Mit Diplomatie zum Ziel. Stéphane Etrillard

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umschlagen müssen. Vielmehr hat sich der Gedanke der Gegenseitigkeit in uns verankert. »Wenn ich dir einen Gefallen erweise, erwarte ich, dass du mir auch einen Gefallen erweist.« Oder eben: »Wenn du mir in den Rücken fällst, werde ich dir auch in den Rücken fallen.« Die ursprüngliche goldene Regel wird also (leider) weniger direkt angewendet, die negativere Variante nach dem alttestamentarischen Prinzip »Auge um Auge« umso mehr. Und die Sache hat auch noch einen entscheidenden Haken: Ob sich ein anderer Mensch uns gegenüber gut oder schlecht verhält, ist zu großen Teilen Interpretationssache. Legen wir das Handeln eines Menschen negativ aus, folgt daraus ein feindseliges Verhalten unsererseits. Unser Verhalten wird von unserem Gegenüber wiederum interpretiert und entsprechend beantwortet – auf diese Weise entsteht leicht eine Negativspirale, die sich immer schneller weiterdreht. Das ist dann besonders bedauerlich, wenn es sich bei den Interpretationen um Fehlschlüsse handelt.

       Beziehungen brauchen gegenseitige Toleranz.

      Neben mangelnder Empathie ist vor allem fehlende Toleranz eine wesentliche Ursache für Fehlurteile. Das aus dem Lateinischen stammende Wort tolerare heißt in der genauen Übersetzung erdulden. Toleranz ist demnach das Dulden, Hinnehmen und Respektieren anderer Meinungen und der unterschiedlichsten Formen der Andersartigkeit. Wird von Toleranz gesprochen, geht es meist um ethische Fragen von einiger Tragweite. Oft vergessen wir, dass Toleranz bereits im Kleinen beginnt und das Zusammenleben von Menschen überhaupt erst möglich macht: Wer eine eigene Meinung hat, muss auch eine abweichende Meinung erdulden, sie also tolerieren können. Oft ist es ja ein Mensch aus unserem näheren Umfeld, der diese andere Meinung vertritt. Ohne das Tolerieren der Meinungen anderer wären die meisten Beziehungen überaus kurzlebig. Toleranz ist also zwingend erforderlich, weil die Menschen, mit denen wir in Beziehung treten, (glücklicherweise) nicht all unsere Überzeugungen mit uns teilen, sondern die Dinge mitunter ganz anders sehen.

      Die Toleranzfähigkeit eines Menschen sagt viel über sein Selbstbewusstsein aus. Ist sie gut ausgeprägt, spricht das für ein gesundes Selbstwertgefühl und ganz generell für eine souveräne Persönlichkeit. Intolerante Menschen haben dagegen genau an diesen Punkten Defizite. Allerdings ist es auch nicht einfach, die Interessen und Positionen anderer in allen Fällen zu akzeptieren, sie zu erdulden. Doch darum geht es letztlich auch nicht. Das Ziel besteht lediglich darin, sich nicht schon prinzipiell zu verschließen. Toleranz bedeutet deshalb auch ausdrücklich nicht, jede beliebige Position zu übernehmen. Wenn wir eine Handlung oder Meinung akzeptieren, heißt das noch lange nicht, dass wir sie auch billigen (wir selbst können weiterhin eine abweichende Meinung haben und dafür eintreten) – das jedoch nicht aus Prinzip, sondern aufgrund einer tatsächlichen inneren Überzeugung.

      Vorurteile und Klischees

       Wir alle haben Vorurteile. Es ist wichtig, sich dessen bewusst zu sein.

      Das Denken der Menschen ist selten völlig frei von Vorurteilen, den Vor-Verurteilungen. Viele Meinungen sind, oft unbewusst, klischeebehaftet und an Stereotypen ausgerichtet. Unser Denken und Handeln wird teilweise von versteckten Vorurteilen bestimmt. Sie zeigen sich oft dann, wenn wir persönlich betroffen sind. Wir glauben, durchweg tolerant zu sein, sind es dann aber plötzlich nicht mehr, wenn wir selbst mit einer bestimmten Situation, die echte Toleranz erfordern würde, konfrontiert werden. Sobald etwas nicht mehr den eigenen (Wunsch-)Vorstellungen entspricht, ist die Realität mitunter ernüchternd. Auch wenn wir es nicht gern hören: Unsere Wahrnehmung ist überaus stark von Vorurteilen beeinflusst.

      Vorurteile sind zunächst einmal nichts anderes als vorgefasste Meinungen über oder Erwartungen an eine Sache oder einen Menschen. Wir alle sind voller Vorurteile, die wir entweder aus unserem sozialen Umfeld übernommen oder im Laufe unseres Lebens gebildet haben. Sind diese Vorurteile erst einmal da, beeinflussen sie unser Verhalten und unsere Wahrnehmung. Das größte Problem dabei: Wir überprüfen und revidieren unsere Vorurteile so gut wie nie. Die Chancen sind also gering, dass wir unsere Meinung jemals ändern werden. Das engt unser Denken und Handeln extrem ein.

      Obendrein bekommen wir unsere Vorurteile scheinbar immer wieder bestätigt. Wer das Vorurteil »Alle Schwaben sind geizig« hat, wird verstärkt auf Beispiele achten, die dieses Vorurteil bestätigen. Und selbst eine gegensätzliche Erfahrung, nämlich die Bekanntschaft mit einem großzügigen Schwaben, wird nichts an dem Vorurteil ändern, denn dieses Exemplar ist dann die berühmte Ausnahme von der Regel. Was haften bleibt, sind Beispiele, die für das Vorurteil sprechen. Und das hat Auswirkungen auf das eigene Verhalten: Ein Mensch, der in unseren Augen mit einem gewissen Vorurteil behaftet ist, hat im Grunde gar keine Chance, uns vom Gegenteil dieses Vorurteils zu überzeugen.

       Wir denken in Schubladen, um unser Gehirn in unserer komplexen Welt nicht zu überfordern.

      Es gibt keine Gruppe von Menschen, keine Nationalität, keine Religion, für die es nicht auch irgendein Klischee gäbe. Wir alle denken in Stereotypen, diesem Phänomen kann sich niemand entziehen. Das hat sogar ganz praktische Ursachen: Jeder Mensch kommt jeden Tag in viele neue Situationen und begegnet zahlreichen Menschen. Wir wären schlicht und einfach damit überfordert, sämtliche Reize bewusst wahrzunehmen und zu verarbeiten. Um unserem Gehirn die Arbeit zu erleichtern, arbeiten wir mit Kategorisierungen. Diese ermöglichen uns eine rasche Orientierung in der Umwelt. Sie erleichtern die Entscheidung darüber, was wichtig ist und was nicht und welche Ereignisse bewusst wahrgenommen werden sollen. Die selektive Wahrnehmung wird von inneren Einstellungen gesteuert, die wir über unsere Sozialisierung (insbesondere die Erziehung) erworben haben. Wir entscheiden uns nicht bewusst, was wir aus der Vielzahl von Reizen selektieren und wie wir es interpretieren.

      Das Denken in Schubladen ist also in uns angelegt, da unser Gehirn ansonsten permanent überfordert wäre. Das heißt, wir urteilen mitunter vorschnell und auf Grundlage von festen Kategorien, die wir – einmal angelegt – kaum noch hinterfragen. So entstehen Vorurteile. So praktisch das Ganze auch ist, ein Vorurteil bleibt eine vorgefasste Meinung oder Einstellung gegenüber Personen, Gruppen, Sachverhalten oder Gegenständen, die durch keinerlei Sachkenntnis gestützt wird. Vorurteile werden noch dadurch verstärkt, dass Urteile, Ansichten oder Meinungen übernommen werden, ohne ihren Wahrheitsgehalt an der Realität zu überprüfen. Neue Erfahrungen, die einem Vorurteil widersprechen, lassen wir dabei oft nicht mehr zu.

      Auch wenn es paradox klingen mag: Vorurteile können dazu beitragen, Beziehungen zu stärken. Sozialpsychologisch erfüllen sie den Zweck, die eigene Gruppe, der man sich zugehörig fühlt, aufzuwerten und die nicht Dazugehörenden abzuwerten. Das führt dazu, dass wir uns von Minderheiten in der Gesellschaft abschirmen, ohne uns mit ihren Problemen auseinandersetzen zu müssen. Deshalb sind Vorurteile ein fester Bestandteil des menschlichen Zusammenlebens, sie stärken das Zusammengehörigkeitsgefühl, das die Familie, die Gruppe, die Gesellschaft nach innen bindet und schützt – und gleichzeitig nach außen abgrenzt.

       Wenn Vorurteile zur Ausgrenzung von Menschen führen, entsteht die Gefahr von Diskriminierung.

      Bis hierhin haben Vorurteile also durchaus nicht nur Nachteile, wenngleich sie natürlich zu einer Einschränkung des Denkens führen. Ich sehe und höre ja nur das, was ich sehen und hören will. Alles, was nicht in mein Weltbild passt, blende ich (unbewusst) aus. Abgesehen davon ist es oft kein weiter Schritt von der Abgrenzung zur Ausgrenzung durch Vorurteile. Spätestens an dieser Stelle besteht die Gefahr, dass Vorurteile zu destruktiven Effekten führen und in Diskriminierung, Hass und Gewalt umschlagen.

      Übrigens betreffen Vorurteile längst nicht nur die anderen, sondern auch uns selbst. Viele Menschen haben Vorurteile über sich selbst. Wer sich selbst für dumm und unfähig hält, wird vor allem seine Misserfolge und Fehler sehen und alles, was ihm gelingt, ausblenden. So fühlt man sich in seinem Urteil über sich selbst permanent bestätigt. Aufgrund dieser fortwährenden Bestätigung des Vorurteils besteht kaum eine Chance,

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