Grundlagenforschung. Anke Stelling

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Grundlagenforschung - Anke Stelling

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spinnst«, sagt Christian, »was meinst du, was das kostet.«

      »Ach je«, sagt Wolfgang, »seit wann ist das das Problem?«

      »Hier immer«, sagt Christian, »hier geht schließlich alles durch drei.«

      Wolfgang kennt Christians Geschwisterstreitigkeiten seit zwanzig Jahren. Genau wie alle anderen am Tisch.

      »Geld haben heißt nicht, Geld ausgeben können«, sagt Gunda weise. »Im Gegenteil.«

      »Inwiefern Gegenteil?« Katrin ist sich nie zu schade, das auszusprechen, was alle wissen und auf keinen Fall mehr diskutieren wollen. »Wachsam bleiben« nennt sie das oder »Hinsehen«. Christian fixiert sie über sein erhobenes Glas hinweg, damit sie wenigstens einmal den Mund hält. Es nützt nichts.

      »Hat das Haus ohne Pool etwa nichts gekostet?«, fragt sie spitz.

      Alle hier haben Geld, auch wenn Christian nicht genau weiß, wie viel. Vielleicht hat er selbst am meisten, und sicher ist, dass seine Geschwister noch mehr haben.

      »So ein Pool wäre auch nicht teurer als der Terrakottaboden hier.« Katrin stampft unter dem Tisch auf. »Aber geht natürlich nicht. Pool! Wie neureich!«

      Christian hofft, dass niemand in die Diskussion einsteigt.

      Es steigt niemand ein.

      Ein Feuer ist besser als ein Pool. Drumrumsitzen und trinken kann man auch, muss sich aber nicht ausziehen dafür. Christian steht auf und legt Holz nach, während die anderen die Teller zusammenstellen und beschließen, heute nicht mehr abzuwaschen.

      »Als der Lukas drei war, ist er mal von der Bank hier in die Feuerstelle gefallen«, sagt Christian und setzt sich, den Schürhaken in der Hand.

      Seitdem macht auch sein Bruder kein Feuer mehr in der Küche.

      »Sehr gut«, sagt Renate und lässt sich neben ihn auf die Bank fallen. »Lasst uns über die Vorteile reden, die es hat, keine Kinder zu haben.« Sie wirft die abgebrannten Streichhölzer aus der großen Schachtel ins Feuer und zündet sich eine Zigarette an.

      Renate raucht am meisten von allen. Ihre Stimme ist heiser; manchmal denkt Christian, dass es sich bei Frauen allein für solch eine Stimme lohnt, sich die Lunge kaputt zu rauchen. Manchmal denkt er auch, dass er Renate vor allem deshalb mag, weil sie doppelt so viel raucht wie Gunda und trotzdem dick und gesund, vollständig und intakt ist.

      »Ja, wirklich«, sagt er. »Er hatte dummerweise eine Polyesterjacke an, die geschmolzen ist und nicht mehr runter ging.«

      »Deshalb wenn Kind, dann nur in Naturfasern.«

      »Schafffellwindeln.«

      »Rohseidenkäppchen.« Renate lacht und hustet.

      Sie raucht nicht nur am meisten, sie riecht auch nach Zigaretten, aber nach einem langen Abend am Feuer fällt das nicht mehr auf. Es hat Christian nicht gestört letzte Nacht im Baumarktschlafzimmer.

      »Wie alt ist Lukas jetzt?«, fragt sie.

      »Einundzwanzig.«

      »Und sieht man noch was?«

      Bestimmt. Christian hat seinen Neffen lange nicht mehr nackt gesehen, aber als Kind hatte er überall diese wirbelige weiche Brandnarbenhaut. Mit dunkler Männerbehaarung muss sie merkwürdig aussehen. Oder wächst auf dieser Haut kein Haar mehr?

      »Ich weiß nicht«, sagt er.

      Die andern vier ziehen ihre Stühle zum Feuer. Hans schlüpft aus seinen Schuhen, Wolfgang macht die nächste Flasche Wein auf und wirft den Korken ins Feuer.

      »Die sind doch aus Plastik«, Katrin stößt ihn an.

      »Ehrlich?« Wolfgang mustert das Etikett. »Ist mir gar nicht aufgefallen.«

      »Wegen der Korkkrise«, sagt Katrin.

      Christian stochert mit dem Schürhaken, aber der falsche Korken schmilzt schon.

      »Alles geht vorbei«, sagt Renate. »Auch die Zeit, als ein Korken noch ein Korken war.«

      »Bald erinnern wir uns gar nicht mehr, wie ein echter Korken ausgesehen hat«, sagt Katrin. »Beim Wolfgang ist es schon so weit.«

      »Noch ein Vorteil, keine Kinder zu haben«, sagt Renate.

      »Wieso?«

      »Man kann guten Gewissens alles wegschmeißen und vergessen.« Renate gähnt. »Muss man schließlich keinem mehr zeigen.«

      Christian sieht zu Gunda rüber, die versucht, sich mit einem glimmenden Stöckchen die Zigarette anzuzünden. Wahrscheinlich stimmt das. Wahrscheinlich hätte er zu Hause eine Schublade mit Korken und europäischen Münzen und gelochten Pappfahrscheinen. Wahrscheinlich hätte Gunda nach der ersten Operation aufgehört zu rauchen.

      »Will außer mir noch jemand was Süßes?«, fragt Renate und steht auf.

      »Hier!«, sagt Hans.

      Renate holt zwei Becher Pudding aus dem Kühlschrank.

      »Schön oder schnell?«, fragt sie.

      »Schön«, sagt Hans.

      Renate seufzt und stürzt den Pudding auf zwei Untertassen. Die Karamellsoße tropft, als sie sich neben Christian zurück auf die Bank zwängt.

      »Wie kannst du nur«, sagt Wolfgang, »Pudding zum Rotwein.«

      Renate lacht. »Weißt du doch, Schatz. Ich kann alles.«

      Das stimmt. Sie schläft sogar auf dem Bauch.

      »Muss ich«, hat sie letzte Nacht gesagt, »sonst schnarche ich, und du kriegst kein Auge zu.«

      Schön hat sie ausgesehen. Wie ein Kind mit den Fäusten neben dem Kopf und der Nase im Kissen. Wie das Gegenteil von über der Decke gefalteten Händen.

      Zur Konfirmation hatte Christian seinem Patenkind Lukas einen Motorradausflug durch Ostwestfalen geschenkt. Lukas war abwechselnd bei ihm und Gunda mitgefahren, und nachts hatten sie in Landgasthöfen geschlafen, Lukas auf der Extraliege im Doppelzimmer. Sie hatten sich bemüht, so zu tun, als wären sie eine Clique, hatten am Abend gewürfelt und Karten gespielt und tagsüber bei jeder Caféterrasse angehalten, um Spezi zu trinken. Aber im Endeffekt waren sie doch eine Kleinfamilie gewesen, Lukas zu groß und zu schweigsam, er und Gunda betont jugendlich in ihren Lederhosen, eine Kleinfamilie, über die die anderen Gäste im Landgasthof wahrscheinlich die Köpfe schüttelten. Eine Kleinfamilie, die Christian selbst peinlich war.

      »Psst«, macht Katrin und legt den Kopf schief.

      »Was denn«, fragt Wolfgang, »kommt Besuch?«

      »Das Wildschwein bittet um Herberge«, sagt Hans.

      »Psst!« Katrin fuchtelt in seine Richtung. »Die Maus ist wieder da. Ich hab’s gehört.«

      Sie sitzen bewegungslos und lauschen. Im Feuer knallt etwas, und Gunda fängt

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