrtheit, die schleichend Einzug gehalten hat.

      Christian weicht mit den Augen auf Wolfgang aus, der hebt sein Glas. Wolfgang hat keinen Körper, der ihm bei irgendwas im Weg sein könnte, Wolfgang ist trinkfest und integer.

      »Prost!«, sagt er. Und: »Habt ihr schon mal daran gedacht, einen Pool anzulegen?«

      »Pool?«, quietschen Renate und Gunda gleichzeitig.

      »Man

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