Perry Rhodan Neo 229: Die Schwarze Flut. Rüdiger Schäfer

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Perry Rhodan Neo 229: Die Schwarze Flut - Rüdiger Schäfer Perry Rhodan Neo

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Arkoniden liegt in einem Teil des Stirnlappens jene Region, die als Sitz des sogenannten Extrasinns identifiziert wurde«, bestätigte der Arzt ihre Vermutung. »Das muss ich Ihnen vermutlich nicht näher erläutern. Wir reden vom orbitalen Abschnitt des präfrontalen Kortex, dem nach gängiger Lehrmeinung jüngsten Teilbereich des humanoiden Gehirns. Dort verorten wir die Beurteilung emotionaler Stimuli und das Ethikverständnis. Kommt es hier zu einer Schädigung, ist damit so gut wie immer eine Persönlichkeitsveränderung verbunden ...«

      »Das ist alles ungemein faszinierend, Doktor«, unterbrach Thora. »Aber ich verstehe nicht ...«

      »Geben Sie mir bitte noch eine Minute, Ma'am.« Steflov hob beschwichtigend beide Arme. »Und verzeihen Sie mir meine Weitschweifigkeit. Ich versuche, mich kürzer zu fassen.«

      Er schloss für einen Moment die Augen und legte die Stirn in Falten, als müsse er sich die folgenden Worte genau überlegen. Dann suchte er Thoras Blick und schenkte ihr ein klassisches Medizinerlächeln: freundlich, beruhigend, beinahe väterlich.

      Ob man so etwas während der Ausbildung zum Arzt üben muss?, fragte sich Thora unwillkürlich. Die Erinnerungen an Crest stiegen fast zwangsläufig aus ihrem Unterbewusstsein herauf. Plötzlich hockte sie wieder gemeinsam mit Perry neben dem greisen, im Sterben liegenden Mann – ihrem über alles geliebten Ziehvater und Mentor, den sie so sehr vermisste – und hielt dessen Hand. »Meine ... Kinder ...«, hörte sie seine brechende Stimme und spürte, wie sich wässriges Sekret in ihren Augenwinkeln sammelte.

      Hastig schob sie die Bilder aus der Vergangenheit mit aller Macht beiseite. Waren seit jenen dramatischen Minuten während der Endphase des Kampfs gegen die Sitarakh tatsächlich schon wieder fast vier Jahrzehnte vergangen?

      »Besagter Kortex«, holte Steflov sie endgültig in die Gegenwart zurück, »ist außerdem mit den sensorischen Assoziationsgebieten des Gehirns, mit den subkortikalen Modulen des limbischen Systems und mit den Basalganglien verknüpft. Das alles ergibt ein noch immer lediglich ansatzweise verstandenes Geflecht aus Nerven- und Hilfszellen, deren Zusammenspiel uns alle ein Leben lang prägt und formt.«

      Der Mediziner schob das Holo ein wenig zur Seite und projizierte daneben ein weiteres. Es zeigte ebenfalls ein dreidimensionales Abbild eines Gehirns, das sich allerdings merklich von dem Thoras unterschied.

      »Das ist ein Hirnscan Ihres Manns«, erläuterte Steflov, »der kurz nach seiner Rückkehr aus dem Zeitbrunnen von Lashat aufgezeichnet wurde. Die gemessenen Schlüsselparameter entsprechen zu fast hundert Prozent den definierten Optimalwerten. Die gesamte Hirnchemie ist nahezu perfekt ausbalanciert. In der kognitiven Medizin nennt man das ein ›lagerndes Gleichgewicht‹. Es ist extrem selten und bezeichnet einen Zustand der absoluten inneren Ruhe und Ausgeglichenheit.«

      Thora fixierte jenen Bereich von Perry Rhodans Gehirnbild, wo bei ihr die Nervenzellen in helle Aufregung geraten waren. Nichts. Nur langsam und gleichmäßig wandernde Silberströme, welche die elektrische Hirnaktivität zeigten.

      »Ich kann Ihnen noch immer nicht folgen, Doktor«, sagte sie. »Perry hat keinen Extrasinn – und auch keinerlei Anlagen dafür. Ich dagegen ...«

      Sie verstummte, als die Erkenntnis sie mit der Wucht eines Faustschlags traf. Steflov nickte. Wahrscheinlich hatte er bei ihr – wie lautete doch eins dieser ebenso zahlreichen wie anschaulichen terranischen Sprichwörter? – den Groschen fallen hören.

      »Genau«, bestätigte er. »Ihr Aufenthalt im Zeitbrunnen von CORS-VII-4, dem Elysischen Fragment, hat bei Ihnen den gleichen Prozess in Gang gesetzt wie bei Ihrem Mann auf Lashat. Allerdings verläuft er bei Ihnen, wie wir wissen, nicht komplikationslos. Ich habe mich intensiv mit einigen arkonidischen Kollegen kurzgeschlossen, und nach allem, was wir bisher herausfinden konnten, ist der Grund für all Ihre Probleme der veränderte Aufbau Ihres Frontallappens und des präfrontalen Kortex.«

      In Thoras Kopf jagten sich die Gedanken, als sie sich über die Konsequenzen von Steflovs Schlussfolgerungen klar zu werden versuchte. Ähnliches hatten Atlan und die beteiligten Ärzte bereits kurz nach Beginn ihres Martyriums vermutet. »Meine Schmerzen ...«, begann sie.

      »... sind die unmittelbaren Auswirkungen einer Anpassung Ihres Gehirns an die innerhalb des Zeitbrunnens initiierten zerebralen Veränderungen, die ich – und das sage ich mit allem nötigen Nachdruck – nicht mal ansatzweise erklären könnte. Allerdings vertragen sie sich nicht mit Ihrer im Vergleich zu Menschen unterschiedlichen Hirnchemie.«

      »Was ist Ihre Prognose?«, fragte die Arkonidin. »Die Wahrheit, Doktor«, fügte sie hinzu, als sie Steflovs Zögern bemerkte.

      »Die mir vorliegenden Daten reichen nicht aus, um eine verlässliche Vorhersage zu machen«, antwortete der Chefarzt unglücklich. »Allerdings zeigen alle Simulationen einen ... progressiv-degenerativen Verlauf mit irreversibler Hirnschädigung. Das muss jedoch nichts heißen. Die Datenlage ist wie schon erwähnt dünn, und ...«

      »Schon gut, Doktor«, unterbrach Thora. »Sie müssen mir keinen Mut zusprechen. Wie viel Zeit bleibt mir noch?«

      Steflov zuckte zusammen, als hätte er einen Stromschlag erhalten. »Aber nein!«, rief er mit sichtlichem Entsetzen aus. »Ich fürchte, Sie haben mich gründlich missverstanden. Das gerade eben war kein Todesurteil. Wir wissen noch viel zu wenig, um eine abschließende Diagnose ...«

      »Gut«, ließ ihn die Arkonidin erneut nicht ausreden. Ihr Schädel fühlte sich inzwischen an, als sei er mit flüssigem Blei gefüllt. Niemals zuvor in ihrem Leben hatte sie derartige Kopfschmerzen gehabt. »Dann verraten Sie mir, wie Sie mein Leben retten werden!«

      Steflov war deutlich anzusehen, wie sehr ihn das Gespräch belastete. Einen Moment lang tat er Thora leid. Dann jedoch übernahm ihr arkonidischer Stolz wieder das Kommando. Schließlich war sie es, die sterben würde. Sie hatte sich in diesem verdammten Zeitbrunnen etwas eingefangen, das ihr nun das Hirn zerschmolz, weil sie eine Arkonidin war. Weil sie anders war als Perry Rhodan. Weil Nathalie sie geradezu gezwungen hatte, in diese vermaledeite schwarze Brühe zu steigen und ...

      Halt! Stopp!, rief sie sich zur Ordnung. Du wirst nicht Nathalie die Schuld an allem geben! Früher oder später hätte dein Zellaktivator versagt, und du wärst so oder so gestorben. Es war die einzige Möglichkeit ...

      »Ich möchte Kontakt mit dem Faehrlinstitut auf Iprasa aufnehmen!«

      Steflov hatte leise gesprochen. Trotzdem kam es Thora vor, als ob er ihr seinen letzten Satz ins Gesicht geschrien hätte.

      »Das Faehrlinstitut auf Iprasa?«, wiederholte sie konsterniert. »Wozu?«

      Der Chefarzt schnaufte resigniert. »Weil ich mit meinem Latein am Ende bin, Ma'am. Und weil es keinen anderen Ort in der Milchstraße gibt, an dem man mehr über das arkonidische Gehirn weiß. Dafür benötige ich allerdings Ihre Zustimmung. Und eine Anfrage über die offiziellen Kanäle.«

      Thora kniff die Augen zusammen und musterte ihn misstrauisch. Trotz des Hammerwerks, das in ihrem Schädel donnerte, begriff sie sofort. »Lassen Sie mich raten«, sagte sie in einer Mischung aus Zorn und Spott. »Sie haben es bereits auf eigene Faust versucht und sind abgeblitzt. Habe ich recht?«

      »Ich wollte lediglich Zugriff auf die medizinischen Datenbanken«, gestand Steflov kleinlaut ein. »Dabei habe ich wohl ... so etwas wie einen internen Alarm ausgelöst ...«

      Thora seufzte. »Natürlich haben Sie das. Im Faehrlinstitut findet eins der wichtigsten, kompliziertesten und traditionsreichsten Rituale der arkonidischen Kultur statt – die Aktivierung des Extrasinns. Haben Sie etwa geglaubt, dass ein solcher Ort so etwas wie eine allgemein

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